Saubere Luft im Erdgasfeld Söhlingen

Workover auf ExxonMobil-Bohrung Söhlingen Z9

Anfang 2011 sorgte ein Bericht des NDR-Magazins „markt“ über einen angeblich vertuschten „Umweltskandal“ im Erdgasfeld Söhlingen bei Rotenburg/W. für Unruhe in der lokalen Bevölkerung und darüber hinaus. Gleichzeitig befeuerte der auf Dramatisierung setzende Beitrag die kurz zuvor aufgekommene Debatte um das Hydraulic Fracturing-Verfahren (ugs. „Fracking“). Die Erdgasförderung im Allgemeinen sowie das zuvor genannte Verfahren im Speziellen wurde unterstellt, Umwelt und Gesundheit zu gefährden.

Luftuntersuchungen im Erdgasfeld Söhlingen 2012

Infolge des in der Einleitung erwähnten Berichts sowie weiterer darauf aufbauender oder im ähnlichen Stil gehaltener „Berichte“ fühlte sich das LBEG dazu veranlasst, Untersuchungen hinsichtlich der im Erdgas enthaltenen Stoffe Benzol und Quecksilber duchzuführen. Beide Substanzen sind als giftig eingestuft, wobei Benzol zusätzlich als krebserregend gilt.

Die von Februar bis Juli 2012 durchgeführten Untersuchungen konnten keine auffälligen Werte hinsichtlich Quecksilber sowie Benzol und weiterer zyklischer Kohlenwasserstoffe ermittelt werden. Vielmehr lagen die Messergebnisse laut eines Berichts des LBEG „im Bereich der Hintergrundwerte und damit deutlich unter den Beurteilungswerten für BTEX-Immissionen bzw. den Orientierungswerten für Quecksilber-Immissionen“ (Immissionsmessungen an einer Erdgasstation im Landkreis Rotenburg (Wümme)).

Doch diese Ergebnis fanden in der offiziellen Medienlandschaft, die ansonsten seit 2011 jeden noch so kleinen Zwischenfall im Zusammenhang mit der Erdöl- und Erdgasgewinnung, jede noch so abstruse Unterstellungen von Gegnern der heimischen Kohlenwasserstoffgewinnung thematisierten, keinerlei Niederschlag. Die entwarnenden Werte wurden der breiten Öffentlichkeit vorenthalten (siehe dazu auch unseren Beitrag Das Verschweigen der Entwarnung).

Erdgasindustrie weiter in der Kritik

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z3 chef79

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z3 ©chef79

Trotz der entwarnenden Ergebnisse der Messkampagne im Erdgasfeld Söhlingen beruhigte sich die Kritik an der Erdgasgewinnung in der Region Rotenburg nicht. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen wurde durch regionale und lokale Bürgerinitiativen versucht, die Erdgasindustrie mit einem neuen Skandal zu belegen. Trauriger Höhepunkt dieser Kampagne war der sogenannte „Säureregen“ im Erdgasfeld Söhlingen im April 2014.

Eine Gruppe von Kritikern traf sich im April 2014 nach Eintritt der Dunkelheit am Förderplatz Söhlingen Z5, um die zuvor seitens des Betreibers öffentlich angekündigte Abfackelung von Erdgas filmisch zu dokumentieren.

In den folgenden Tagen gab es in der Regionalpresse sowie beim NDR Berichte darüber, dass im Zuge  der Fackelarbeiten die Beobachter durch angeblich aus der Fackel austretende Säure verätzt worden wären. Als Beweis sollten durchlöcherte Pflanzenblätter in der Umgebung des Förderplatzes dienen. Doch findet man durchlöcherte Pflanzenblätter überall in der Natur. Zudem können selbst hochkonzentrierte starke Säuren keine Löcher in Blättern hervorrufen. Ein Leser unseres Blogs hat das in einem Laborversuch nachgewiesen.

Die Ergebnisse haben wir damals publiziert (Ergebnis eines privaten Experiments: Starke Säuren können Blätter nicht perforieren). Später folgte ein offizielles Gutachten, dass die Behauptungen der Gegnerschaft ad absurdum führte (Gutachten kommt zum Ergebnis: Kein „Säureregen“ in Söhlingen bei Fackelarbeiten). Warum die angeblich schwer verletzten Beobachter es nicht für nötig hielten, Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei herbeizurufen, diese Frage blieb bis heute unbeantwortet. Auf die Idee, diese Frage zu stellen, kamen  die Medien, die über diesen offensichtlich frei erfundenen Skandal undistanziert berichteten, seinerzeit nicht.

Quecksilberfunde und signifikant erhöhte Krebsraten verstärken die Kritik

Fällt in der Landschaft kaum auf: Erdgasförderbohrung Söhlingen-Ost Z2 chef79

Fällt in der Landschaft kaum auf: Erdgasförderbohrung Söhlingen-Ost Z2 ©chef79

Eine unangenehme Begleitkomponente des aus der Erdgaslagerstätte Söhlingen/-Ost gewonnenen Erdgases ist Quecksilber. Dieses als hochtoxisch eingestufte Schwermetall setzt sich über die Jahre in Anlagenteilen ab und muss vor deren Verschrottung durch Reinigungsmaßnahmen entfernt werden. Diese Maßnahmen erfolgten auf den Betriebsplätzen „Söhlingen-Ost Z1“, wo einst das Erdgas des Feldesteils „Söhlingen-Ost“ gesammelt wurde und sich heute noch eine produzierende Bohrung befindet sowie „Söhlingen Z6“, wo die Förderung bereits vor vielen Jahren eingestellt wurde.

Der Kreisverband des Naturschutzbundes Deutschland e.V. (NABU) fühlte sich dazu berufen, u.a. am ehemaligen Förderplatz „Söhlingen Z6“ Bodenuntersuchungen auf mögliche Quecksilberbelastungen durchzuführen. Dabei wurden in zwei Mischproben Werte von etwas über 4 mg Quecksilber je kg Trockensubtsanz Bodenmasse sowie etwas unter 7 mg/kg festgestellt. Der NABU ging mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit und behauptete, dass die ermittelten Werte den Grenzwert um das 40 bis 70-fache überschreiten würden. Diese Behauptung wurde von lokalen und regionalen Medien ungeprüft verbreitet.

Tatsächlich verhält es sich jedoch so, dass laut Bodenschutzverordnung keine „Grenzwerte“ definiert sind. Vielmehr gibt es Vorsorgewerte für verschiedene Bodenarten (Sand, Lehm, Ton) sowie je nach Nutzungsart Maßnahme- und Prüfwerte. Der Vorsorgewert für die Bodenart „Sand“ liegt bei 01, mg/kg. Darauf beruhend sprach der NABU offenbar von 40 bis 70-facher Überhöhung. Relevanter für die menschliche Gesundheit sind jedoch die Prüfwerte. Der niedrigste Wert gilt für Kinderspielplätze mit 10 mg/kg. Dieser für die menschliche Gesundheit relevante Wert wurde deutlich unterschritten (Bundesbodenschutzverordnung).

Dennoch erfolgten weitere Untersuchungen auch durch den Betreiber, die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG). Im Zuge dieser Beprobungen wurden in einer einzelnen Probe über 100 mg/kg festgestellt uns somit sogar der höchste Prüfwert für Industrie- und Gewerbeflächen von 80 mg/kg deutlich überschritten. So etwas darf natürlich nicht passieren, zumal dieser Wert außerhalb des Betriebsgeländes „Söhlingen-Ost Z1“ dokumentiert wurde. Sehr wahrscheinlich sind beim Reinigen von ausgemusterten Anlagenteilen Quecksilberpartikel in die nähere Umgebung des Platzes verspritzt worden.

Neben den Quecksilberfunden, die überwiegend medial im Sinne von NABU und BI nicht sachgerecht eingeordnet worden sind, bestätigte sich die Vermutung einiger Anwohner, dass Krebserkrankungen in der Region häufiger auftreten als im landesweiten Durchschnitt.

Untersuchungen des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) führten zu dem Nachweis, dass Blutkrebserkrankungen in der Samtgemeinde Bothel doppelt so häufig auftreten, wie es statistisch zu erwarten gewesen wäre. Betroffen ist jedoch ausschließlich die ältere männliche Bevölkerung. Bei allen anderen Krebsraten konnten jedoch keine statistisch signifikanten Abweichungen ermittelt werden. Manche lagen über dem Durchschnitt, andere darunter (Kurzbericht EKN).

Dennoch hielten sich vor allem Bürgerinitiativler mit Vorverurteilungen nicht zurück. Als Schuldiger war schnell die Erdgasförderung ausgemacht worden. Unterstützung fanden sie wieder einmal bei lokalen und regionalen Medien, insbesondere beim NDR. Dieser stellte in mehreren Beiträgen sogar suggestiv einen Zusammenhang zwischen den Quecksilberfunden und den Krebserkrankungen her, z.B. hier: „Nach Krebsfällen: Böden in Bothel werden geprüft“. Dabei gilt Quecksilber nicht als krebserregend.

Deshalb ist auch die Behauptung falsch, dass die Bodenuntersuchungen Folge der Ergebnisse des EKN sind. Ausschlaggebend sind stattdessen die Quecksilberfunde an den vorbezeichneten Betriebsplätzen gewesen.

Folgeuntersuchungen im Erdgasfeld Söhlingen – Die Luft ist rein

Erdgasförderbohrung Söhlingen Z14 ©chef79

Erdgasförderbohrung Söhlingen Z14 ©chef79

Neben den Bodenuntersuchungen wurden von Juli 2015 bis April 2016 Luftuntersuchungen am Ortsrand von Söhlingen durch ein Ingenieurbüro im Auftrag des LBEG durchgeführt. Untersucht werden sollte, „ob eine erhöhte Belastung der Umgebungsluft mit BTEX und Quecksilber in Folge der Erdgasförderung besteht“ (Immissionsmessungen im Landkreis Rotenburg: Keine auffälligen Werte festgestellt).

Das nun vorliegende vorläufige Ergebnis kann eine Belastung der Umgebungsluft nicht bestätigen. Für Quecksilber liegen die ermittelten Werte bei durchschnittlich 1,6 Nanogramm (ng) je Kubikmeter (m³) Luft. Zum Vergleich: Die Empfehlung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) beträgt 50 ng/m³.

Für Benzol konnten durchschnittlich 0,4 µg/m³ dokumentiert werden. Der entsprechende Grenzwert der Technischen Anleitung Luft beträgt mit 5 µg/m³ mehr als das 12-Fache des ermittelten Durchschnittswertes. Somit bewegen sich die vorläufig ermittelten Konzentrationen auf einem vergleichsweise sehr niedrigen Niveau.

Ferner wurden im zuvor genannten Zeitraum parallel zu Fackelarbeiten im Erdgasfeld Söhlingen zusätzliche Messungen durchgeführt. Diese erfolgten während der Fackelarbeiten an mehreren Stellen gleichzeitig und hatten zum Ziel, etwaige Quecksilber- und BTEX-Immissionen zu erfassen. Auch im Zuge dieser Messungen konnten keine auffälligen Werte dokumentiert werden. Zusätzlich ist im Mai 2016 eine weitere Messung im näheren Umfeld von Fackeltätigkeiten vorgesehen.

Für die Messkampagne setzte das Ingenieurbüro einen sogenannten Passivsammler zur monatlichen Bestimmung der BTEX-Konzentration ein. Für die Ermittlung der Quecksilberwerte kam ein Sorptionsrohr zum Einsatz. Die Quecksilberwerte wurden 14-tägig ermittelt. Beide eingesetzten Verfahren entsprechen den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft).

Ob diese Ergebnisse die Kritiker beeindrucken, ist stark zu bezweifeln. Ärgerlicher ist es jedoch, dass öffentlich-rechtliche Medien, insbesondere der NDR, die Pressemitteilung einer ebenfalls öffentlich-rechtlichen Institution wiederholt für nicht erwähnenswert hält. Immerhin hat die „Kreiszeitung“, die nach unserer Auffasung der Erdgasgewinnung im Raum Rotenburg/Wümme kritisch-ablehnend gegenübersteht, die Pressemitteilung des LBEG übernommen.

Artikelfoto: ITAG-Rig 30 beim Workover im Erdgasfeld Söhlingen (Bohrung „Söhlingen Z9a), Mai 2013, ©chef79