NDR mit nicht sachgerechter Berichterstattung zu Methanemissionen in der Nordsee Teil I

Bohr- und Förderinsel Mittelplate

Am 07.12.2017 erschien auf der Website des NDR ein Artikel, welcher sich mit Methanemissionen in der Nordsee im Umfeld ehemaliger Erdöl- sowie Erdgasbohrungen befasst. Der Beitrag erhielt den Titel Methan aus Nordsee-Bohrlöchern belastet das Klima . Nun ist beim NDR seit einigen Jahren hinsichtlich der Thematik Erdöl- und Erdgasförderung äußerste Vorsicht geboten. (Zu) oft wurde verantwortungslos dramatisiert oder gar Sachverhalte frei erfunden (siehe dazu unseren Beitrag Bodenabsenkungen im Erdgasfeld Völkersen? DEA installiert Messsystem). Und somit begegneten wir diesem Beitrag sowie weitern assoziierten mit großer Skepsis. Zu Recht, wie dieser Artikel und voraussichtlich mindestebns ein weiterer es veranschaulichen werden.

Klimawirksamkeit der Methanemissionen global betrachtet irrelevant

Erdgas-Förderplattform A6-A in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands in der Nordsee. Bildquelle: BVEG

Der NDR-Beitrag beginnt damit, die Methanemissionen im Umfeld ehemaliger Erdöl- und Erdgasbohrungen als bislang unbekannten Faktor des mutmaßlich anthropogenen Klimawandels  darzustellen. Mit Verweis auf Forschungen des GEOMAR-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel strömten „große Mengen Methan“ in die Atmosphäre. Betroffen seien etwa ein Drittel von ca. 20.000 Bohrungen. Auch die niedersächsische Küste „mit Hunderten ehemaliger Bohrlöcher“ sei betroffen. Und hier treten bereits die ersten Ungereimtheiten, um nicht zu sagen Unwahrheiten, auf.

Zunächst einmal ist in einer Pressemitteilung  des Forschungszentrums nicht von 20.000 Bohrungen die Rede, sondern von lediglich 11.000 und somit nur gut der Hälfte der vom NDR genannten Anzahl. Zudem befinden sich vor der niedersächsischen Küste nicht „Hunderte“ größtenteils ehemalige Bohrungen auf Erdöl und Erdgas. Tatsächlich sind es in der gesamten deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee sowie in den Küstengewässern Niedersachsens UND Schleswig-Holsteins zusammen gerade einmal ca. 100. Wer selbst nachzählen möchte, kann dies beim Kartenserver des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) gerne tun (LINK).

Diskutiert werden muss zusätzlich, welche klimawirksame Bedeutung die Methanemissionen tatsächlich haben. Sowohl in der Pressemitteilung als auch im NDR-Beitrag ist von 3.000 Tonnen bis 17.000 Tonnen Methanausstoß pro Jahr insgesamt die Rede. Unter Beachtung einer 25-fach höheren Wirksamkeit von Methan gegenüber Kohlendioxid ergeben sich somit unter konservativer Herangegehensweise, also der Hinzuziehung des Höchstwertes von 17.000 Tonnen, 425.000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent, angegeben in CO2e.

Setzt man diesen Betrag mit dem Gesamt- CO2-Ausstoß Deutschlands von 906 Millionen Tonnen inkl. CO2e ins Verhältnis, wird deutlich, dass die „großen“ Methanemissionen in der Nordsee im Umfeld von Bohrlöchern lediglich 0,047 Prozent des Gesamtausstoßes Deutschlands betragen. Dieser Anteil verringert sich zusätzlich auf mehr als die Hälfte, da die Wissenschaftler davon ausgehen, dass nur 42 Prozent des emittierten Methans die Atmosphäre erreichen.

Es ist somit ein äußerst marginaler Anteil, insbesondere dann, wenn man den Betrag den 32 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (Globale CO2-Emissionen stagnieren) gegenüberstellt, die global durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gelangen. Insofern ist der Titel eines beigefügten Filmbeitrages „Methanblasen: Klimakiller aus der Nordsee“ hochgradig unseriös und es stellt sich zusätzlich die Frage, was solch unsachliches Wort wie „Klimakiller“ überhaupt in einem Beitrag einer öffentlich-rechtlichen Anstalt zu suchen hat.

Verquirlter Brückenschlag zu Methanemissionen aus landseitigen Bohrungen

Inzwischen stillgelegte Erdgasproduktionsbohrung Wietingsmoor Z1. Zur Vermeidung von Entgasungen wurde die Bohrung totgepumpt. Bildquelle: Markus Stahmann

Folgt man der GEOMAR-Pressemitteilung sowie dem Abstract zur Studie, dann zeigt sich, dass lediglich der Methanaufstieg entlang von Bohrungen Gegenstand der Untersuchungen ist. Dieses Methan entstammt jedoch nicht den Lagerstätten mit thermogen gebildetem Erdgas, sondern aus Sedimenten welche biogen gebildetes Methan enthalten. Diese Sedimente sind durch den Bohrprozess gestört worden, so dass über dadurch erzeugte Wegsamkeiten das Gas aufsteigen kann. Im erwähnten Filmbeitrag wird dieser Prozess anschaulich und leicht verständlich erklärt.

Fraglich ist nur, ob das Methan tatsächlich aus durchörterten Shallow-Gas-Taschen entstammt. Denn diese stellen entgegen der Aussage von Matthias Haeckel vom GEOMAR, nachzulesen in einem Artikel bei Scinexx mit Bezug auf die Forschungen,  tatsächlich eine Gefahr dar (Shallow Gas). Tatsächlich sind Bohringenieure bestrebt, Shallow-Gas-Taschen nicht anzubohren, denn im Extremfall lässt sich das aufsteigende Gas nicht beherrschen. Auch die eher geringen Freisetzungen sprechen gegen die These, dass Shallow-Gas-Pockets angebohrt worden sind. Es könnte sich auch so verhalten, dass in den Sedimenten gebildetes, jedoch in geringer Konzentration enthaltenes Methan entlang der Bohrungsaußenwandung migriert und freigesetzt wird. Endgültig beurteilen vermag der Verfasser das jedoch nicht.

Prinzipiell hätte der NDR-Beitrag hier enden können, denn keine Betrachtung findet der Austritt von Methan aus der Bohrung selbst infolge unzureichender Versiegelung. Aber genau darauf wird sowohl im Artikel wie speziell im beigefügten Video entgegen der eigentlichen Ergebnisse der Forschungen hingewirkt.

So wird gemutmaßt, ohne Belege anzuführen: „diese Leckagen können auch an Land auftreten“. Dem möchten wir noch nicht einmal widersprechen. Denn wenn methanführende, relativ flach liegende geologische Schichten durchörtert werden, kann es natürlich sein, dass durch beim Bohrprozess entstandenen kleineren Störungen Methan aus diesen Schichten entweicht, und zwar außerhalb der eigentlichen Bohrung. Eine Tiefbohrung ist übrigens kein einfaches Loch in der Erde, sondern ein recht komplexes unterirdisches Bauwerk. Zu diesen Schichten könnten meist miozäne Braunkohleflöze zählen, welche in Nordwestdeutschland in oft nur 50-100m Tiefe vorkommen. Doch darauf will der Beitrag, welcher von der bei uns regelmäßig kritisch beäugten Alexa Höber stammt, nicht hinaus.

Plötzlich Methanemissionen aus dem Bohrungsinneren Gegenstand des Berichts

Natürliche Methanquelle: Wiedervernässtes Moor im Emsland bei Twist. Bildquelle: Steven Arndt (2016)

Stattdessen stehen plötzlich Methanemissionen aus den Innenräumen einer Bohrung (Ringräume) im Blickfeld. Das Problem dabei: Der hinsichtlich tiefbohrtechnischer und geologischer Fragen eher unbedarfte Zuschauer dürfte diesen trickreichen Schwenk kaum bemerken.

Angeblich würde der Branchenverband der Erdöl- und Erdgasproduzenten Deutschlands, der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) bestreiten, dass Methan aus Bohrlöchern austritt. Als Beleg wird dazu ein, wie üblich, aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat angeführt. Es lautet: „…(danach) greifen Sicherheitssysteme, die die Bohrung abdichten, sodass weder Methan noch andere Stoffe austreten können.“

Jedem, der nur über grundlegendes Wissen von Tiefbohrungen verfügt, wird an dieser Stelle klar, dass sich das Zitat auf Sicherungssysteme zur Bohrungsintegrität bezieht. Eine kurze Erläuterung dazu gibt es beim BVEG nachzulesen: Trinkwasserschutz .

Als Pseudo-Beleg, dass der BVEG im Unrecht ist, wird mal eben ein Sprung über den großen Teich gleich bis an die Westküste nach Kalifornien vorgenommen. Dort haben Bremer Wissenschaftler mittels fluggestützer Messungen Methanemissionen über einem Erdölfeld nachgewiesen. Vermutlich handelt es sich um fugitive Methanfreisetzungen aus der Feldinfrastruktur, welche wahrscheinlich nicht im besten Zustand ist. Mit Leckagen aus den Bohrungen selbst sowie Verhältnissen in Deutschland hat das herzlich wenig zu tun. Hier betragen die Methanverluste bei der Erdgasproduktion nach Angaben des BVEG unbedeutende 0,02 Prozent (Klimaschutz durch geringe Emissionen). Sicherlich werden Kritiker diese Angabe in Zweifel ziehen. Doch warum sollten die als „profitgierig“ gescholtenen Unternehmen höhere Raten in Kauf nehmen? Schließlich wollen sie doch ihren Profit mit dem Verkauf von Erdgas maximieren.

Im weiteren Verlauf des Filmbeitrages glänzen die befragten Wissenschaftler mit Halbwissen hinsichtlich inländischen Regularien sowie Vorwürfen gegenüber der Industrie. So ist es beispielsweise selbstverständlich, dass die Unternehmen bereits vor Rückbau und Verfüllung einer Bohrung nachweisen müssen, dass diese nicht mehr ausgast. In den USA mag das anders sein, doch ist das nicht das Problem deutscher Überwachungs- und Genehmigungsbehörden oder der hier tätigen Industrie. Und anders als in Deutschland gibt es in den USA und sicherlich auch in anderen Teilen der Welt ausgasende verlassene Bohrungen. Das liegt jedoch ganz einfach daran, dass diese nie verfüllt worden sind. Zahlreiche Beispiele dafür sind in kleineren Filmen auf Youtube zu finden.

Der Videobeitrag schließt mit der Frage, wer in Deutschland Untersuchungen in Auftrag geben soll, ob ehemalige Bohrungen an Land Methan ausstoßen und wenn ja wieviel.

Wir fragen uns, warum es diese Untersuchungen überhaupt geben soll, da im Gegensatz zu den USA in Deutschland schon vor vielen Jahrzehnten aufgegebene Bohrungen zwingend verfüllt werden mussten und nicht mehr oder weniger offen in der Landschaft vor sich hin dümpeln durften.

Warum die Frage im Höber-Beitrag überhaupt aufkommt, beantwortet sich in einem assozierten längen Beitrag im ARD-Magazin „Panorama“. Darauf werden wir in ein oder zwei weiteren Beiträgen eingehen. Spoiler dazu: Insbesondere den unseren regelmäßigen Lesern bekannten Bürgerinitiativlern und „Überall-Anwohnern“ wird dabei das Wort geredet und Schützenhilfe geleistet.

 

Artikelfoto: Bohr- und Förderinsel Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Foto: Markus Stahmann