MdB Julia Verlinden (Grüne) auf „Erdgastour“ – Gewollte Bestätigung von Vorurteilen
Vor einigen Tagen erschien hier der Artikel Die Grünen und ihr seltsames Verständnis von Meinungsvielfalt – Erläutert am Beispiel heimische Erdöl- Erdgasgewinnung. Dieser befasste sich im wesentlichen mit einer Gegenaktion von Bündnis90/Die Grünen (Grüne) auf die Postkartenaktion des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG). Im Rahmen der Gegenaktion wird dem WEG die Daseinsberechtigung abgesprochen. Die Initiatorin der Aktion, die Bundestagsabgeordnete Frau Dr. Julia Verlinden, ist in Niedersachsen auf „Erdgastour“ gewesen.
Nach eigenen Angaben sollte die Tour dazu dienen, sich „über Auswirkungen der Erdgasförderung [zu] informieren und über die aktuellen Pläne der Bundesregierung zum Fracking-Regelungspaket diskutieren.“ Anders ausgedrückt bedeutet das soviel, dass bestehende Vorurteile bzw. gegenüber der inländischen Erdgasförderung ablehnende Meinungen gefestigt werden sollten. Das wird u.a. dadurch bestätigt, dass sich Frau Verlinden sowie ihr Tourbegleiter und Parteifreund und ebenfalls Mitglied des Bundestages (MdB) Herr Peter Meiwald fast ausschließlich mit Gegnern inländischer Erdgasgewinnung trafen und austauschten.
Am ersten Tourtag machten die beiden MdB Station in Rotenburg/Wümme, wobei noch MdB Oliver Krischer (Grüne) sowie die Landtagsabgeordneten der Grünen, Miriam Staudte, Volker Bajus und Elke Twesten hinzustießen. Hier stellt sich die Frage, wozu es sechs von der Bevölkerung bezahlter Abgeordneter ein und derselben Partei bedarf, um sich mit Vertretern von Anti-Gasförderungs-Bürgerinitiativen, Umweltverbänden sowie „Betroffenen“, also Gleichgesinnten, zu treffen und „auszutauschen“.
Angeblich diente das Treffen dazu, sich über die „die örtlichen Folgen und Gefahren der Erdgasförderung“ zu informieren. Doch warum wurden keine Behördenvertreter hinzugezogen, die über die fachliche Expertise verfügen, Vorfälle sachgerecht einzuordnen? Denn zur Überzeichnung neigende Bürgerinitiativen (BI) und Umweltverbände sind in dieser Hinsicht nicht dienlich. Es ist aber, siehe oben, anzunehmen, dass eine sachgerechte Informationsbeschaffung auf der Tour nicht ernsthaft gewollt ist.
Die Reisefreudigen bestätigen, so wie Herr Meiwald, ihre voreingenommene Ansicht stattdessen durch subjektive Beurteilungen Gleichgesinnter:
Die Betroffenen haben uns heute die Beeinträchtigungen ihrer Lebenswelt in eindrücklicher Weise geschildert. Schon die bestehenden Umweltbelastungen und Gesundheitsrisiken durch die Erdgasförderung in Niedersachsen zeigen, wie problematisch diese Art der Rohstoffgewinnung ist. Die Förderstellen müssen dringend besser überwacht werden und höhere Umweltauflagen erhalten
Fakt ist, dass es in der Region in unmittelbarem Umfeld von Leitungen zum Transport von Lagerstättenwasser (LaWa) zu räumlich eng begrenzten unterirdischen Kontaminationen gekommen ist. Es konnte auch nachgewiesen werden, dass in unmittelbarer Umgebung von zwei Plätzen, auf denen ausgemusterte Anlagenteile gereinigt wurden, Quecksilberkontaminationen dokumentiert worden sind, die punktuell sogar Maßnahmewerte für Industrie- und Gewerbeflächen überschritten.
Großflächige Verunreinigungen über das gesamte Fördergebiet konnten jedoch nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil: Eine von der zuständigen Bergbehörde, dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) durchgeführte Langzeitmessung kam zu dem Ergebnis, dass es im Förderfeld „Söhlingen“ zu keinen erhöhten Emissionen bzw. Immissionen von Quecksilber und aromatischen Kohlenwasserstoffen gekommen ist (Immissionsmessungen an einer Erdgasstation im Landkreis Rotenburg (Wümme)). Dieses Ergebnis wird von den Kritikern, zu denen die Grünen zuzurechnen sind, jedoch ignoriert.
Wer, so wie der Verfasser dieses Beitrags, schon einmal die Region, um die es hier geht, besucht hat, kann nicht bestätigen, dass die Lebenswelt von Anwohnern in großem Umfang beeinträchtigt wird. Viele der Förderbohrungen sind ohne Ortskenntnis kaum auszumachen, da sie fernab von Durchgangsstraßen und Siedlungen in der Landschaft verteilt sind. Gerüche, die auf einen Austritt von gesundheitsgefährdenden Stoffen wie Benzol hinweisen, konnten analog zu den Messungen des LBEG nicht festgestellt werden.
Um es für die Erdgasförderregion Rotenburg zusammenfassend auf den Punkt zu bringen: Ja, es gab lokale Kontaminationen, die im mehr oder weniger engen Zusammenhang mit der Erdgasproduktion stehen. Eine permanente Immission von Schadstoffen konnte im Zuge einer Langzeitmessung nicht dokumentiert werden. Ebensowenig konnten gesundheitliche Beeinträchtigungen der Anwohner der Erdgasgewinnung zugeordnet werden. Diese Feststellung ist keine Verharmlosung, sondern ein unumstößlicher Fakt!
Eine weitere Station der reisefreudigen MdB Verlinden und Meiwald war das Dorf Völkersen im Landkreis Verden, Namensgeber der dort 1992 aufgeschlossenen Erdgaslagerstätte.
Aufgrund von wiederholten extrem leichten Erdbeben laut Richterskala (Magnitude 2,0 -<3,0) die sehr wahrscheinlich eine Folge von Druckentlastung im Untergrund aufgrund der Erdgasförderung sind sowie von räumlich eng begrenzten Kontaminationen durch Benzol am dortigen LaWa-Transportsystem ist der Widerstand vor Ort recht intensiv.
Immerhin war an der von nur 30 Interessierten besuchten Veranstaltung, überwiegend Vertreter der Grünen und von Bürgerinitiativen laut Artikel der Kreiszeitung (Podiumsdiskussion zum Thema Fracking und Erdgasförderung in Völkersen – „Was brauchen wir eine Technik, die Risiken birgt?“) mit Heinz Oberlach auch ein Vertreter der an den Pranger gestellten Industrie vertreten.
Laut des Artikels kamen die Gegner der regionalen Erdgasförderung über Phrasendrescherei nicht hinaus. Julia Verlinden wird folgendermaßen zitiert:
Wenn wir weiterhin in Erdgasförderung investieren, verlängern wir das fossile Zeitalter. Ich will, dass im Bereich der erneuerbaren Energien geforscht wird.
Was Verlinden ausblendet ist, dass durch Investitionen in die Erdgasförderung das fossile Zeitalte nicht verlängert, sondern die Versorgung mit Rohstoffen sichergestellt wird. Denn auf absehbare Zeit werden fossile Rohstoffe noch benötigt, sei es zur Erzeugung von Wärme- und Elektroenergie oder als Grundstoffe der chemischen Industrie. Die Kritiker der Gewinnung fossiler Rohstoffe vergessen regelmäßig schlüssig zu erläutern, wie diese Rohstoffe ersetzt werden sollen.
In eine vergleichbare Kerbe wie Verlinden schlägt auch Gero Landzettel, Sprecher der lokalen BI „Langwedel gegen Gasbohren“:
Was brauchen wir eine Technik, die Risiken birgt, um die Energieversorgung sicherzustellen? Wir als Bürgerinitiativen halten Fracking für großen Unsinn.
Dieser von den BI als „Unsinn“ angesehenen Technologie verdankt die Menschheit einen nicht unerheblichen Anteil der Versorgung mit Erdöl und Erdgas. Denn seit der Erstanwendung 1947 und der Patentierung 1949 sind weltweit allein in Erdöl- und Erdgaslagerstätten ca. 3 Millionen hydraulische Fracmaßnahmen durchgeführt worden. Ohne Juristen generell zu Nahe treten zu wollen fällt mir zu Landzettel (Rechtsanwalt) folgendes Zitat von Ludwig Thoma ein:
Er war ein Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.
Denn es bedarf eines mäßigen Verstandes a) eine bewährte Standardtechnologie als Unsinn zu bezeichnen sowie b) die Versenkung von LaWa an einen Ort, an dem von Natur aus LaWa existiert, als riskant zu bezeichnen.
Eine weitere Station der grünen Reisegruppe war die Gemeinde Wagenfeld im Landkreis Diepholz. Im Jahr 2012 gab ExxonMobil bekannt, dass aus der bestehenden, im Staßfurtkarbonat des Zechstein wirtschaftlich nicht fündigen Bohrung „Bahrenborstel Z14/Z14a“ eine weitere Ablenkung gebohrt werden solle. Diese sollte dazu dienen, den potenziell gasführenden jurassischen Posidonienschiefer mit einer Horizontalbohrung aufzuschließen. Geplant waren zehn Fracstages innerhalb der Horizontalstrecke (10 Fakten zum Bohrprojekt Bahrenborstel Z14b).
Die Bekanntgabe des Vorhabens geschah während der aufgekeimten Debatte um die Erschließung unkonventioneller Lagerstätten mittels Hydraulic Fracturing. Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass sich eine Bürgerinitiative namens „No Moor Fracking“ gründete, um gegen das Vorhaben zu opponieren. Finanziell und ideell unterstützt wird die BI durch den lokalen Getränkehersteller „Auburg Quelle“ und dessen Geschäftsführer Dirk Lügvogt. Und eben diese „Auburg Quelle“ war Station von Meiwald und Verlinden. Es wurden also abermals zur „Informationsbeschaffung“ Gleichgesinnte konsultiert, die ihre subjektiven, nicht faktenbasierten Ansichten mit den Politikern „austauschten“.
Zu diesen Ansichten zählt auch die Mär, dass Hydraulic Fracturing-Maßnahmen Wässer im Untergrund „verseuchen“ könnten. Belege für diese Unterstellung gibt es trotz drei Millionen Fracjobs weltweit seit 1947 zwar nicht, aber das Horroszenario wird dennoch gerne bemüht.
Laut eines Print-Artikels der Kreiszeitung kritisiert die Wagenfelder BI die Umdeutung von Begrifflichkeiten. Demnach würde „unkonventionelle Förderung“ in „konventionelle“ durch Industrie und niedersächsicher Landesregierung umgedeutet. Diesbezüglich sei gesagt, dass es keine Unterscheidung hinsichtlich konventioneller und unkonventioneller Förderung gibt. Stattdessen werden Lagerstätten als „konventionell“ oder „unkonventionell“ charakterisiert, und zwar aus dem Blickwinkel, ob sie mit gegenwärtig verfügbaren technischen Möglichkeiten wirtschaftlich gewinnbar sind.
Nach Ansicht der BI gäbe es, sofern das Schiefergspotenzial bestätigt würde, allein auf dem Gemeindegebiet 58 Clusterbohrplätze, nach Ausschluss von „Tabuzonen“ noch 33 mit 6 bis 20 Bohrungen je Platz. leider wird für diese Zahlen keine Quelle angegeben. Es handelt sich somit um ein Szenario bar jeglicher Plausibilität.
Das Gemeindegebiet von Wagenfeld umfasst laut Wikipedia 117 km². laut ExxonMobil bedarf es einer flächenhaften Erschließung von 100 km² einer Schiefergaslagerstätte zwischen 9 bis 12 Clusterplätzen mit bis zu 20 Bohrungen plus eines zentralen Betriebsplatzes (Flächenbedarf bei der Schiefergasförderung). Nach Bemühung des Dreisatzes wäre für das Gemeindegebiet von Wagenfeld von 14 Plätzen auszugehen statt 33 bis 58 wie von der BI behauptet.
Fazit: Auf Kosten des Steuerzahlers begaben sich zwei MdB der Grünen auf Erdgastour durch Niedersachsen. Dabei stießen je nach Tourstation weitere grüne Mandatsträger des Bundes sowie des Landes Niedersachsen dazu. Vorgegebenes Ziel der Tour war es, „sich vor Ort über Auswirkungen der Erdgasförderung zu informieren und über die aktuellen Pläne der Bundesregierung zum Fracking-Regelungspaket mit Betroffenen und Unternehmen diskutierten.“
Abgesehen von einer Ausnahme wurden Förderunternehmen konsequent von der Diskussion ferngehalten. Stattdessen unterhielten sich Frau Dr. Verlinden und Herr Meiwald mit Personen und Organisationen, mit denen sie auf einer Wellenlänge schwimmen. Ein Erkenntnisgewinn konnte dadurch nicht erfolgen und war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichlkeit auch nicht gewollt, wie einer Pressemitteilung zum Auftakt der Tour zu entnehmen ist:
„Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Fracking in Deutschland verhindert wird“, verlangt Dr. Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik. „Wir Grüne bestehen auf dem Vorsorgeprinzip. Deshalb fordern wir die Fracking-Gegner in den Bundestagsfraktionen von Union und SPD auf, sich gemeinsam mit uns für ein echtes Fracking-Verbot sowie für schärfere Umweltstandards für die Erdgas- und Erdölförderung insgesamt einzusetzen. Fracking verlängert das fossile Zeitalter. Unsere Alternative ist die Energiewende!“
Frau Dr. Verlinden weiß offenbar nicht, dass Hydraulic Fracturing seit Jahrzehnten in Deutschland betrieben wurde, ohne das es nachweisbar zu Umweltschäden gekommen ist. Sie beruft sich auf das „Vorsorgeprinzip“, das Gefahren für Mensch, Umwelt und Natur ausschließen soll. Diesen Maßstab legt sie offenbar bei sogenannten „erneuerbaren Energien“ nicht an. Insbesondere die Gewinnung von Biogas, die als Alternative für Erdgas gehandelt wird, brachte und bringt fatale ökologische Folgen mit sich, wie z.B. die komplette Vernichtung der Fischfauna in Fließgewässern: „Panne in Biogasanlage: Fischsterben im Landkreis Rotenburg“.
Eine vergleichbare Havarie hat die Erdgasgewinnung nicht hervorgerufen!