Seismisches Überwachungsnetz der Erdgasindustrie wird erweitert
Im Bereich von Erdgaslagerstätten werden immer wieder seismische Ereignisse registriert. Mittlerweile wird deshalb seitens geowissenschaftlicher Fachbehörden ein Zusammenhang zwischen der Erdgasgewinnung und den Ereignissen als „sehr wahrscheinlich“ angesehen. Auch die Explorations- und Produktionsindustrie (E&P-Industrie) hat reagiert und im Förderdistrikt Elbe-Weser ein seismisches Überwachungsnetz freiwillig und auf eigene Kosten installiert.
Hintergrund ist, dass in diesem Gebiet, in dem seit den 1970er Jahren und insbesondere seit den 1980er Jahren intensiv Erdgas gewonnen wird, im Jahr 2004 ein Erdbeben mit der Magnitude 4,5 (Richterskala) registriert wurde, dass sogar bis ins 60 Kilometer entfernte Hamburg zu spüren war.
Zunächst wurde aufgrund der angewendeten makroseismischen Bestimmung der Herdtiefe als Analysemethode eine Herdtiefe von 10 km ± 3 km ermittelt. Somit kam die Erdgasförderung, die in der Region aus 5 Kilometer tiefliegenden Lagerstätten erfolgt, nicht in Frage. Eine 2006 durchgeführte Auswertung anhand instrumenteller Daten ergab eine Herdtiefe von 5 bis 7 km, weshalb die Erdgasgewinnung nicht ausgeschlossen werden konnte (Leydecker et al., Erscheinungsjahr unbekannt). In der Folge wurden in unmittelbarer Nähe des Epizentrums weitere bedeutend schwächere seimische Ereignisse registriert, so z. B. am 13.02.2012 mit einer Magnitude von 2,9 auf der Richterskala.
Im Jahr 2007 installierte die E&P-Industrie dann ihr seismisches Messsystem. Zunächst bestand dieses aus 10 oberirdischen Stationen (Erschütterungsnetz) und wurde später durch sechs unterirdische, mit Bohrlochseismometern in 200 m ausgestattete Stationen (Ortungsnetz) ergänzt. Das System „erfasst alle relevanten Daten wie die Lage und die Tiefe eines Erschütterungsherdes sowie die für die Wahrnehmung an der Oberfläche relevante Schwinggeschwindigkeit (nach DIN 4150-3).“ (Quelle: Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.).
Neben der Region Elbe-Weser, wo insbesondere im Bereich der Lagerstätte „Völkersen“ mehrfach extrem leichte Erdbeben (Magnitude 2,0 bis <3,0 nach Richter) registriert worden sind, wird auch im Distrikt „Weser-Ems“ Erdgas in großem Stil gewonnen. Die Lagerstätten wurden teilweise bereits in den späten 1950er Jahren entdeckt. Eine umfassende Produktion der im Regelfall Schwefelwasserstoff führenden Lagerstätten, sofern sie an das Staßfurtkarbonat des Zechstein gebunden sind, findet seit den 1970er Jahren mit Inbetriebnahme der Aufbereitungsanlagen „Voigtei“ (stillgelegt Ende 2013) sowie „Großenkneten“ (noch in Betrieb) statt.
Auch in diesem Gebiet wurden am Rand bzw. im näheren Umfeld einiger Erdgaslagerstätten immer wieder, teilweise spürbare seismische Ereignisse, festgestellt. Deshalb hat sich die E&P-Industrie dazu entschlossen, neben dem 4.000 km² umfassenden seismischen Messnetzes im Distrikt „Elbe-Weser“ ein weiteres, 6.000 km² großes Messnetz im Förderdistrikt „Weser-Ems“ zu installieren. Darüber berichtet der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG)
Dazu werden zu den bestehenden 16 Stationen im Distrikt „Elbe-Weser“ weitere 22 im Förderdistrikt „Weser-Ems“ errichtet. Die Errichtung des oberirdischen Erschütterungsnetzes besteht bereits kurz vor der Vollendung, während die Einrichtung des unterirdischen Ortungsnetzes zum Jahresende abgeschlossen sein soll. Die bereits fertiggestellten Stationen befinden sich schon in Betrieb.
Insgesamt werden 3 Millionen Euro in den Ausbau des Messnetzes durch die E&P-Industrie investiert. Hinzu kommen jährliche Betriebskosten in Höhe von 500.000 Euro. Die aufgezeichneten Daten werden publiziert und können über den Link https://weg.dmt.de/ abgerufen werden.
Mit Hilfe des neu geschaffenen Messnetzes soll ermöglicht werden, eine belastbare Datengrundlage zu schaffen sowie die auftretende Seismizität zu kategorisieren. Ergänzend zu den Daten des industrieeigenen Messnetzes werden Daten des deutschlandweiten Regionalnetzes sowie Daten eines temporären Stationsnetzes der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Zusammenarbeit mit den Universitäten Potsdam und Hamburg hinzugezogen. Zusätzlich gibt es aktuelle Forschungsprojekte bei der DGMK, die den Ursachen der Seismizität auf den Grund gehen sollen.
Seismische Ereignisse, die Erdbebencharakter annehmen können, sind kein unbekanntes Phänomen im Zusammenhang mit der Gewinnung von Erdöl und Erdgas. Bereits in den späten 1976 sowie 1984 ereigneten sich im usbekischen Erdgasfeld Gasli insgesamt drei Erdbeben, die eine Magnitude von 7 aufwiesen (Wikipedia). In den Niederlanden kommt es im Bereich der Erdgaslagerstätte „Groningen“, der größten Festlandslagerstätte Europas, häufig zu Beben, die sogar Gebäudeschäden hervorriefen.
Ursache ist, dass durch die Erdgasentnahme sich die Druckverhältnisse im Untergrund ändern und vorhandene Spannungen sich dadurch in Form von Beben lösen. Die Ereignisse treten vornehmlich an Störungen auf, weshalb in Deutschland nahezu ausschließlich durch Störungen begrenzte Randbereiche von Erdgaslagerstätten betroffen sind. Das ist z.B. aus dem Bericht Erdbeben bei Syke (Landkreis Diepholz) am 01.05.2014 erschließbar (Karte auf Seite 15).
In keinerlei Zusammenhang stehen die seismischen Ereignisse mit dem Verfahren Hydraulic Fracturing, das umgangssprachlich inzwischen als „Fracking“ bekannt ist. Fracmaßnahmen fanden seit 2011 in deutschen Erdgaslagerstätten nicht mehr statt. seismische Ereignisse, auch solche mit Bebencharakter, also spürbar, wurden jedoch auch danach registriert. Hinzu kommt, dass Fracmaßnahmen nur in absoluten Ausnahmefällen spürbare Erdbeben verursacht haben (70 Ereignisse bei mindestens 3 Millionen Fracmaßnahmen weltweit).
Die permanent von Anti-„Fracking“-Initiativen ins Feld geführte Behauptungen, dass durch das Verfahren Erdbeben in den USA erheblich zugenommen hätten, haben keinen Bestand. Tatsächlich ist für den Anstieg das Versenken von produktionsbedingten Abwässern zurückzuführen (Erdbeben, Abwasserentsorgung und Hydraulic Fracturing):
Obwohl „Enhanced Oil Recovery“ und Hydraulic Fracturing gelegentlich die Ursache von seismischer Aktivität waren, zeigen Studien, dass die Entsorgung von Abwasser der Öl- und Gasindustrie in tiefe Versenkungsbohrungen die Hauptursache ist. Hydraulic Fracturing spielt beim starken Zuwachs der induzierten Seismizität in den USA keine große Rolle weil (1) Hydraulic Fracturing in aller Regel keine fühlbaren Erdbeben auslöst, (2) in Oklahoma, wo der Anstieg der induzierten Seismizität am größten ist, Abwässer von Hydraulic Fracturing nur einen geringen Anteil vom insgesamt entsorgten Abwasser ausmachen und (3) weil die Ölproduktion in vielen Ölfeldern, die sehr viel Abwasser produzierten, ohne Hydraulic Fracturing durchgeführt wurde.
Hinzu kommt, dass abgesehen von einzelnen Versenkbohrungen zur Abwasserentsorgung aus der Erdöl- und Erdgasproduktion, nahezu alle aseismisch sind, also keine Beben hervorrufen. Das sind Fakten, die von den Opponenten inländischer Erdöl- und Erdgasgewinnung konsequent ignoriert werden. Denn an einer differenzierten, auf Tatsachen beruhenden Debatte sind die Gegner nicht interessiert.
Artikrlfoto: Erdgasförderplatz Goldenstedt Z7a und Z10a ©chef79