MdB Sven-Christian Kindler (Grüne) prognostiziert den Weg des Lagerstättenwassers – Schaut er dabei in eine Glaskugel?

von Dipl.-Geologe Dirk Weißenborn

Bisweilen drängt sich der Eindruck auf, Politiker könnten auf jedem Sachgebiet mitreden. Selbst wenn sie völlig ahnungslos sind.

Ein besonders krasses Beispiel lieferte kürzlich Grünenpolitiker Sven-Christian Kindler ab. Er absolvierte erfolgreich eine duale Ausbildung zum Betriebswirt. Seit 2009 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags und aktuell haushaltspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

 In seiner Pressemitteilung mit dem Titel: „Keine Verpressung von Lagerstättenwasser in Soltau“ vom 27. August 2014 ist zu lesen:

 Der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler lehnt die Verpressung von Lagerstättenwasser in der Bohrstelle in Soltau Z2 ab: „Eine Verpressung von giftigen Lagerstättenwasser würde große Gefahren für das in 1800 Meter Entfernung nahe gelegene Trinkwasserschutzgebiet Schüttenbusch der Stadtwerke Soltau und das Heilquellenschutzgebiet der Soltau-Therme bergen.“

Die Entfernung auf der Erdoberfläche zwischen der Lokation Soltau Z2(a) und den beiden genannten Objekten zur Wasser- bzw. Solewassergewinnung erscheint korrekt nachgemessen. Danach wird es inhaltlich dunkel. Herr MdB Kindler führt keinen Beleg für eine früher in Soltau oder anderswo durch Lagerstättenwasserversenkung stattgefundene Kontamination oberflächenaher Grundwässer in Trinkwasserschutzgebieten und Heilquellen an. Die im Konjunktiv getroffene Aussage „…würde große Gefahren …. bergen“, könnte sich somit nur auf eine zukünftige Versenkung in der Soltau Z2(a) beziehen. bleibt aber letztlich vage.

Informationen aus dem NIBIS-Kartenserver des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie zufolge, handelt es sich bei der Soltau Z2(a) um eine Erweiterungsbohrung aus dem Jahr 2010. Eine Endteufe von 5281,90m unter Gelände wird angegeben. Formation: Oberrotliegend/Wustrow

Der gleichen Quelle kann entnommen werden, dass sowohl die Förderbrunnen der Stadtwerke Soltau im erwähnten „Schüttersbusch“ als auch die Solebrunnen nicht tiefer als maximal ca. 210m unter Gelände reichen. Mindestens 5000 m (in Worten: Fünftausend Meter) vertikale Distanz müssten von den Lagerstättenwässern in Richtung der Erdoberfläche zurückgelegt werden, um diese Schutzgüter zu kontaminieren.

Welche Kraft dafür verantwortlich sein soll, müsste Herr Kindler erst einmal erklären. Immerhin müssten aufwärtsgerichtete Drücke von grob gerechnet 575 bar erreicht werden, um sein Szenario plausibler erscheinen zu lassen. Diese Drücke existieren weder nach ihrem Betrag noch was ihre (ausschließlich) vertikale Richtung betrifft. Zechstein, unterer Buntsandstein und noch einige weitere dichtende Formationen befinden sich zusätzlich dazwischen.

Es scheint, der Betriebswirt Herr Kindler denke nur zweidimensional. Das folgende Zitat aus der Pressemitteilung untermauert diese Vermutung:

„In der Versenkbohrstelle Sottrum Z1 hat das Fachbüro Dr. Schmidt festgestellt, dass die Fließgeschwindigkeit des Lagerstättenwasser bei 240 Metern pro Jahr liegt. Seit 1991 hat die Längenausdehnung bei Sottrum Z1 so mehr als 5 Kilometer betragen. Jeder kann sich also leicht ausrechnen, dass nach ein paar Jahren auch das Trinkwasserschutzgebiet und die Heilquelle mit giftigen Lagerstättenwasser verunreinigt wird.“

Kein Wort zu den Teufenlagen der jeweiligen Versenkhorizonte bzw. –schollen, ihrer Geometrie, den zur Verfügung stehenden (nutzbaren) Porositäten und auch nicht zum Gefälle. Darüber hinaus wird verschwiegen, dass es bergbehördlich festgesetzte Höchstmengen an Versenkwässern einzuhalten gilt.

Selbst wenn die einfache Rechnung aus dem Zitat auf den Fall Soltau Z2 exakt anwendbar wäre, so läge die durch die Versenkung des Lagerstättenwassers „kontaminierte“ Formation eben ca. 5000m unterhalb der vom Menschen genutzten Grundwasser- und Solezone. Belanglos. Niemand in Soltau braucht deshalb schlaflose Nächte zu erleiden.

Im Weiteren beschwert sich Herr Kindler zusätzlich über die seiner Meinung nach inakzeptable Informationspolitik des LBEG hinsichtlich des von ExxonMobil gestellten Antrags:

 „Die Verpressung von Lagerstättenwasser in Soltau Z2 lehne ich wegen der großen Gefahren ab. Dass der Landkreis und seine gewählten Vertreterinnen und Vertreter erst auf Nachfrage von dem Antrag von ExxonMobil auf eine Verpressung von Lagerstättenwasser erfahren haben, ist nicht akzeptabel. Diese Desinformationspolitik muss schnell durch eine Änderung des entsprechenden Bundesberggesetzes beendet werden.“

Gegen die in dieser vorliegenden Pressemitteilung des Herrn Bundestagsabgeordneten Kindler betriebene Desinformationspolitik hilft die von ihm angestrebte Änderung des Bundesberggesetzes allerdings nicht.

 Es stellt sich die folgende Frage:

 Haben Lagerstätteningenieure oder Geowissenschaftler jemals vergleichbare „Bewertungen“ zu Details aus dem Haushaltsentwurf des Bundesfinanzministers öffentlich abgegeben?

 Ich habe davon noch nicht gehört. Und daher rufe ich Herrn MdB Kindler zu: Bleiben Sie bei der Haushaltspolitik! Auf diesem Feld sind Sie kompetent.

Anmerkung: Aufgrund des neuen Konzeptes der Edgasindustrie, Lagerstättenwasser nur noch in Formationen zu versenken, wo es bereits natürlich vorkommt, gehen wir davon aus, dass die Soltau Z2a zur Versenkung des Lagerstättenwassers in den Wustrow-Sandsteins des Oberrotliegend genutzt werden soll.