MdB Mattfeldt (CDU) fordert Quasi-Verbot von Erdgasförderung in Deutschland
Im Streit um die Erdgasförderung in Deutschland der vergangenen Jahre zeigte sich die CDU insgesamt noch recht moderat in der emotional geführten und selten auf Fakten basierenden Diskussion. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel und zu einer besonders krassen Ausnahme zählt Andreas Mattfeldt, direkt gewählter Vertreter für den Wahlkreis Osterholz-Verden. Aktuell fordert Mattfeldt, in dessen Wahlkreis sich Deutschlands gegenwärtig bedeutendste Erdgaslagerstätte befindet, ein Förderverbot in verdichteten Siedlungsgebieten.
Widerstand Mattfeldts eingeschränkt nachvollziehbar
In gewisser Weise ist der Widerstand gegen die Erdgasproduktion in seinem Wahlkreis nachvollziehbar. Schließlich hat es in der Vergangenheit im Gebiet des Förderfeldes Völkersen/Völkersen-Nord einige spürbare Erdbeben gegeben, von denen wiederum wenige leichte Schäden an Gebäuden hervorgerufen haben. Der Verfasser des Artikels ist vor einiger Zeit von Herrn Mattfeldt informiert worden, selbst von einem Schaden an seinem Wohnhaus betroffen zu sein. Gegenwärtiger Kenntnisstand ist, dass die seismischen Ereignisse „sehr wahrscheinlich“, also so gut wie sicher, auf die Erdgasförderung zurückzuführen sind, nicht jedoch auf Hydraulic Fracturing-(„Fracking“-) Maßnahmen und auch nicht auf die Versenkung von Lagerstättenwasser (LaWa) oder gar Bohrarbeiten (Kurzbericht zum Erdbeben bei Völkersen (Landkreis Verden) am 22. April 2016, ML 3,1).
Andererseits gab es deutlich über dem Grenzwert liegende Benzolkontaminationen des oberflächennahen Grundwassers (kein Trinkwasser!) im Bereich des Leitungssystems für das bei der Erdgasförderung zwangsläufig anfallenden LaWa. Zwar waren „nur“ Abschnitte betroffen, in denen die Leitungen in wassergesättigten Böden lagen. Aber Teile der Bevölkerung waren durch schlecht recherchierte und somit angstschürende Berichte der Massenmedien sowie durch das ähnliche Agieren der lokalen Bürgerinitiative (BI) „No Fracking“ verunsichert. Dass sich ein Volksvertreter der Sorgen der oder korrekter Teilen der Bevölkerung annimmt, ist nachvollziehbar und prinzipiell zu begrüßen. Was jedoch nicht zu begrüßen, ja sogar abzulehnen ist, ist die blinde Unterstützung und Übernahme der Standpunkte einer BI.
Denn eine BI repräsentiert oftmals nicht die Mehrheit der Bevölkerung, sondern lediglich einen geringen Teil. Dass weitere Teile der Bevölkerung mit deren Ansichten konform gehen, soll an dieser Stelle nicht bestritten werden. Die Crux aber ist, dass BI oftmals mit Übertreibungen tatsächlicher und angeblicher Risiken agieren und sich dabei nicht an die Faktenlage halten. Und das gilt nicht nur für BI, die sich gegen die Erdgasförderung in Deutschland einsetzen, sondern auch für zahlreiche andere „Dagegen“-Gruppierungen.
Populistische Forderung nach Verbot Erdgasförderung in Deutschland in „verdichteten Siedlungsgebieten“
Gegenwärtig bewegt sich Herr Mattfeldt jedoch auf dem Niveau der gegen die heimische Erdgasgewinnung opponierenden Bürgerinitiativen. Er fordert, dass ein komplettes Förderverbot von Erdgas in verdichteten Siedlungsgebieten in die anstehenden Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden müssen.
Was unter „verdichteten Siedlungsräumen“ zu verstehen ist, definiert der CDU-Bundestagsabgeordnete allerdings nicht. Das wäre auch kaum machbar, erstreckt sich das offensichtlich in der Diskussion stehende Erdgasfeld Völkersen/Völkersen-Nord über drei Samtgemeinden, deren jeweils durchschnittliche Bevölkerungsdichte von 58 Einwohnern (EW) je Quadratkilometer (km²) in Kirchlinteln über 126 EW/km² in Ottersberg bis hin zu 189 EW/km² in Langwedel reicht. Die aktuelle Bevölkerungsdichte Deutschlands beträgt übrigens 230 EW/km². In diesem Durchschnitt enthalten ist das tatsächlich verdichtete Siedlungsgebiet des Ruhrgebiets mit 1.121 EW/km² sowie weitere Ballungsräume.
Die Erdgaslagerstätte Völkersen/Völkersen-Nord fällt demnach für jedermann nachvollziehbar, auch ohne Studium der Geographie, unter die nicht verdichteten Siedlungsgebiete. Doch wenn Mattfeldt offenbar bereits ländliche Gebiete als „verdichtete Siedlungsräume“ einstuft, kommt seine Forderung einem Totalverbot der Erdgasförderung in Deutschland gleich. Dabei verfolgt der Betreiber der Lagerstätte, die Deutsche Erdöl AG (DEA) das Konzept der Konzentration von Bohrungen, womit eine flächenhafte Verteilung von Bohr- und Förderplätzen vermieden wird (siehe nebenstehende Abbildung).
Merkwürdig fallen dementsprechend die Begründungen Mattfeldts für dessen Forderungen aus, die u.a. auch das Verbot der Förderung in Trinkwasserschutzgebieten einschließt. Denn damit spricht er aktuell in Produktion stehenden Bohrungen in der Trinkwasserschutzzone (TWS) III, der Zone mit den geringfügigsten Anforderungen, den Bestandsschutz ab. Dabei verhält es sich sogar so, dass um existierende Erdgasförderbohrungen Trinkwasserschutzgebiete eingerichtet worden sind (Region Vechta). Hinzu kommt, dass nach aktueller Gesetzeslage Neubohrungen selbst in der TWS III nicht mehr erlaubt sind.
Mattfeldt führt demnach Scheinargumente an und ignoriert dabei sogar die aktuelle Gesetzeslage, die nicht nur aus Sicht der betroffenen Unternehmen, sondern auch aus Sicht des Verfassers völlig überzogen, weil an der Faktenlage vorbeigehend, zu bewerten ist.
Erhebliche Umweltverschmutzung durch Erdbeben?
Mattfeldt argumentiert, oder besser behauptet, dass die sehr wahrscheinlich durch Erdgasförderung induzierten Erdbeben erhebliche Umweltverschmutzungen hervorriefen.
Angesichts der vielfach erhöhten Gefahr von Erdbeben sowie der daraus entstehenden erheblichen Umweltverschmutzung ist dies die einzige logische Konsequenz, um das Wohl der Anwohner gewährleisten zu können MdB Andreas Mattfeldt
Es ist fraglich, wie die nach Richterskala als „extrem leicht“ bzw. in einem Fall als „sehr leicht“, welche in den vergangenen Jahren im Bereich der Erdgaslagerstätte Völkersen/Völkersen-Nord registriert worden sind, eine „erhebliche“ Umweltverschmutzung hervorufen sollen. Die nach Mattfeldt „vergleichsweise starken Erdbeben“ sind einfach zu schwach, um ernsthafte Schäden, beispielsweise an Heizöltanks hervorzurufen.
Eventuell will Mattfeldt jedoch ausdrücken, das von der Erdgasförderung in Deutschland erhebliche Umweltverschmutzungen herrvorgerufen werden. Dann würde der Bundestagsabgeordnete die umfangreichen niedersachsenweiten Schadstoffuntersuchungen an Erdgasförderplätzen ignorieren. Schließlich haben diese ergeben, dass generell die maßgeblichen Maßnahme- und für den Wirkungspfad Boden-Mensch bedeutenderen Prüfwerte nahezu ausnahmslos unterschritten worden sind.
Zu einem entsprechenden Ergebnis kamen Langzeitluftuntersuchungen im benachbarten Landkreis Rotenburg/Wümme. Es konnten hierbei keine auffälligen Schadstoffkonzentrationen, die von der Erdgasgewinnung herrühren, dokumentiert werden. Selbst bei der besonders kritisch angesehenen Abfackelung von Erdgas kam es zu keiner Überschreitung der Grenzwerte.
Bleiben die am inzwischen vollständig rückgebauten LaWa-Leitungssystem gemessenen Benzolkonzentrationen in Bereichen, in denen die Leitungen in wassergesättigtem Boden lagen. Diese können durchaus als erheblich angesehen werden, blieben aber räumlich sehr eng begrenzt. Nur wenige Meter neben den Leitungen waren keine Grenzwertüberschreitungen mehr feststellbar. Zudem wurden aus diesem Vorfall die richtigen Schlüsse gezogen, in dem das Leitungssystem zunächst stillgelegt und anschließend zurückgebaut wurde.
Faktisches Verbot von Erdgasförderung in Deutschland aus unkonventionellen Lagerstätten
Mattfeldt rühmt sich in seinem Forderungsbeitrag damit, gemeinsam mit 40 gleichgesinnten CDU-Abgeordneten im Hinblick auf die Beschränkung der Erdgasförderung in Deutschland viel erreicht zu haben. Doch waren es insgesamt die SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie die Partei Die Linke, welche sich nahezu geschlossen für die Beschränkungen, insbesondere dem Quasi-Verbot der Erkundung und Produktion aus unkonventionellen Lagerstätten („Schiefergas“, „Kohleflözgas“) hervorgetan haben. Die SPD bejubelte sogar das Verbot in den sozialen Netzwerken mit einem Bild, das mehr dem tiefen Niveau einer Kampagnenorganisation entspricht, jedoch nicht dem einer ernstzunehmenden Partei!
Aber auch die Produktion nach Anwendung von Fracmaßnahmen in konventionellen Lagerstätten fand starke Einschränkungen. In der Politik wird übrigens widersinnig von „unkonventionellem“ bzw. „konventionellem“ „Fracking“ gesprochen, so auch Mattfeldt.
Doch kann man auf diese Erreichte wirklich stolz sein, so wie es der CDU-Abgeordnete offensichtlich ist? Wohl kaum! Denn mit dem faktischen Verbot der Erkundung sowie Produktion aus unkonventionellen Lagerstätten gehen Erdgaspotenziale von hunderten Milliarden Kubikmetern verloren. Dieses Volumen wird stattdessen aufwendig über tausende Kilometer unter erheblichen Verlusten aus Russland oder in Form von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus Übersee importiert.
Aber auch die Beschränkungen im konventionellen Bereich haben schwerwiegende ökonomische Folgen. Nach Angaben des Branchenverbandes Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) hat sich seit der Diskussion um die Erdgasförderung in Deutschland ein Investitionsstau vom 1 Milliarde Euro gebildet. Hinzu kommt ein nicht unerheblicher Rückgang der Förderabgabe infolge des beschleunigten Produktionsrückgangs. Ein Verlust von mehreren 100 Millionen Euro dürften hier die Folge für die betroffenen Landeshaushalte sein.
All diese Punkte werden von der Politik geflissentlich ignoriert und stattdessen das Fähnlein nach dem starken oftmals von heißer Luft geprägten Wind von Kritikern gedreht. Die Angst „vom Wähler“ abgestraft zu werden, ist größer als jegliche Vernunft und das die Beachtung von Fakten.
Weitere Einschränkungen gefordert
Mattfeldt hebt hervor, dass mit dem neuen Gesetz „Trinkwasserschutzgebiete, Mineralbrunnen, Heilquellen und die öffentliche Wasserversorgung erheblich besser geschützt“ würden. Doch waren diese Maßnahmen überhaupt erforderlich?
Schließich hat die seit Jahrzehnten stattfindende Erdgasförderung in Deutschland beweisen können, dass von ihr für die Trinkwassergewinnung etc. keine Gefahr ausgeht. Sie war bislang sowieso nur in der TWS III gestattet, was auch logisch ist. Denn die TWS I umfasst die Gewinnung selbst, also in Norddeutschland im Regelfall mittels Bohrungen (!) erstellte Brunnen. In der TWS II darf u.a. nicht in die Humusdecke eingegriffen werden, womit sich schon der Bau eines Bohrplatzes verbietet. In der TWS III hingegen beträgt die Anströmzeit des Wassers bis zur Wasserfassung, also dem Brunnen, mindestens 500 Tage, in der in Niedersachsen möglichen TWS III B sogar 2.500 bis 3.500 Tage (Quelle: Geo Protect – Wasserschutzgebiet). Genug Zeit also, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen, falls doch etwas passieren sollte. Doch selbst das nun geltende Verbot von Bohrungen in der TWS III geht manchen noch nicht weit genug.
Und damit wären wir wieder beim Thema des Verbotes der Erdgasförderung in verdichteten Siedlungsräumen. Dazu möchten wir Herrn Mattfeldt folgendes mitteilen: Es gibt auch in Deutschland Erdgasproduktionsanlagen, die sich inmitten von Siedlungen befinden. Beispielsweise zählt dazu das Erdgasfeld Barrien südlich von Bremen. Dieses steht seit den 1960er Jahren in Produktion und über die Jahre sind Wohnhäuser rund um einige der Förderplätze errichtet worden. Uns ist nicht bekannt, dass dort die Anwohnerwegen der Erdgasproduktion reihenweise tot umfallen, salopp gesprochen, oder gar auf die Barikaden gehen. Nein, sie haben sich einfach mit dem, was bereits seit Jahrzehnten existiert, arrangiert.
Selbiges gilt für Erdölfelder im Emsland und der Grafschaft Bentheim oder auch in/bei Hamburg. Auch hier sind Wohnhäuser neben bestehenden Förderanlagen errichtet worden.
Diese Beispiele zeigen, dass eine Co-Existenz von Erdöl-Erdgasproduktion und Wohnbebauung durchaus möglich ist, ebenso wie Erdgasförderung in erst später eingerichteten Trinkwasserschutzgebieten sicher durchführbar erfolgen kann. Warum sollte das im Erdgasfeld Völkersen/Völkersen-Nord oder auch in den Erdgasfeldern der benachbarten Landkreise nicht möglich sein? Sicherlich sind einige Erdbebenschäden an Gebäuden nicht von der Hand zu weisen und für die Eigentümer äußerst unangenehm.
Aber das die Schäden in die Millionen gehen, wie Mattfeldt behauptet, ist schlichtweg unwahr. Zudem sind Regelungen getroffen worden, um diese Schäden zu Lasten des Förderunternehmens zu begleichen.
Deshalb sind Forderungen nach einem Verbot der Erdgasförderung in nicht näher definierten „verdichteten Siedlungsräumen“ sowie Phrasen à la „Dabei sind die für Natur und Umwelt entstehenden Schäden noch nicht einmal in ihrem gesamten Ausmaß absehbar. “ nicht nachvollziehbar und nichts weiter als purer Populismus.
Artikelfoto: Erdgasförderung in Deutschland im Einklang mit Natur und Landschaft. Mittlerweile verfüllte Erdgasförderbohrung Löningen-West 6. © Steven Arndt