In der Höhle des Löwen – Zu Besuch bei einer Anti-#Fracking-Veranstaltung von Die Linke (Teil I)

Für den 30.10.2014 war von der Partei Die Linke eine Veranstaltung in Lüneburg anberaumt, die mit „Fracking stoppen! Wege des Widerstandes“ betitelt war. Als Referent war neben dem Initiator Hubertus Zdebel (MdB, DIE LINKE) der Diplom-Physiker Oliver Kalusch vom Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) vertreten. Kalusch fällt regelmäßig durch wortgewaltige, meist wissenschaftlich-fachlich halbgare  Pressemitteilungen bei gegen-gasbohren.de auf.

Warum von Halle (S.) und Clausthal nach Lüneburg?

Als branchenunabhängiger (aber nicht unbedingt neutraler) Blogger war ich schon schon immer daran interessiert, eine Veranstaltung der Gegner der inländischen Erdgasförderung zu besuchen. Aber aufgrund der räumlichen Entfernung im Zusammenhang mit der terminlichen Ansetzung solcher Veranstaltungen wochentags war es mir bisher nicht vergönnt, an solchen „Informationsveranstaltungen“ teilzunehmen. Doch da der 31. Oktober dank „Junker Jörg“ (eigentl. Martin Luther) in den ostdeutschen Bundesländern  Feiertag ist, bot es sich an, den weiten Weg von Leipzig nach Lüneburg und zurück nach Halle (S.) auf sich zu nehmen und den Vorträgen der Herren Zdebel und Kalusch zu lauschen.

Es war mir bereits mit dem Aufkommen der Idee, nach Lüneburg zu fahren, bewusst, dass ich mich als Befürworter der inländischen Gewinnung von Erdöl und Erdgas in die sprichwörtliche Höhle des Löwen begeben würde. Dafür sprachen nicht nur der Veranstalter sowie die Referenten, sondern auch die räumliche Nähe zum Wendland (Stichwort „Gorleben“). Es war also mit einem tiefroten-tiefgrünen Publikum mit vorgefestigter Meinung in der historischen Salzstadt zu rechnen.

Die Idee trug ich an die Mitstreiter und Unterstützer des Blogs heran. Letztendlich machte sich auch Blog-Mitstreiter Markus auf den Weg von Clausthal nach Lüneburg. Im Gegensatz zu mir hatte er schon Erfahrung auf einer ähnlich gearteten Veranstaltung von Die Linke in seinem Heimatort Barnstorf machen dürfen. Somit waren zumindest zwei Teilnehmer mit fundiertem Fachwissen im Publikum vertreten, die mit den zu erwartenden Inhalten der Vorträge nicht einverstanden sind.

Vortrag von Hubertus Zdebel

Den Auftakt der Veranstaltung machte zunächst Hubertus Zdebel. Einleitend beklagte er die vermeintliche „Pro-Fracking“-Propaganda, die in den letzen Wochen in Deutschland angeblich stattfinde. Er bezog sich dabei insbesondere auf die kleine Serie im Rahmen mehrerer Sendungen von „Panorama“ bzw. „Panorama3“ die vom NDR produziert wurden und in der ARD bzw. beim NDR selbst ausgestrahlt wurden (Brennende Wasserhähne. Wie Gefährlich ist Fracking?).

Noch während der einleitenden Worte begab sich Zdebel allerdings selbst auf den Pfad der Propaganda. Ohne ihn namentlich zu benennen, behauptete er, das der CEO von ExxonMobil, Rex Tillerson, seine Ranch verkaufen wolle, nachdem er erfahren hätte, dass im Umfeld seines Anwesens „Fracking“ duchgeführt werden sollte. Quellen seiner Behauptung nannte Zdebel nicht. Stattdessen ist zu vermuten, dass er sich auf diverse deutsche Medienartikel berief, die behaupteten, Tillerson würde sich gegen „Fracking“ vor seiner Haustür wehren.

Tatsächlich war sämtlichen Artikeln zu entnehmen, dass Tillerson sich gegen die Errichtung eines Waserturms wehrt. Dass das dort zwischengelagerte Wasser angeblich zum „Fracking“ verwendet wird, genügte, um zu unterstellen, Tillerson wehre sich dagegen. Doch Artikeln in der FAZ sowie beim Star Telegram (USA) ist etwas anderes zu entnehmen:

Wie das „Wall Street Journal“ schrieb, sind im seit dem Jahr 2007 im Umkreis von Tillersons Anwesen mindestens neun Fracking-Bohrstellen entstanden. (FAZ 26.02.2014)

Dass bereits Erdgasförderung (aus dem Barnett Shale) rund um die Ranch von Tillerson stattfindet, bestätigt sogar die Texas Railroad Commission, die Genehmigungsbehörde für Erdöl-Erdgasgewinnung in Texas:

According to Texas Railroad Commission records, about a dozen gas wells are within a mile of Tillerson’s ranch (Star Telegram 24.02.2014).

Somit akzeptiert Tillerson im Umfeld seiner Ranch Frac-Aktivitäten und anschließende Erdgasgewinnung seit Jahren und von einem geplanten Wegzug ist nichts zu lesen, auch nicht in anderen Medien. Zdebel hat also schlichtweg die Zuhörer belogen!

Spannend wurde es jedoch, als im Rahmen der Präsentation die erste Karte gezeigt wurde. Diese ist aus der Studie „Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in Deutschland“ der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Auf ihr wurde das Verbreitungsgebiet unterkarbonischer bituminöser Tonsteine dargestellt. Rot schraffiert sind dabei Bereiche, in denen die BGR Schiefergaspotenzial sieht.

Verbreitung bituminösen Tonsteins im Unterkarbon - rot schraffiert Gebiete mit Schiefergaspotenzial. Quelle: Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in Deutschland (BGR 2012)

Verbreitung bituminösen Tonsteins im Unterkarbon – rot schraffiert Gebiete mit Schiefergaspotenzial. Quelle: Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) in Deutschland (BGR 2012)

Ich fragte Herrn Zdebel, welche Bedeutung die rote Schraffur hätte. Er zeigte sich etwas irritiert und meinte, er könne keine Schraffur erkennen. Aus der Reihe hinter mir hielt sich eine Dame für besonders schlau und sagte, es wären die Gebirge. Zdebel konnte die Frage nicht beantworten also antwortete ich selbst und erklärte ihm, dass die rot schraffierten Bereiche die sind, in denen die BGR Schiefergaspotenzial ausgewiesen hat. Lüneburg liegt ca. 25 km von dem schraffierten Bereich im Süden und Südosten entfernt.

Eine Dame aus dem Publikum fragte dann noch, warum denn um Lüneburg Aufsuchungserlaubnisse bestünden, wenn der Bereich doch aussichtslos für die Schiefergasgewinnung aus dem Unterkarbon wäre. Antworten konnte ich ihr aber nicht mehr (Antwort folgt am Endes des Artikels im noch kommenden zweiten Teil).

Nun sah sich Kalusch genötigt, sich einzumischen. Er behauptete, dass es sich um Gebiete handele, die unterhalb 3.000 m unter der Erdoberfläche liegen und am lukrativsten wären und deshalb das Eckpunktepapier der Minister Gabriel und Hendricks diese Tiefenangabe als Obergrenze für Fracs in Schiefergesteinen ausgewiesen haben. Doch von dieser Grenze ist in der BGR-Studie keine Rede. Tatsächlich wird dort nur der Teufenbereich zwischen 1.000 Meter (Mindesttiefe für Gasbildung) und 5.000 Meter (wirtschaftlich bedingte Maximaltiefe) genannt. Kalusch glänzte also bereits vor seinem Vortrag mit Unwissen. Nach Ansicht des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) handelt es sich um eine wissenschaftlich unfundierte und somit willkürlich gezogene Teufengrenze.

Im weiteren Verlauf des Vortrages folgten dann die üblichen Klischees, die von den diversen, sich gegenseitig bestätigenden Websites der Gegner inländischer Erdöl- und Erdgasgewinnung bekannt sind, wie z.B. die angeblichen durch „Fracking“ verwüsteten Landstriche, von denen aber anscheinend nur die „Fracking“-Gegner Kenntnis haben. Denn schaut man sich auf Luftbildern die Gegenden an, in denen Schiefergas gefördert wird, wie z.B. das aus „Gasland“, oder dem Gegenstück „FrackNation“ bekannte Dimock in Pennsylvania, dann ist von einer „verwüsteten Landschaft“ nichts zu erkennen. Denn nach der Bohr- und anschließenden Fracphase werden die Förderplätze erheblich verkleinert.

Bis zu diesem Punkt haben sich bereits zumindest im Ansatz die Vermutungen bestätigt, womit bei einer solchen „Informationsveranstaltung“ zu rechnen ist. Ein von Falschbehauptungen und unvollständigem Wissen gekennzeichneter Vortrag trifft auf ein Publikum, dessen Meinung zum Thema offenbar bereits feststeht und das sich durch den Vortragenden in seinen Ansichten bestätigt wissen möchte. Kritische Zwischenfragen, womit die Veranstalter vermutlich nicht gerechnet haben, konnten aufgrund dürftigen Fachwissens gar nicht bzw. nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

Soviel zunächst von der Anti-Fracking-Veranstaltung der Partei Die Linke. Im zweiten Teil wird auf den Vortrag von Oliver Kalusch eingegangen sowie über die anschließende Debatte berichtet. Im Lauf der Debatte sowie im Anschluss sahen wir uns teilweise heftigen persönlichen Angriffen ausgesetzt. Aber auch ein anwesender Journalist der „Landeszeitung“ war an unserer Meinung interessiert.