Medien und Bürgerinitiativen sowie Umweltgruppen deuten Gesetzesverschärfungen zum „Fracking“ um

Seit vier Jahren wird über Hydraulic Fracturing, umgangssprachlich „Fracking“, in Deutschland intensiv diskutiert. Obwohl dieses Verfahren zuvor jahrzehntelang hunderte Male in Deutschland angwendet wurde, keimte Ende des Jahres plötzlich Unmut auf, der sehr sich zügig in Widerstand wandelte. Hintergrund ist der Film „Gasland“ von Josh Fox. Dieser wartete mit dramatischen Bildern wie den bekannten „brennenden Wasserhähnen“ auf, die Folge des „Frackings“ sein sollte. Ungefähr gleichzeitig mit „Gasland“ wurde Ende 2010 bekannt, dass in Nordrhein-Westfalen (NRW) neue Erdgasvorkommen gesucht werden sollen, die sich auschließlich (Schiefergas) oder möglicherweise (Kohleflözgas) mit der Standardtechnologie des Hydraulic Fracturing erschließen lassen.

Doch in den Gebieten in NRW, in denen Kohleflözgas gesucht werden sollte (südliches Münsterland) regte sich prompt Widerstand gegen die Vorhaben. Offenbar wurde den Bildern aus „Gasland“ oder zumindest unkritischen Berichten darüber Glauben geschenkt. Durch Medienberichte, angefangen von Lokalzeitungen bis hin zu öffentlich-rechtlichen Magazinen wurde der Protest weitergetragen und es folgten weitere Gründungen von Bürgerinitiativen (BI) in anderen Gebieten, in denen ebenfalls Erdgas in den genannten Lagerstättentypen gesucht werden sollte bzw. in Niedersachsen bereits seit 2008 gesucht wurde.

Der Protest der BI, verstärkt durch die überwiegend unsachliche, teils an pure Desinformation grenzende Berichterstattung in den Medien, erreichte die Politik. Da in Deutschland quasi immer irgendwo Wahlkampf ist, nahm sich die Politik von der lokalen Ebene bis hin zur Bundesregierung der vorangegangenen Legislaturperiode des Themas „Fracking“ an.

So wurden von der damaligen Bundesregierung über das Umweltbundesamt sowie der rot-grünen NRW-Landesregierung Gutachten in Auftrag gegeben. Der Geophysiker Prof. Dr. Horst Rüter äußerte sich im Beitrag „Fracking – kann die Politik noch sachbezogen handeln?“ für den Deutschen Arbeitgeber Verband vom 11. Oktober 2014 folgendermaßen:

Die Wissenschaftler wurden sorgfältig so ausgesucht, dass sie von Fracking möglichst keine Ahnung hatten, zumindest aber noch nie etwas zum Thema veröffentlicht hatten.

Und er ergänzte:

Dennoch entstanden überraschenderweise brauchbare Gutachten, die zum größten Leidwesen der Politik deren populistische Positionen nicht begründeten.

Dennoch verharrten die Auftraggeber auf ihren populistischen Positionen und NRW verhängte ein Moratorium für sämtliche Bohrungen auf Kohleflöze und potenziell erdgasführende Tonschiefer, sofern die Unternehmen nicht garantieren können, dass zu einem späteren Zeitpunkt Hydraulic Fractuirng nicht angwendet wird.  Walter Frenz, Professor für Bergrecht an der RWTH Aachen das Moratorium für rechtswidrig, wie aus dem Artikel Im Umweltbundesamt bröckelt der Widerstand gegen Fracking in der „WirtschaftsWoche“ vom 28. Juni 2014.

Im Gegensatz zu NRW war die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung von Deutschlands bedeutendstem Erdgasförderland Niedersachsen erheblich weniger restriktiv. Jedoch erfolgte vor dem Hintergrund des Landtags-Wahlkampfes eine Weisung von Wirtschaftsminister Bode an das ihm unterstellte Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) . Diese Rundverfügung sah bereits eine deutliche Erschwerung der Genehmigungspraxis von Fracmaßnahmen vor, ohne sich die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert hätten.

Deutliche Kritik musste das erste Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) sowie im Auftrag der Landesregierung NRW von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie von den Staatlichen Geologischen Diensten der Länder einstecken. Diese staatlichen Institutionen verfügen aufgrund ihres Auftrages über die notwendige Expertise, u.a. was Daten des geologischen Untergrundes betrifft. Die Behörden halten die in den Auftragsstudien geschlussfolgerten Risiken aufgrund deutlicher Schwächen bei der Darstellung und Beurteilung der geowissenschaftlicher Sachverhalte für überschätzt. Leider fand die Expertise der Fachbehörden so gut wie keine Beachtung in der Politik, selbst nicht bei den jeweiligen Ministerien, denen die Ämter unterstellt sind.  In dem  Zusammenhang ist es sowieso erstaunlich, dass fachfremde Privatfirmen die Gutachten erstellten und nicht die für Geowissenschaften und Rohstoffe zuständige Fachbehörde wie es im United Kingdom der Fall war.

Aufgrund der daraus folgenden unterschiedlichen Standpunkte des Bundeswirtschaftsministeriums, dem die BGR unterstellt ist, sowie des Bundesumweltministeriums, dem wiederum das UBA untergeordnet ist, konnten sich die damaligen Minister Rösler (FDP) und Altmaier (CDU) nicht auf ein Gesetz des vermeintlich ungeregelten „Fracking“ einigen. Das ist sicherlich auch dem Bundestagswahlkampf 2013 geschuldet.

Somit wurde die nunmehr drei Jahre andauernde Debatte in die nächste Legislaturperiode verschoben. Die neue Bundesregierung aus CDU und SPD verankerte das Thema „Fracking“ sogar in ihrem Koalitionsvertrag. Dass muss man sich einmal vergegenwärtigen: Einse seit jahrzehnten bewährte Stimulationsmethode (siehe dazu das recht aktuelle Interview mit Prof. Dr. Amro, TU Bergakademie Freiberg: „Fracking? – Eine etablierte Standardtechnologie“) bekommt einen eigenen Platz in einem Koalitionsvertrag! Dort ist auf Seite 44 zu lesen:

Nach den vorliegenden Untersuchungen zur Umweltrelevanz ist der Einsatz der Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung – insbesondere bei der Schiefergasförderung – eine Technologie mit erheblichem Risikopotenzial.

Nun, das sieht die Fachbehörde BGR zwar nicht so, aber die wurde schließlich nicht gefragt.
Letzten Endes verständigten sich Das Bundesumweltministerium unter Dr. Barbara Hendricks (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf ein Eckpunktepapier zum Erlass für Gesetzesänderungen. In einem Überblick dazu ist unter Punkt 1 zu lesen:

1. Fracking-Vorhaben zur Gasförderung aus Schiefer-und Kohleflözgestein oberhalb von 3.000 Metern werden durch das Wasserhaushaltsgesetz verboten. […]

Wo die 3.000 Meter-Grenze herkommt, ist nicht klar. Sie wird in keinem einzigen der in Auftrag gegebenen Studien genannt. Und somit ist klar, dass diese Grenze aus rein politischer Willkür gezogen worden ist. Und das sicherlich nicht ohne Hintergedanken. Denn die ersten Erkundungen von ExxonMobil zielten auf erheblich flacher liegende Tonschieferschichten im Wealden und insbesondere im jurassischen Posidonienschiefer ab. Zudem ist es sehr fraglich, ob das Verbot überhaupt über das Wasserhaushaltsgesetz erfolgen kann. Denn unterhalb einer Tiefenlinie von ca. 200 bis 300 Meter sind in Deutschland keine Wässer zu finden, die als „schutzwürdiges Gut“ nach § 1 WHG (Zweck) anzusehen sind.

Die Industrie zeigte sich über den Interessenverband WEG e.V. alles andere als angetan vom Eckpunktepapier, das eine erhebliche Erschwerung der Erdgasgewinnung in Deutschland bedeuten würde, sofern das Papier in Gesetzesform gegossen würde („Geplante Verbote zur Erdgasproduktion nicht nachvollziehbar“). Die Gegnerschaft, allen voran der „Energieexperte“ Oliver Krischer überschlug sich hingegen in Superlativen und nannte die geplanten Gesetzesverschärfungen ein „Fracking-Ermächtigungsgesetz“.

Panorama und der "Brennende Wasserhahn". Screenshot aus der Mediathek

Panorama und der „Brennende Wasserhahn“. Screenshot aus der Mediathek

Überraschenderweise widmete sich das vom nicht gerade durch Faktenfreundlichkeit bezüglich Erdgasförderung bekannten NDR produzierte Magazin „Panorama“ sowie angeschlossene Sendungen in einer kleinen Serie dem Thema. Denn Journalisten war aufgefallen, dass die auf einer Pressekonferenz des UBA zu dessen zweiten „Fracking-Gutachten“ getätigten Äußerungen der UBA-Präsidentin Maria Krautzberger (SPD) nicht zu den Handlungsempfehlungen des Gutachtens passten.

Im ersten Beitrag  der genannten „Panorama“-Sendereihe widersprach der Studienleiter Uwe Dannwolf der Interpretation von Frau Krautzberger, dass es sich beim „Fracking“ um eine „Risikotechnologie“ handele. Diese Einschätzung ließe sich nach Meinung Dannwolfs nicht aus der Studie ableiten. In einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ vom 20. November 2014 machte er das noch einmal deutlich. Und auch der NDR konnte eine entsprechende Einschätzung in der Studie nicht finden und konfrontierte damit Krautzberger sowie die Bundesumweltministerin als deren Vorgesetzte. Die NDR bzw. ARD-Journalisten ernteten übrigens für ihre sachliche Berichterstattung einen regelrechten „Shitstorm“ („Die Wucht der Vorwürfe hat uns überrascht“) aus den Kreisen der selbsternannten „Anti-Fracking.Bewegung“.

Doch die Berichterstattung erreichte auch die Bundespolitik und nährte bei einigen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des UBA sowie dem Bundesumweltministerium.

Der für Wirtschaft und Energie zuständige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, kritisiert das Umweltbundesamt wegen der einseitigen Auslegung einer eigenen Studie zum Thema Fracking.

berichtet wiederum die „Panorama“-Redaktion im Internet.

Durch die „Panorama“-Berichte inklusive des Widerspruchs des Studienleiters Dannwolf gegenüber des UBA als Auftraggeber sowie die Reaktion von Herrn MdB Fuchs in seiner Rede vor dem Parlament sah sich die Bundesregierung offenbar veranlasst, das Eckpunktepapier nachzubessern.

Dass das geschehen ist, lässt sich aus diversen Medienberichten ab dem 20.11.2014 herleiten. So titelt zum Beispiel SpiegelOnline:

Fracking-Gesetz aufgeweicht – Industrie schöpft Hoffnung

Nun ist es mit gänzlich unbekannt, dass es ein solches Gesetz gibt. Gemeint ist sicherlich das Eckpunktepapier der Bundesregierung und das lässt in einer Neufassung vom 20.11.2014 bzw. Erläuterung der beiden verantwortlichen Minister tatsächlich leichte Veränderungen erkennen.

Die (noch) konservative FAZ titelt bezüglich der leichten Änderungen:

„Deutschland macht den Weg für Fracking frei“

und die linksgerichtete TAZ widmet sich in einem erfreulicherweise vergleichsweise sachlichen Artikel mit etwas irritierender Überschrift („Fracking in Schutzgebieten möglich“) den vermeintlichen „Aufweichungen“.

Diese Meldungen rufen und riefen natürlich den Unmut der Gegnerschaft aus BI, Umweltverbänden und Bündnis90/Die Grünen (B’90/Grüne) hervor. So heißt es bei gegen-gasbohren.de „Hendricks täuscht das Volk – grünes Licht für Fracking geplant„. Aufgezählt wird dabei, was nach wie vor erlaubt bleiben soll und was nach der geplanten Umsetzung der Eckpunkte nicht mehr gestattet werden soll. Bei den geplanten Einschränkungen von „Grünes Licht für Fracking“ zu sprechen, verdeutlicht einmal mehr den Realitätsverlust dieses Bündnisses aus Anti-Gasförderungs-BI.

Doch was sagt die Industrie eigentlich zu den geplanten „Aufweichungen“ der zuvor als „nicht nachvollziehbar“ geplanten Gesetzesverschärfungen?

Nun, sie ist entgegen der Suggestion des SpiegelOnline-Berichtes sowie weiterer ähnlicher Interpretationen nach wie vor alles andere als angetan. In einer Pressemitteilung des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG)vom 20.11.2014 („Nicht nachvollziehbare Belastungen der heimischen Erdgasproduktion“) heißt es:

Die Pläne nach dem Regelungspaket belasten die Erdgasindustrie in Deutschland unzumutbar und stellen sie dadurch letztlich in Frage.

Aus diesem Satz lässt sich nicht ansatzweise Hoffnung ableiten. Im Gegenteil: Der WEG zeigt sich nach wie vor desillusioniert und verweist darauf, dass bei einer solchen Politik Deutschland sich in Kürze zu 100 Prozent von Erdgasimporten abhängig mache.

Dass wenig Hoffnung für den Industriezweig besteht, macht auch MdB Frank Schwabe mittels eines Tweets deutlich:

Wenn glaubt, dass aufBasis d. Gesetze mögl. wird täuscht er sich. Werden Verbot wasserdicht machen

Auf meine Anmerkung, dass ein Verbot sämtlichen vom Steuerzahler bezahlten Gutachten widerspräche und dass Kenntnisse nur über wissenschaftliche Erprobung und nicht über Verbote gewonnen werden können, entgegnete er in einem Antworttweet:

Glaube, dass die CDU mit Hintertür-Versuchen Forschungsvorhaben jetzt genau undurchsetzbar gemacht hat.

Schuld sind also wieder einmal die anderen und nicht die eigene Partei, deren Genossinnenen Hendricks und Krautzberger in Auftrag gegebene Studien in Richtung ihrer politischen Ansichten umdeuten.

Aufgrund einer durch eine Naturkatastrophe ausgelösten Kernschmelze im japanischen Fukushima veranlasste die vorangegangene schwarz.gelbe Bundesregierung einen Ausstieg aus der Kernenergie, der noch B’90/Grüne grünblinkend überholte. Eine zuvor jahrzehntelang in Deutschland ohne nachgewiesene Umeltbeeinträchtigungen durchgeführte Stimulationsmethode soll für gewisse Gesteinsschichten ohne fundierte wissenschaftliche Begründung möglichst verboten werden. Stattdessen setzt wird auf Zufallsstrom aus Wind und Sonne gesetzt, der gerade in den letzten Tagen durch Flaute und permanente Bewölkung quasi als Totalausfall zu bezeichnen ist.

Diese Politik lässt nur ein Fazit zu: Aus rein ideologischen Gründen befindet sich Deutschland derzeit in einem energiepolitischem Tollhaus.

Nachtrag: Im übrigen ist die Ablehnung des „Fracking“ in Deutschland auf den Film „Gasland“ zurückzuführen. Dieser Film dient als Beispiel für den lesenswerten FAZ-Artikel Desinformation im Internet – Brennende Wasserhähne“