Untertägige Wasserstoff-Testspeicherung in Rüdersdorf
Wie der Titel unserer Seite nahelegt, befassen wir uns hauptsächlich mit der Erkundung und Förderung sowie gelegentlich auch mit der Untergrundspeicherung von Erdöl und Erdgas in Deutschland. Doch manchmal lohnt es sich, über den Tellerrand hinauszuschauen und über Themen zu berichten, die thematisch verwandt sind. So berichtete am 19. Februar 2021 der Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB), dass der Oldenburger Energieversorger EWE im Zechsteinsalinar unter Rüdersdorf bei Berlin eine Kaverne zur testweisen Speicherung von Wasserstoff errichten wird. EWE betreibt am Standort bereits eine Kaverne zur Speicherung von Erdgas. Wir nehmen die Meldung zum Anlass zusammengefasst über das Projekt zu berichten sowie über geowissenschaftliche Besonderheiten und Ereignisse in Rüdersdorf zu informieren.
Ein Blick in die (Erd-) Geschichte von Rüdersdorf
Die kleine Stadt Rüdersdorf, wenige Kilometer südöstlich von Berlin gelegen, ist in mehrfacher Hinsicht ein Leckerbissen für geowissenschaftlich Interessierte. Bedingt durch die Ausbildung eines Salzkissens des Zechsteinsalinars wurden dort Gesteinsschichten aus dem Erdzeitalter „Muschelkalk“, die sich im mittleren Brandenburg eher in 1.000 m Tiefe befinden, an die Erdoberfläche gehoben.
Bereits seit dem 13. Jahrhundert wird der anstehende Kalk abgebaut, zunächst von Mönchen eines Zisterzienser-Klosters (Museums- und Kultur GmbH Rüdersdorf). Bekannte Bauwerke Berlins und Brandenburgs wurden mit Rüdersdorfer Kalk errichtet. Beispielhaft seien das Brandenburger Tor, das Olympiastadion oder das Schloss Sanssouci erwähnt gleichsam wie das weniger bekannte Grundstückstor sowie der Wohnhaussockel beim Nachbarn des Verfassers.
Auf Anregung des Geowissenschaftlers Alexander von Humboldt fand in Rüdersdorf bereits 1833 in Form einer Temperaturmessung die erste Bohrlochmessung der Welt statt. Das von Gustav Magnus für diese Messungen entwickelte Thermometer wurde in allen nachfolgenden staatlichen Tiefbohrungen Preußens eingesetzt, speziell in tiefen Saline-Bohrungen sowie zu Vergleichsmessungen in Bohrungen Frankreichs und Preußen. Die Organisation oblag von Humboldt (Kühn 2015).
Nach Entdeckung von Gletscherschrammen auf dem Rüdersdorfer Kalkstein formulierte 1875 der schwedische Geologe Otto Martin Torell die Theorie der Inlandvereisung (Artikel Gletscherschrammen).
Unterhalb des Salzkissens ist 1964 eine Erdgaslagerstätte in Sandsteinen des Rotliegenden aufgeschlossen worden. Das angetroffene Lagerstättenmedium bestand zu 93 % aus Stickstoff sowie erhöhten Gehalten des Edelgases Helium (regionalgeologie-ost.de). Bereits 1962 ereignete sich bei der Erkundungsbohrung „E Rüdersdorf 13/61“ ein schwerer Gasausbruch. Bis zu 1.100 Einsatzkräfte waren erforderlich, um die Eruption zu stoppen. zwischen 1967 und 1991 wurden ca. 408 Millionen Kubikmeter des Erdgases gefördert (Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes). Das Augenmerk lag dabei auf dem Helium.
Im Jahr 2007 nahm die EWE eine Kaverne zur Speicherung von hochkalorischem Erdgas (H-Gas) im Salzkissen des Zechsteinsalinars in Betrieb. 2012 folgte dann eine zweite Kaverne. Eine der beiden Kavernen ist inzwischen wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt worden.
Dennoch wird es nun einen Kavernenneubau geben. Allerdings soll diese der testweisen Speicherung von Wasserstoff dienen.
Wasserstoff als Energiespeicher
Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, so schnell es geht aus fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erdgas, aber auch aus der Kernenergie auszusteigen. Kompensiert werden soll das durch sogenannte „erneuerbare Energien“, vorrangig Elektroenergie aus Wind und Sonne.
Das Problem dabei ist, dass Wind und Sonne nicht bedarfsgerecht zur Verfügung stehen. In Deutschland sind ca. 61 GW Windkraft installiert sowie ca. 50 GW Photovoltaik, zusammen also über 110 GW (BWE1, BWE2, Statista). Der maximal benötigte Bedarf in Deutschland liegt aber bei nur ca. 80 GW werktags.
Das heißt: Theoretisch, also bezogen auf die installierte Leistung, könnten Wind und Sonne unseren Strombedarf zu weit über 100 Prozent abdecken. Doch Theorie ist nicht Praxis und hier liegt der Hund begraben: Da Windkraft- und Photovoltaikanlagen witterungs- sowie insbesondere zweitere jahreszeitenabhängig sind, können sie a) nie ihre volle Leitung in elektrische Arbeit umsetzen und b) sind sie bei trüben windschwachen Hochdruckwetterlagen im Winter nahezu ein Totalausfall. Dabei ist zu bedenken, dass Strom in dem Maße erzeugt werden muss, wie er benötigt wird. Ansonsten bricht das Netz zusammen.
Noch dramatischer wird das Dilemma in Anbetracht dessen, dass Strom nur einen Teil unseres Energiebedarfs darstellt. Kraftmobilität (Autos, LKW, Schiffe, Flugzeuge) erfolgt weit überwiegend aus fossilen Energieträgern. Doch auch in diesen Sektoren sollen „erneuerbare Energien“ als Ersatz dienen. Das wiederum bedeutet eine noch weitaus größere installierte Leistung von Windkraftanlagen (WKA) und Sonnenlichtkollektoren (PV). Wasserkraft ist in Deutschland quasi nicht mehr ausbaufähig und Geothermie wird weiterhin eine Nischenrolle spielen.
Um die zeitweiligen Überschüsse aus WKA und PV zu nutzen, geistert seit Jahren das Schlagwort „Power to Gas“, gerne abgekürzt zu „P2G“, durch die Energiewendelandschaft. Über Pilotanlagen ist die energiewendlerische Wundertechnologie mangels Wirtschaftlichkeit seit etlichen Jahren nie hinausgekommen.
Als eine der Lösungen zur Speicherung der überschüssigen Energie aus WKA und PV wird die Gewinnung von Wasserstoff mittels Elektrolyse von Wasser angesehen. Allerdings lässt sich Wasserstoff nur schwierig speichern. Aus Tanks aus Stahl diffundiert das Element hinaus.
Doch warum nicht in unterirdischen Kavernen in Steinsalz zwischenlagern? Das funktioniert doch auch mit Erdgas gut und hat sich über Jahrzehnte bewährt. Dieser Frage möchte EWE nun in einer Pilotanlage nachgehen und Erkenntnisse gewinnen.
Kleine Kaverne zur Wasserstoff-Testspeicherung geplant
Laut Eigendarstellung der EWE ist Wasserstoff „langfristig und in großen Mengen speicherbar“, was einen Vorteil gegenüber „dem Strom aus Wind- oder Sonnenkraft, aus dem er gewonnen werden kann“ darstelle. Ob (EWE schreibt „wie“ und setzt damit Erfolg voraus) das gelingen kann, soll mittels des Projekt HyCAVmobil erforscht werden.
Dazu errichtet das Unternehmen eine Testkaverne für die Ein- und Auslagerung von Wasserstoff. Diese wird im Salzkissen der Struktur Rüdersdorf eingerichtet, wo EWE bereits zwei Kavernen zur Speicherung von Erdgas geschaffen hat. Das Projekt soll in diesen Tagen beginnen. Nach eigener tagesaktueller Beobachtung des Verfassers ist die Bohranlage bereits errichtet.
Die Kaverne wird ein Fassungsvermögen von nur 500 Kubikmetern haben. Das entspricht ungefähr dem Volumen eines Einfamilienhauses. Kavernen für die technisch erprobte Einlagerung von Erdgas sind weitaus größer und haben eine Höhe von bis zu 300 Metern bei einem Durchmesser von 50 Metern. Das Fassungsvermögen entspricht einem Gewicht von 6 Tonnen oder 1.000 Tankfüllungen von wasserstoffbetriebenen PKW. Ergo kein großer Wurf, aber das ist auch nicht der Anspruch der Pilotanlage bzw. kann nicht deren Anspruch sein.
Der Test in Rüdersdorf ist auf die Nutzung von Wasserstoff für die Mobilität ausgelegt. Dokumentiert werden soll, ob und lwie sich die Lagerung auf die Qualität des Wasserstoffs auswirkt. Vor dem Einsatz im Schwerlastverkehr durchläuft er eine Trocknungsanlage, um die Feuchtigkeit zu entfernen. Bei positivem Ergebnis sollen diese auf Kavernen mit einem tausendfach größeren Volumen übertragbar sein.
„Irgendwann wird die Wasserstoff-Speicherung so selbstverständlich sein wie die seit Jahrzehnten etablierte Speicherung von Erdgas.“, so EWE. Das bleibt abzuwarten. Wir werden das Vorhaben mit wohlwollender Skepsis begleiten.
Artikelfoto: MBWS-Bohranlage T-48 beim Niederbringen einer Kontrollbohrung auf dem Erdgasspeicher Rüdersdorf. Die Bohranlage wird aktuell zum Niederbringen der Kavernenbohrung zur Wasserstoff-Speicherung genutzt. Foto: S. Arndt, August 2018.