Wenn bei Soltau kein Vulkan ausbricht – Geologe kontert Aufregung um Pläne von ExxonMobil, Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung zu versenken

Vorbemerkung

Als Reaktion auf geowissenschaftlich unhaltbare Äußerungen des MdB Sven-Christian Kindler  (Grüne) zur eventuellen Umrüstung der außer Betrieb genommenen Erdgasförderbohrung „Soltau Z2“ zur Versenkbohrung für Lagerstättenwasser hatte sich der „Erdöl und Erdgas in Deutschland“-Mitstreiter Diplom-Geologe Dirk Weißenborn dazu entschlossen, mit dem Beitrag „MdB Sven-Christian Kindler  (Grüne) prognostiziert den Weg des Lagerstättenwassers – Schaut er dabei in eine Glaskugel?“ Kindlers Äußerungen kritisch zu kommentieren. Dieser Kommentar erweckte das Interesse des Journalisten Joachim Zießler von der „Landeszeitung“. Er bat Herrn Weißenborn um ein Interview. Die Ansichten von Dirk Weißenborn flossen dabei in einen ausführlichen Artikel in der Printausgabe der „Landeszeitung“ ein, in dem u.a. auch MdB Kindler zu Wort kam. Der Artikel erschien ursprünglich am 1. November 2014. Vielen Dank  an Herrn Zießler für die Genehmigung, seinen Beitrag hier publizieren zu dürfen.

Geologe kontert Aufregung um Pläne von ExxonMobil, Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung zu versenken

Von Joachim Zießler

Soltau. Wenn Ölmultis die Hand auf den Untergrund legen wollen, ist ein Aufschrei der Bürger gewiss. So auch in Soltau. Dort sorgen Pläne von Exxon Mobil für Aufregung, Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung in dem alten Bohrloch Z 2 bei Soltau zu verpressen. Lagerstättenwasser kommt natürlich in Erdgaslagerstätten vor, besteht laut Landesbergamt aus Wasser, gelösten Salzen sowie Kohlenwasserstoffen und wird bei der Erdgasgewinnung als Flüssigkeit oder Dampf mit gefördert. Nahe der Stadtgrenze Soltaus wurde der Bohrer in zwei Etappen 1984 und 2010 bis auf eine Tiefe von 5282 Meter vorangetrieben – vergeblich. Soltau wird den Energiehunger Deutschlands nicht sättigen.

Aber vielleicht unappetitliche Nebenprodukte schlucken, zumindest, wenn es nach dem Willen von Exxon Mobil geht. Doch da steht der Bürgerzorn vor. Die Verpressungsstelle liege „nur rund 1,8 km vom Trinkwasserschutzgebiet Schüttenbusch der Stadtwerke Soltau und dem Heilquellenschutzgebiet der Soltau-Therme entfernt“, monierte etwa Dieter Möhrmann, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion. Er schaltete den SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Klingbeil aus Munster ein, der sich an Wirtschaftsminister Olaf Lies wandte, um eine schnelle Genehmigung der Pläne erstmal zu verhindern. Im Ministerium wurde Klingbeil beruhigt. Derzeit läge nur der Entwurf eines Antrages von Exxon Mobil vor, zudem unvollständig. Und da Bund und Land derzeit ohnehin an einer Reform der Zulassungskriterien für die Erdgasförderung arbeiteten, sei keine Gefahr im Verzug.

Anders sah dies der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler. In einer Pressemitteilung schrieb er, eine Verpressung „würde große Gefahren bergen“. Ausgehend von Messungen an einer anderen Bohrstelle geht Kindler davon aus, dass die Fließgeschwindigkeit des Lagerstättenwassers bei 240 Meter pro Jahr liegt. „Jeder kann sich also leicht ausrechnen, dass nach ein paar Jahren auch das Trinkwasserschutzgebiet und die Heilquelle mit giftigem Lagerstättenwasser verunreinigt wird.“

Eine solche Argumentation bringt den Diplom-Geologen Dirk Weißenborn aus Wietze bei Celle in Rage. „Es scheint, Herr Kindler denkt nur zweidimensional.“ Die Erweiterungsbohrung wurde nach den Unterlagen des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie auf eine Endteufe von 5281,90m gebracht. Der gleichen Quelle kann entnommen werden, dass sowohl die Förderbrunnen der Stadtwerke Soltau als auch die Solebrunnen nicht tiefer als maximal 210 m unter Gelände reichen. Weißenborn: „Das heißt, das Lagerstättenwasser müsste sich 5000 Meter nach oben bewegen, um diese Schutzgüter zu kontaminieren. Wenn bei Soltau kein Vulkan ausbricht oder sich ein Meer öffnet, gibt es keine Kraft, die das schaffen kann.“

Den Geologen wurmen auch Schlagworte, wonach ein „Giftcocktail in den Boden“ eingebracht werden soll. „Zum ersten ist das Lagerstättenwasser mit genau den Salzen angereichert, die es an seiner natürlichen Position aus dem Gestein gelöst hatte. Zum anderen ist der Boden die dünne lebensspendende Schicht, die wir beackern. In dem Sandstein in 5000 Meter Tiefe aber lebt nichts mehr, das ist totes Substrat.“ Die „Hysterie“, die Weißenborn etwa bei der Fracking-Debatte erkennt, speise sich aus mangelnden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, der Suche nach einem identitätsstiftenden Thema nach dem Atom und marktwirtschaftlichen Interessen der Unternehmer im Bereich Erneuerbare Energien.

Fracking-Gegner wie die Bürgerinitiative Umweltschutz Uelzen betonen, sie wollen die Kontamination des Grundwassers mit Benzol, Quecksilber und Strontium verhindern, indem sie fordern, „dass das Lagerstättenwasser in Kläranlagen gereinigt wird.“ Eine Forderungder Basis, die sich der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler trotz des in Soltau für eine Gefährdung des Grundwassers fehlenden aufwärtsgerichteten Druckes von rund 575 bar zu eigen macht: „Lagerstättenwasser gehört aufbereitet, statt verpresst.“ Unsinnig sei es, kontert der Geologe, Lagerstättenwasser „aufwändig quasi bis auf Trinkwasserqualität zu reinigen, bevor es in den toten Untergrund gepresst wird, wo es sich gleich wieder mit Salzen anreichert“. Weißenborn: „Das ist nur eine Strategie, die Erdgasförderung zu verteuern und so zu erdrosseln.“ Das sieht Kindler anders: „Sicher haben die Unternehmen höhere Kosten, aber sie haben auch hohe Profite.“