Wenn Halbwissen zur Meinungsbildung beiträgt – Das UmweltinstitutMünchen und die Fracking-Debatte Teil II

Eine der Gruppierungen, die intensiven Aktionismus gegen die seit Jahrzehnten etablierte Methode des Hydraulic Fracturing, inzwischen allgemein unter „Fracking“ bekannt, betreiben, ist das Umweltinstitut München e.V. Durch dieses wurde im Rahmen einer „Infokampagne“ ein Pamphlet erstellt, dass acht angebliche „Fracking-Lügen“ derselben Anzahl vermeintlicher „Tatsachen“ gegenüberstellt.

In Teil I wurden 6 der 8 „Lügen“-Thesen und deren jeweiliges Pendant diskutiert und dabei herausgestellt, dass das Umweltinstitut es a) mit der Wahrheit selbst nicht so genau nimmt, b) Vorfälle im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung fälschlicherweise der Technologie des Hydraulic Fracturing zuschreibt und c) Risiken wie Grundwasserverschmutzung oder Erdbebenerzeugung durch Fracarbeiten völlig überzogen kommuniziert und sich dabei oft der unter b) genannten Methode bedient und nicht vor dem unter a) Genannten zurückschreckt, um Mitbürger zu beeinflussen und ihnen die eigenen ablehnenden Ansichten überzustülpen.

Im zweiten Teil wird ein Pro/Contra-„Fracking“-Artikel diskutiert („Ist Fracking eine beherrschbare Technologie?“), in dem Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) als Fürsprecher fungiert und Frau Franziska Buch, Referentin für Energie und Klima beim Umweltinstitut München e.V. den Contra-Part übernimmt.

Prof. Kümpel stellt die Bedeutung von Erdöl und Erdgas für die inländische Energieversorgung heraus und argumentiert, dass auf diese Energieträger in den nächsten Jahrzehnten nicht verzichtet werden könne. Er macht deutlich, dass bei der gegenwärtigen Ablehnung der inländischen Erdgasförderung, insbesondere unter Einsatz des Hydraulic Fracturing, der Eigenversorgungsanteil von derzeit 10 Prozent ( vor 10 Jahren waren es noch über 20 Prozent), innerhalb weiterer 10 Jahre bedeutungslos wird.

Zum Einsatz des Hydraulic Fracturings ein wörtliches Zitat:

Aus geowissenschaftlicher Sicht spricht nichts gegen die Fracking-Technologie. Sie ist beherrschbar. Weltweit wird die Technologie seit vielen Jahrzehnten routinemäßig eingesetzt – in Deutschland seit den 50er-­Jahren bereits mehr als 350-mal. Bei uns ist dabei nicht ein Schadensfall aufgetreten, der zu einer Umweltbeeinträchtigung oder Grundwasserkontamination geführt hat.

In seiner weiteren Argumentation orientiert sich Kümpel weiter an Sachverhalten, wie dem in Deutschland verpflichtend auszuführenden Bohrlochausbau mit Merhfachverrohrung und damit einhergehender Mehrfachabsicherung von Gas- oder Flüssigkeitsübertritten in anliegende Gesteinsschichten, wodurch sich eine Kontamination von Grundwasser nachweisbar vermeiden lässt. Denn trotz einer fünfstelligen Anzahl von Tiefbohrungen, nicht nur auf Erdöl und Erdgas, ist kein einziger Fall einer Grundwasserkontamination dokumentiert worden. Durch sich an die Bohrungen anschließende Fracarbeiten demzufolge ebenfalls nicht.

Kümpel widerspricht auch der irrigen Annahme der „Fracking“-Gegner, dass die Injizierung von Fracfluiden in massive Gesteinsschichten oder darin enthaltene Wässer, diese „verseuchen“ könnte:

Die öffentlich verbreitete Vorstellung, durch Fracking würden Gifte in den natürlichen, sauberen Untergrund gelangen, ist unzutreffend. Ebenso die Ansicht, tiefe Wässer seien reiner als oberflächennahe. Grundwasser im Norddeutschen Becken beispielsweise ist in einer Tiefe von wenigen 100 m extrem salzig, enthält gelöste Gase, Schwermetalle und zahlreiche andere Stoffe, die es ungenießbar machen.

Weiterhin widerspricht er einer weiteren angstschürenden These der „Fracking“-Gegner, nämlich der, dass durch Fracarbeiten das hohe Risiko besteht, Erdbeben auszulösen. Und damit hat Kümpel Recht! In der inzw. mehr als 65-jährigen Historie des Hydraulic Fracturing konnten lediglich 4 spürbare Beben induziert werden und das bei über 2,5 Millionen Fracjobs! Das zumindest ist das ergebnis einer wissenschaftlichen Arbeit der Durham University mit dem Titel „What size of earthquakes can be caused by fracking?“

Kümpel schließt seine Argumentation auf sachlicher Basis:

An der sachgerechten Durchführung und Bewertung von Fracking-Maßnahmen arbeiten in Deutschland zahlreiche Experten aus den Fachgebieten Geologie, Lagerstättenkunde, Gesteinsphysik, Seismologie, Geochemie, Hydrogeologie, Reservoir- und Bohrlochingenieurwesen zusammen. Ihre Aufgabe ist es, die Maßnahmen zu planen und durchzuführen. Diesen gut ausgebildeten Spezialisten mit ihrer Fachkompetenz sollten wir auch in Zukunft vertrauen.

Dieser sachlich-nüchternen Argumentation folgt als Contra die Gegenthese von Frau Buch. Ihre Argumente gehen oftmals am Thema „Hydraulic Fracturing“ vorbei und strotzen teilweise vor Polemik. Außerdem wird anscheinend, wie häufiger bei den „Fracking“-Gegnern zu beobachten, „Fracking“ mit dem Gesamtprozess der Schiefergasgewinnung gleichgesetzt.

 Der Nutzen einer Gewinnung von Erdgas (aus Tonsteinen) wird von Frau Buch angezweifelt:

Fakt ist aber, dass die deutschen Schiefergasreserven viel zu gering sind, um einen Boom wie in den USA auszulösen. Fracking wird also weder einen signifikanten Beitrag zu niedrigeren Energiepreisen leisten, noch kann es uns unabhängig von Erdgasimporten aus Russland oder anderen Ländern machen. Niedrigere Preise und Energieunabhängigkeit erreichen wir nur durch einen konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Schiefergasförderung in der Nähe von Dimock, Pennsylvania. Alles andere als eine "verwüstete Landschaft" Quelle: BingMaps.

Schiefergasförderung in der Nähe von Dimock, Pennsylvania. Im Bild zwei Förderplätze. Alles andere als eine „verwüstete Landschaft“ Quelle: BingMaps.

Ein Boom wie in den USA ist sicherlich nicht zu erwarten, dass hat auch niemand in der Form behauptet. Genausowenig hat jemand behauptet, dass Deutschland durch die eventuelle Schiefergasgewinnung sich zukünftig unabhängig von Erdgasimporten aus Russland macht. Die Argumantation lautet stattdessen regelmäßig, dass die Importanbhängigkeit reduziert wird.

Der Ausbau „Erneuerbarer Energien“ hat mitnichten zu niedrigeren Preisen für Energie gesorgt, sondern bislang das genaue Gegenteil bewirkt. Dieser Sachverhalt wird jedoch von den Verfechtern der „Energiewende“ abgestritten und um das zu unterstreichen werden Studien aus dem Hut gezaubert, die mit herbeiphantasierten „externen Kosten“ die konventionellen Energieträger bzw. Energieerzeugungsformen teurer dastehen lassen sollen als die sogenannten „Erneuerbaren“ (siehe dazu: „Wie eine Greenpeace Studie den Strompreis schlecht rechnet“ von Rudolf Kipp auf dem Science-Skeptical-Blog).

Im weiteren Verlauf versteigt sich Frau Buch dann in schwerwiegende Vorwürfe gegenüber der Erdöl-Erdgasindustrie, vermeidet dabei aber „vorsichtshalber“, belastbare Zahlen und Quellen als Beleg anzuführen. Zudem versteigt sie sich in Übertreibungen, wie sie von Umweltgruppen leider regelmäßig verwendet werden (Hervorhebungen von mir):

Gleichzeitig verharmlosen die Energieunternehmen und ihre Lobby die Risiken und nähren den Mythos von der „beherrschbaren Technologie“. Die Realität sieht aber anders aus: Zahlreiche Erfahrungen aus den USA sowie wissenschaftliche Untersuchungen belegen die massiven Gefahren für Mensch und Umwelt. Die giftigen Chemikalien, die gemeinsam mit einem Gemisch aus Wasser und Sand in die Tiefe gepumpt werden, können durch Lecks austreten und Grund- und Trinkwasser verseuchen.

Wie gesagt, Belege für die angeblichen „massiven Gefahren“ werden nicht benannt. Tatsache ist, dass nur ein einziger Fall bekannt ist, bei dem Fracfluidrückstände ins Grundwasser gelangt sind („Interview mit Brian Horsfield über Schiefergas und Hydraulic Fracturing“, Shale Gas Information Platform des GFZ Potsdam). Und ich halte ein renommiertes Forschungsinstitut für glaubwürdiger als das obskure Umweltinstitut München. Denn dieses ist nicht fähig, zwischen der Techologie des Hydraulic Fracturing  und dem Gesamtprozess der Erdgasgewinnung zu differenzieren:

Auch Lagerstättenwasser – Wasservorkommen in tiefen Gesteinsschichten, die i. d. R. mit Schwermetallen und Arsen sowie natürlichen radioaktiven Stoffen und Kohlenwasserstoffen hoch belastet sind – kann im Zuge der Fracking-Bohrung oder der späteren Entsorgung entweichen und so Böden oder Grundwasser verunreinigen.

Die Belastung des Lagerstättenwassers (LaWa) mit den genannten Komponenten ist stark schwankend und standortabhängig. Von „hoch belastet“ kann dabei keine Rede sein und schon gar nicht von „In der Regel“. Das geht z.B. aus der Studie „Nachhaltiger Umgang mit Lagerstättenwasser aus der Erdgasförderung“ hervor, die unter info@rwedea.com kostenfrei angefordert werden kann. Die Vertreterin des Umweltinstituts fällt also abermals mit schwerwiegenden Behauptungen auf, die sie nicht belegen kann.

Ergänzend stellt sich die Frage, was LaWa mit der Fractechnologie zu tun hat, zumal das Vorkommen von LaWa in Schiefergaslagerstätten aufgrund der Undurchlässigkeit des Gesteins vernachlässigbar ist. Es dürfte lediglich eine vergleichsweise geringe Menge salzfreien Kondenswassers anfallen.

Und so geht es weiter mit Vorwürfen, Behauptungen und Unterstellungen von Frau Buch, die sogar aufgrund ihres Unwissens Vertreter der Förderindustrie der Lüge bezichtigt:

Fracking zur Förderung von „Tight Gas“ werde in Deutschland bereits seit 50 Jahren ohne Probleme praktiziert, wie die Befürworter oft betonen. Dass es sich dabei um glatte Lügen handelt, wurde kürzlich sogar von der Industrie selbst bestätigt. Gernot Kalkoffen, Europa-Chef von Exxon Mobil, gab in einem Interview mit der Tageszeitung (taz) zu, dass im Zuge der Fracking-Operationen in Deutschland jahrelang giftige Stoffe wie Benzol und Quecksilber aus Leitungen für den Transport von Lagerstättenwasser entwichen sind.

Erdgasbohrung wird einer Fracmaßnahme unterzogen („Goldenstedt Z23“) Quelle: WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.

Hier offenbart sich abermals, dass Frau Buch offenbar nicht zwischen unterschiedlichen Prozessen im Gesamtprozess der Erdgasgewinnung zu differenzieren vermag oder dessen nicht Willens ist. Im besagten taz-Interview hat Dr. Kalkoffen, Vorstandsvorsitzender von ExxonMobil, lediglich bestätigt, was allgemein bekannt ist. Nämlich den Austritt von Benzol an einer (!) LaWa-Leitung, der 2007 festgestellt und 2010 saniert worden ist. Ein Zusammenhang mit Fracoperationen ist dabei herbeiphantasiert, da die Bohrung „Söhlingen Z3“, die die LaWa-Leitung mit der zentralen Feldstation verbindet, bereits 1984 gefract worden ist (siehe: Liste Fracking-Maßnahmen der niedersächsischen Bergbehörde LBEG).

Außerdem erläutert Kalkoffen, dass bei der Reinigung von ausgemusterten Anlagenteilen auf Betriebsplätzen Quecksilber über die Platzbegrenzungen hinaus gelangt sind. Es bedarf einer bemerkenswerten Phantasie oder auch Ignoranz, wie man die Reinigung von Anlagenteilen dem Fracprozess andichten kann.

Und so bleibt Frau Buch in ihrer weiteren Argumentation im Vagen und beruft sich lediglich auf das taz-Interview bzw. lehnt sich unmittelbar daran an:

Die neue, angeblich giftfreie Frackingflüssigkeit, deren baldigen Einsatz Exxon Mobil zuletzt in großen Zeitungsanzeigen bewarb, ist hingegen noch nicht einmal einem Feldtest unterzogen worden.

Kunststück, wenn aus politischer Willkür trotz unveränderter Gesetzeslage, unter der bis 2011 Fracmaßnahmen genehmigt worden sind, Anträge auf Weisung politischer Entscheidungsträger nicht bearbeitet werden. In diesem Zusammenhang finde ich es erstaunlich, dass die Industrie zum Zwecke der Eskalationsvermeidung in dieser unsäglichen Debatte, in der inzwischen selbst der Chefgutachter im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) öffentlich seinem Auftraggeber widerspricht, weil die Interpretation des UBA, „Fracking“ sei eine „Risikotechnologie“ wissenschaftlich nicht haltbar ist, nach wie vor die Füße stillhält.

Dass es das Umweltinstitut mit der Wahrheit alles andere als genau nimmt (was man geflissentlich tun sollte, wenn man andere der Lüge bezichtigt), wird in einer Stellungnahme („NDR-Sendung verharmlost Fracking“) deutlich, in der der Verein dem NDR eine Verharmlosung des „Fracking“ vorwirft. Zur Erinnerung: Der ansonsten politisch grüngefärbte NDR hat es im September 2014 tatsächlich gewagt, sich sachlich dem Thema Hydraulic Fracturing zu nähern („Das schlechte Image von Fracking“).

Daraufhin erntete der Sender sowie die Mutteranstalt ARD einen regelrechten Shitstorm der „Fracking“-Gegner („Die Wucht der Vorwürfe hat uns überrascht“), dem sich auch das Umweltinstitut anschloss. In seiner Stellungnahme behauptet es:

Auch leugnet „Panorama“ nicht, dass in den USA bereits Trinkwasser durch undichte Fracking-Bohrlöcher verschmutzt worden ist. Das Magazin berichtet ebenfalls, dass in Niedersachsen giftiges Lagerstättenwasser aus schlecht abgedichteten Bohrlöchern von ExxonMobil ausgetreten ist. Dabei kam es zu Bodenverunreinigungen durch Benzol und Quecksilber.

Hier stellt sich die berechtigte Frage, was „Fracking-Bohrlöcher sein sollen. Die Ausgestaltung eines Bohrloches zur Erdgasgewinnung ohne den Einsatz des Fracverfahrens im Speichergestein unterscheidet sich nicht von einer Erdgasbohrung, in der das Fracverfahren angewendet wurde.  Zudem hat die Undichtigkeit von Bohrungen nichts mit der Anwendung des Fracverfahrens zu tun. Darüber hinaus ist es falsch, man könnte auch „gelogen“ schreiben, „dass in Niedersachsen giftiges Lagerstättenwasser aus schlecht abgedichteten Bohrlöchern von ExxonMobil ausgetreten ist“. Tatsache ist, dass aus einer Leitung zum Transport von LaWa die genannten Stoffe ausgetreten sind, worüber der NDR Anfang 2011 in reißerischem Stil in der Sendung „Markt“ berichtet hatte.

Letzten Endes bleibt festzustellen, dass die Vertreterin des Umweltinstituts einer sachbezogenen Diskussion um das Fracverfahren nicht gewachsen ist. Das zeigt sich daran, dass sie in ihre Argumentation Sachverhalte einbezieht, die höchstens indirekt mit der etablierten Standardtechnologie des Hydraulic Fracturing in Zusammenhang stehen. Fatalerweise findet solch angstschürendes Verhalten in der Öffentlichkeit mehr Anklang als fachlich fundierte Darlegungen wie von Prof. Dr. Kümpel.