Vor 55 Jahren: Erste Fracmaßnahme in deutscher Erdgaslagerstätte

In den vergangenen fünf Jahren wurde intensiv über das Hydraulic Fracturing (umgangssprachlich „Fracking“) und dessen vermeintlich hohes Risiko debattiert. Doch der Allgemeinheit ist es leider kaum bekannt, dass es sich um ein Standardverfahren handelt, um u.a. Erdöl- und Erdgaslagerstätten zu erschließen. Bereits 1961, genauer am 26.07.1961, wurde die erste Fracmaßnahme in einer deutschen Erdgaslagerstätte durchgeführt.

Erste Fracmaßnahme bereits 1947

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Fracequipment auf der ersten gefracten Bohrung weltweit im Jahr 1947. Hugoton-Gasfeld in Kansas. Bildquelle: kgs.ku.edu/Publications/PIC/pic32.html

Im Zuge der „Frackingdebatte“ in Deutschland war von medialer Seite immer wieder zu hören oder zu lesen, dass Hydraulic Fracturing eine neue Technologie sei. Doch dem ist mitnichten so und lässt auf unzulängliche Recherche schließen. Denn bereits 1947 wurde versuchsweise die erste hydraulische Fracmaßnahme durchgeführt. Seitdem wurden allein in Kansas über 57.000 Erdöl- und Erdgasbohrungen hydraulisch stimuliert.1)http://www.kgs.ku.edu/Publications/PIC/pic32.html

Jedoch erst zwei Jahre später gelang der wirtschaftliche Durchbruch des damals neuen Verfahrens. Verantwortlich dafür zeichnete sich die Halliburton Oil Well Cementing Company, die in besagtem Jahr ein Patent für das Verfahren erhielt. Anschließend wurden die ersten beiden kommerziell erfolgreichen Fracmaßnahmen in Oklahoma und Texas vorgenommen. 2)http://www.kgs.ku.edu/Publications/PIC/pic32.html

Anders als heutzutage üblich, diente nicht etwa Wasser als Basis des Fracfluids, sondern mit Napalm angedickter Diesel. Als Stützmittel dienten nicht etwa Kügelchen aus Keramik, Schwermineralen (Zirkon, Korund) oder feiner Quarzsand, wie heutzutage üblich, sondern profaner Sand aus Flüssen. Im Fall der ersten Fracmaßnahme überhaupt war es Sand aus dem Arkansas River. 3)http://www.kgs.ku.edu/Publications/PIC/pic32.html

Hydraulic Fracturing in Deutschland

Anzahl der Fracs in Niedersachsen in Erdgaslagerstätten 1961-2011. Quelle: ExxonMobil

Anzahl der Fracs in Niedersachsen in Erdgaslagerstätten 1961-2011. Quelle: ExxonMobil

Fracarbeiten zur Optimierung der Gewinnung von Erdöl und Erdgas sind in Deutschland bereits in den 1950er Jahren durchgeführt worden. Sie blieben zunächst auf Edöllagerstätten beschränkt. Insbesondere in Schleswig-Holstein (SH) sind entsprechende Maßnahmen angewendet worden. Leider ist eine bestätigende Quelle des zuständigen Ministeriums nicht mehr abrufbar.

Im Jahr 1961 erfolgte schließlich die erste Fracmaßnahme in einer Erdgasbohrung auf deutschem Boden. Namentlich ist es die Bohrung „Rehden 15“ im gleichnamigen Erdgasfeld, welches sich im Landkreis Diepholz befindet.4)http://www.lbeg.niedersachsen.de/download/82740/Liste_Fracking-Massnahmen.pdf Während die bereits 1956 erstellte Bohrung inzwischen ausgefördert und verfüllt ist, steht die Lagerstätte auch heute noch in Produktion. 5)http://www.lbeg.niedersachsen.de/download/82740/Liste_Fracking-Massnahmen.pdf

 Seit der Erstanwendung in der Buntsandstein-Lagerstätte „Rehden“ gab es bis in die späten 1970er Jahre nur vereinzelte Fracmaßnahmen. Erst mit dem Aufschluss gasführender Sandsteine, die an das unterpermische „Rotliegend“ geknüpft sind, setzte ein kleiner Boom ein. Mit Fortentwicklung der Bohrtechnik, die bis in die Horizontale abgelenkte Bohrungen erlaubte, stieg die Anzahl durchgeführter Fracjobs in den 1990er Jahren deutlich an. Sie kulminierte 2008 mit fast 30 Maßnahmen. 6)Liste Fracking-Maßnahmen

Noch 2011 konnten etwa bis zur Mitte des Jahres einige Bohrungen gefract werden, um eine wirtschaftliche Produktion zu ermöglichen bzw. aufrecht zu erhalten. Doch die aufkeimende „Frackingdebatte“ führte schließlich zu einem abrupten Ende der Anwendung einer bis dahin über 300 Mal angewendeten Technik. Und diese Zahl betrifft ausschließlich Niedersachsen und ausschließlich Erdgaslagerstätten. Fracmaßnahmen in Erdöllagerstätten, Tiefengeothermiebohrungen und andere sind nicht einberechnet. Eine Fracmaßnahme in der Bohrung „Buchhorst T12“, einen Tag nach dem 50-jährigen Jubiläum des Fracjobs in der „Rehden 15“, zur Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Förderrate blieb die bislang letzte in Niedersachsen.

Dabei waren weitere bereits beantragt, wurden jedoch als Folge der ausgelösten Debatte nicht mehr genehmigt. An den Gesetzen, anhand derer zuvor Fracmaßnahmen genehmigt worden sind, hatte sich nichts geändert. Im Grunde stellen die Nichtgenehmigungen einen klaren Rechtsbruch dar, den die Industrie zur Beruhigung der Debatte in Kauf nahm.

Außerhalb Niedersachsens konnten nach 2011 lediglich in der Erdölerkundungsbohrung „Barth 11“ in Mecklenburg-Vorpommern Fracarbeiten durchgeführt werden. Dazu bedurfte es allerdings kommunikativen Geschickes seitens des verantwortlichen Unternehmens Central European Petroleum GmbH (CEP). CEP distanzierte sich vom „Fracking“ in unkonventionellen Lagerstätten („Schiefer“) und bezeichnete die Maßnahmen als „Anschluss der Bohrung an die Lagerstätte“. Tatsächlich handelte es sich um Hydraulic Fracturing, ebenso tatsächlich sollte damit keine unkonventionelle Lagerstätte erschlossen werden. Die Fracarbeiten sind im Sommer 2014 durchgeführt worden. 7)http://www.dokumentation.landtag-mv.de/Parldok/dokument/34881/monitoring-der-erd%C3%B6lerkundungsbohrung-%E2%80%9Ebarth-11%E2%80%9C.pdf

Ausblick

Erdgasbohrung "Buchhorst T12" ein Dreivierteljahr nach Fracmaßnahme im Julin 2011 chef79

Erdgasbohrung „Buchhorst T12“ ein Dreivierteljahr nach Fracmaßnahme im Juli 2011 ©chef79

Nachdem Mitte Juni der Branchenverband Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) auf seiner Jahrestagung mitteilte, das fünfjährige freiwillige „Frackingmoratorium“ im Sinne seiner Unternehmen und deren Belegschaft aufzukündigen, reagierte die Politik mit populistischem Aktionismus. Ein zu dem Zeitpunkt über einem Jahr in der Schublade herumdümpelnder Gesetzesentwurf wurde hervorgekramt. Darin enthaltene, wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen widersinnige Gesetzesverschärfungen wurden sogar noch weiter verschärft.

So werden Fracmaßnahmen ohne fundierte Begründung in Tonsteinen, Schiefern und Mergeln sowie Kohleflözen pauschal verboten. Sonstige Fracarbeiten in Sandsteinen bleiben hingegen erlaubt. Allerdings sind die Hürden zur Genehmigung, wiederum ohne Rücksicht auf Wissenschaft und praktische Erfahrung, erheblich erhöht worden. 8)http://www.erdoel-erdgas-deutschland.de/2016/07/14/frackingverbot-in-unkonventionellen-lagerstaetten/.

Immerhin sind nun Fracarbeiten zur Erschließung ansonsten nicht gewinnbarer Kohlenwasserstoffe in Sandsteinlagerstätten möglich. Der Erkundung von Erdgaspotenzialen in Kohleflözen sowie sogenannten „Schiefergaslagerstätten“ ist jedoch ein kaum aufzuschließender Riegel vorgeschoben worden. Entgegen den Empfehlungen von wissenschaftlichen Institutionen, deren Aufgabe es ist, die Politik zu beraten.

Artikelfoto: Fracequipment auf Bohrung „Barth 11“ im Sommer 2014, Bildquelle CEP