Medial herbeigeredeter Bohrschlammskandal IV – Eine unendliche Geschichte?

Bereits mehrfach befassten wir uns auf diesen Seiten mit dem Thema Bohrschlamm. Hintergrund sind im wesentlichen Berichte darüber zunächst beim NDR. Im März 2016 wurde das Thema nach Recherchen eine Teams aus WDR und NDR groß aufgezogen und somit bundesweit publik. Doch die auf Skandalisierungsjournalismus getrimmten Beiträge lieferten außer viel Drama wenig substantielles. Ein medial herbeigeredeter Bohrschlammskandal also.

Herbeigeredeter Bohrschlammskandal – Kurze Rückschau

Bohrschlammgrube II

Aus historischen Bohrschlammgruben haben sich ohne menschliches Zutun wertvolle Feuchtbiotope entwickelt. Quelle: Tafel Öl-Radwanderroute in der Grafschaft Bentheim.

Den Auftakt des Skandalisierungsversuchs bildete ein Bericht im NDR-Verbraucherschutzmagazin „Markt“. Dort wurde berichtet, dass bei der Sanierung der „drei alten Bohrschlammgruben Wietingsmohr, Eydelstedt und Emlichheim in Niedersachsen rund 720.000 Tonnen Giftmüll“ angefallen sein sollen. Diese Mengen wurden auf Deponien in Rheinland-Pfalz sowie Nordrhein-Westfalen verbracht. Was daran skandalös sein soll, Sonderabfall aus nicht mehr zeitgemäßen Deponien auf dafür geeignete zu verbringen, konnten die investigativen Journalisten nicht erklären.

Stattdessen wurden mit teilweise falschen Angaben und absurden Behauptungen Teile der Bevölkerung erfolgreich verunsichert. Anscheinend ist esdas Konzept solcher Berichte. Sachliche Aufklärung? Fehlanzeige! Mit dem Auftaktbericht zum herbeigeredeten Bohrschlammskandal haben wir und in Teil I unserer Serie intensiv befasst und möchten an dieser Stelle darauf verweisen.

Jürgen Döschner vom WDR ging noch weiter und malte bei tagesschau.de ein Horrorszenario für die Zukunft an die Wand, falls in Deutschland „Fracking“ flächendeckend zugelassen worden wäre. Dazu bediente er sich einer absoluten Milchmädchenrechnung, basierend auf einer völlig absurden Zahl von prognostizierten 48.000 Schiefergasbohrungen. Für diese Zahl zeichnet sich das Umweltbundesamt (UBA) verantwortlich. Döschners Milchmädchenrechnung sowie die permanente Bezeichnung von Bohrschlamm als „giftig“ oder „gefährlich“, obwohl dieser oftmals völlig harmlos íst, war Thema in unserem Beitrag Medial herbeigeredeter Bohrschlammskandal Teil II.

Bezüglich der unkorrekten Bezeichnung von Bohrschlamm als „gefährlich“ oder „giftig“ gab es nicht nur von unserer Seite deutlichen Widerspruch. Am deutlichsten äußerte sich der Baudezernent des Landkreises Steinfurt, Franz Niederau. Herr Niederau ist auch Geschäftsführer der kreiseigenen Deponie in Altenberge, auf die Bohrschlamm verbracht worden ist. Laut Niederau wären alle gemessenen Werte völlig harmlos. Insbesondere der WDR hätte eine Riesen-Welle mit nichts dahinter provoziert und stelle Sachverhalte völlig falsch dar. Der gescholtene Döschner reagierte bei Twitter auf die fundierte Kritik Niederaus äußerst infantil.  Das haben wir u.a. im Artikel Medial herbeigeredeter Bohrschlamm-Skandal Teil III – Riesenwelle um Nichts! dokumentiert.

Fortsetzung des Skandalisierungsversuchs

Bohrschlammgrube

Bohrschlämme werden heutzutage aufbereitet und zu verschiedenen Zwecken nachgenutzt. Quelle: Tafel Öl-Radwanderroute in der Grafschaft Bentheim.

Nachdem es einige Monate ruhig war, griff der NDR das Thema erneut auf (Landwirtschaft auf giftigen Bohrschlammgruben). Verantwortlich für den Beitrag zeichnet sich einmal mehr Alexa Höber. Somit ist es wenig verwunderlich, dass der Beitrag im „Verbraucherschutzmagazin“ (früher war es ein seriös dargebotenes Wirtschaftsmagazin)  „markt“ ausgestrahlt wurde. Dass Seriösität nicht zu erwarten war, darauf ließ bereits der Vorab-Text „Landwirtschaft auf giftigen Bohrschlammgruben“ schließen.

Denn wie wir in vorangegangenen Artikeln zum Thema „Bohrschlamm“ dargelegt und auch nachgewiesen haben, sind die investigativen Journalisten mit dem Begriff „giftig“ grob fahrlässig umgegangen. Tatsächlich musste ihrerseits sogar eingestanden werden, dass ihnen konkrete Analysewerte nicht vorliegen, die eine Einstufung als „giftig“ rechtfertigen.

So verhält es sich auch im Vorab-Artikel: Es wird zwar behauptet, es seien „krebserregende Kohlenwasserstoffe“ nachgewiesen worden. Doch um welche Stoffe es sich handelt und in welcher Konzentration sie ermittelt worden sind, bleibt offen. Damit ist die weitere Argumentationskette, die den vermeintlichen Skandal belegen soll, bereits hinfällig.

Doch fairerweise sollte der TV-Bericht abgewartet werden, um eine bessere Beurteilung abgeben zu können. Schließlich verhielt es sich in der Vergangenheit oft so, dass kurzzeitig ein Analysebericht, zumindest auszugsweise, eingeblendet wurde.

Bekannte Gesichter im TV-Bericht

Regelmäßig taucht in „Markt“-Berichten, wenn es um Erdgasförderung und ihre Begleiterscheinungen geht, so auch beim Thema „Bohrschlamm“, Herr Andreas Rathjens aus Groß Meckelsen auf. Obwohl die Orte, um denen es in den Berichten geht, nahezu ausschließlich etliche Kilometer von seinem Wohnort entfernt sind, wurde er fast ausnahmslos dem Zuschauer als „Anwohner“ verkauft.

Da die Lokationen, um die es sich im aktuellen Bericht dreht, nun wahrlich sehr weit von seinem Wohnort entfernt liegt, war eigentlich nicht damit zu rechnen, dass er in der Fortsetzung „Medial herbeigeredeter Bohrschlammskandal“ auftauchen würde. Doch bereits die ersten Sekunden des Filmes belegen das Gegenteil. Rathjens ist als aktiver Bodenprobennehmer zu erkennen. Ferner darf er als „Landwirt“ seine Meinung in die Kamera bzw. auf die Tonspur abliefern. Ferner gibt ein Herr namens Frank Krüger als Probenehmer seinen Kommentar zur Feldbeprobung ab. Welcher Institution (Labor, Fachbehörde) Herr Krüger angehört, wird dem Zuschauer nicht mitgeteilt. Insofern ist es fraglich, welchen Wert seine Einschätzung hat.

Tatsächlich wird kurzzeitig ein Ausschnitt eines Blattes mit Analysedaten eingeblendet. Ganz unten sind die Ergebnisse für Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW) der Gruppe C10 bis C22 eingeblendet. Ermittelt worden sind sie mit einem Gaschromatographen, wie es die Abkürzung „GC“ belegt. Ermittelt wurde eine Konzentration dieser MKW von <50 mg/kg Trockensubstanz des Bodens. Sicher nachweisen lassen sich diese MKW aber erst ab einer Konzentration von 50 mg/kg Trockensubstanz. Das Datenblatt belegt also, dass ein eindeutiger Nachweis von MKW, zumindest der Gruppe C10 bis C22 nicht erfolgt ist. Somit ist die Behauptung der Reportage, dass krebserregende MKW nachgewiesen worden sind, stark in Zweifel zu ziehen.

Noch zweifelhafter erscheint der Bericht unter dem Aspekt, dass nicht der Landwirt der beprobten Fläche zu Wort kommt. Stattdessen vertritt ihn mit Andreas Rudolph ein „Anwohner“. Eine kurze Recherche ergab, dass Herr Rudolph in einer Bürgerinitiative gegen die Erdöl- und Erdgaskavernen von Etzel engagiert ist. Es handelt sich somit um eine Person, die mit dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie noch einen Srauß auszufechten hat. Der Verdacht „herbeigeredeter Bohrschlammskandal“ verstärkt sich damit weiter.

Abschluss

Früher Schlammgrube, heute Biotop "Hollerberger Moor"

Früher Schlammgrube, heute Biotop „Hollerberger Moor“

Mit den Worten „Der Skandal um Bohrschlamm weitet sich aus“ schließt der Artikel. Ein Kommentator mit dem Usernamen „Heinz“ stellt dazu die passende Frage: „Wo ist der Skandal bzw. was ist der Skandal?“ Diese Frage stellt sich dem Verfasser auch. Denn schließlich ist es dem Bericht nicht gelungen zu belegen, dass tatsächlich krebserregende MKW in besorgniserregenden Konzentrationen nachgewiesen worden sind. Im Gegenteil: Der kurz eingeblendete Laborbericht weist für die MKW-Gruppe C10 bis C22 Werte auf, die unterhalb der Bestimmunggrenze liegen.

Ferner werden dem Zuschauer/Leser zwei wichtige Punkte zur Einschätzung der Seriösität des Beitrages vorenthalten: Erstens werden, abgesehen von der kurzen Einblendung, keine konkreten Analysewerte genannt die eine sachgerechte Einordnung erlauben. Zweitens wird verschwiegen, dass mit Andreas Rathjens und Andreas Rudolph mindestens zwei Akteure im Beitrag Bürgerinitiativen angehören, die gegen Erdöl-Erdgasgewinnung bzw. deren Speicherung opponieren.

Dass die Skandalisierung des Themas „Bohrschlamm“ weitergehen könnte, wird im Bericht bereits suggeriert. Es dürfte dann der Landkreis Diepholz im Fokus stehen. Auch dort ist eine Bürgerinitiative zu Hause, die gegen Erdgasförderung opponiert. Protagonisten dieser BI waren in der Vergangenheit ebenfalls gerne Interviewpartner und Stichwortgeber für den NDR.

Herbeigeredeter Bohrschlammskandal – Eine unendliche Geschichte? Das bleibt abzuwarten. Zumindest ist mit einer Fortsetzung zu rechnen!

Artikelfoto: Ehemalige Schlammgruben bei Emlichheim. Heute renaturiert und wertvolles Biotop „Hollerberger Moor“. Bildquelle: GoogleMaps