Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung: Deutliche Worte an die Politik

Seit über drei Jahren stockt in Deutschland und dabei insbesondere in Niedersachsen die Erkundung und z.T. auch die weitere Erschließung von Erdgasvorkommen sowohl unkonventioneller als auch konventioneller Lagerstätten. Das hat zur Folge, dass die inländische Gewinnung von Erdgas stärker im Abfall begriffen ist als noch vor wenigen Jahren prognostiziert. Wenige Tage vor der Jahrestagung des Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. (WEG) meldet dieser sich in einer Pressemitteilung mit deutlichen kritischen Worten an politische Entscheidungsträger.

1. Vorbemerkungen

Der Stillstand in der Exploration ist darauf zurückzuführen, dass den Erdgasgewinnungsunternehmen die rechtliche Planungssicherheit fehlt. Das wiederum ist auf die seit ungefähr dem Jahreswechsel 2010/2011 anhaltende Debatte um das bewährte Verfahren Hydraulic Fracturing zurückzuführen. Dieses Verfahren hat meistens den Zweck, in gering durchlässigen bis undurchlässigen Speichergesteinen künstliche Risse zu erzeugen, so dass das Speichermedium (Erdöl, Erdgas, Thermalwasser) zum Bohrloch strömen und zutage gefördert werden kann.

Bereits seit 1961 fand dieses Verfahren in Deutschland in Erdgaslagerstätten seine Anwendung, ohne das es von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, obwohl bereits in der Vergangenheit darüber in den Lokalmedien berichtet wurde, wie dieser Bericht der „Rotenburger Rundschau“ aus dem Jahr 2007 beweist.

Das änderte sich schlagartig zum Ende des Jahres 2010, als der Pseudo-Dokumentarfilm „Gasland“ erschien. In diesem wurde u.a. behauptet, dass infolge der Anwendung des Fracverfahrens Erdgas in Trinkwasserschichten migriert sei und sich deshalb Wasserhähne entzünden ließen. Zwar musste der Filmemacher Josh Fox vor laufender Kamera eingestehen, dass er wusste, dass die Wasserhähne durch natürliche Gaszutritte entflammbar waren und dieses Phänomen seit Jahrzehnten bekannt war, aber die Bilder, die unkritisch in vielen Fernsehberichten gezeigt wurden, hatten ihre Wirkung erzielt.

So gründeten sich noch 2010 erste Bürgerinitiativen (BI) gegen Erdgas-Explorationsprojekte wie z.B. im münsterländischen Nordwalde, wo eine Erkundungsbohrung auf Kohleflözgas geplant war. Weitere BI-Gründungen folgten in weiteren Gebieten, in denen entweder potenzielle  Kohleflözgaslagerstätten oder potenzielle Schiefergaslagerstätten erkundet werden sollten. Selbst in klassischen Förderregionen gründeten sich BI, die zunächst gegen Hydraukic Fracturing opponierten. Das war z.B. im Bereich der Lagerstätte „Völkersen“ der Fall, wo sich eine BI namens „No Fracking“ gründete, nachdem ein Benzolaustritt an einer Lagerstättenwasserleitung bekannt wurde. Medien, wie der NDR (auch bekannt als „Grünfunk“), konstruierten einen Zusammenhang zum Hydraulic „Fracking“ Fracturing, was die seltsam anmutende Namenswahl der BI erklären könnte.

Diese BI, teils im bis heute anhaltenden engen Schulterschluss mit Lokal-/Regionalzeitungen oder Sendeanstalten wie dem genannten NDR sowie Umweltverbände übten einen massiven Druck auf die Politik aus und das mit Erfolg. In Nordrhein-Westfalen wurden selbst Erkundungsbohrungen mit einem Moratorium belegt, sofern die Unternehmen nicht zusichern können, dass in den entsprechenden Gebieten Hydraulic Fracturing ausgeschlossen werden kann. Das ist eine absolut unsinnige Forderung, da ja erst durch Erkundungsbohrungen festgestellt werden kann, ob überhaupt Erdgasvorkommen vorhanden sind, deren Gewinnung Fracmaßnahmen erforderlich macht.

Aber auch in Deutschlands bedeutendstem Förderland Niedersachsen kam die Erkundung neuer sowie die Feldesentwicklung bekannter Lagerstätten zum Stillstand, sofern sich die Vorkommen in Lagerstättentypen befinden, die Fracarbeiten zur Gewinnung von Erdgas zwingend erfordern bzw. wo die Anwendung förderoptimierend eingesetzt werden kann. Dazu zählen neben den ab 2008 neu erkundeten Schiefergas- und Kohleflözgaslagerstätten auch gering durchlässige Lagerstätten in den Sandsteinen des Karbon, des Rotliegend sowie des Buntsandstein.

Der Grund dafür ist, dass neben den erwähnten angeblich entflammbaren Wasserhähnen als Folge von Fracmaßnahmen verbreitet wurde, dass Trinkwasser „verseucht“ wurde oder werden könnte. Angeblich sollen die dafür dem Fracfluid zugesetzten Chemikalien verantwortlich sein. Diese Zusätze haben den Zweck, die Eigenschaft des Wassers so zu verändern, dass Stützmittel, wie z.B. Keramikkügelchen, Quarzsand oder Schwerminerale (bspw. Zirkon) in die erzeugten Risse transportiert werden können. Zwar ist bei weltweit über 2 Millionen Fracjobs seit 1947 höchstens ein einziger Fall bekannt, in dem das der Fall war (siehe Interview mit Brian Horsfield, GFZ Potsdam), aber die permanente Wiederholung dieser Befürchtung in den Medien verbunden mit der verbreiteten Ansicht „Chemie“ wäre etwas grundsätzlich Schädliches, haben ebenso wie die brennenden Wasserhähne ihre Wirkung hinterlassen.

Ohne dass es auch nur einen einzigen umweltrelevanten Zwischenfall infolge der Anwendung von Fracmaßnahmen in Deutschland gegeben hätte, ließ sich die Politik von der Hysterie und Angstschürerei einiger weniger Mitbürger beeindrucken, die sich inzwischen als „Anti-Fracking-Bewegung“ versteht, aber auf entsprechenden Demonstrationen kaum mehr als 300 Menschen zusammenbekommt. Der Fakt, dass es durch Fracarbeiten zu keinem einzigen Grundwasserschadensfall gekommen ist und dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, wird stattdessen ignoriert.

Stattdessen wird, wie beschrieben, die Erkundung untersagt bzw. soll im Hauptförderland Niedersachsen jeglicher Grundlage entbehrend, erschwert werden. Das geht aus einer Presseinformation der Minister Lies (SPD, Wirtschaft) und Wenzel (Bündnis 90/Die Grünen, Umwelt), hervor. So soll zwar weiterhin die Anwendung des Hydraulic Fracturings in Lagerstätten, in denen es seit Jahrzehnten zuvor durchgeführt wurde, weiterhin mit Einschränkungen möglich sein, jedoch nicht zur Gewinnung von Schiefergas. Dieses Ansinnen soll in einer Bundesratsinitiative seinen Niederschlag finden, wie aus diversen Presseartikeln hervorgeht, u.a. aus einem bereits am 8. Mai 2014 bei FAZ-Online erschienenen.

Doch diese Einschränkungen sind nach Auffassung des WEG zu weitreichend:

2. WEG: Auflagen zu hoch – praktikable Regelungen gefordert

Aufwältigung der "Erdgasbohrung Buchhorst Z20" chef79

Aufwältigung der Erdgasbohrung „Buchhorst Z20“ ©chef79

So ist die Pressemitteilung des „Lobbyverbandes“ überschrieben. Zwar wird das Bekenntnis der Landesregierung zum „Erdgasstandort Deutschland“ begrüßt und die beschlossene Bundesratsinitiative als „wichtiger Schritt für die Zukunft der heimischen Produktion“ bewertet, dennoch hält sich der WEG nicht mit deutlicher Kritik zurück:

Der Verband kritisiert jedoch die beabsichtigten zu hohen Auflagen, die zusätzlich zu den damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen die Erdgasproduktion in vielen Fällen deutlich einschränken würde. Insbesondere der großflächige Ausschluss von Gebieten sei nicht akzeptabel.

Vielmehr wird eine differenzierte Betrachtung sowie eine Prüfung eines jeden Einzelfalles vorgeschlagen und zudem eine gleichrangige Berücksichtigung von  Umweltschutz, Bürgerinteressen und Rohstoffversorgung gefordert.

Diese Forderung ist insofern nachvollziehbar, als das bisher in den vergangenen drei Jahren Forderungen von BI Beachtung geschenkt wurde (siehe Vorbemerkungen), der Industrie jedoch nur ohne plausible Begründung Steine in den Weg gelegt worden sind. Dabei kam diese, ohne dazu gesetzlich verpflichtet zu sein, den Forderungen von BI bereits nach. So wurde besipielsweise die Lagerstättenwasser-Versenkbohrung „Völkersen H1“ der RWE-Dea stillgelegt oder man ist der Forderung nach mehr Transparenz nachgekommen.

Darüber hinaus wurde darauf verzichtet, sein Recht auf Bearbeitung und Genehmigung von Fracmaßnahmen einzuklagen. Schließlich hat sich seit 2011, dem Jahr, in dem zuletzt eine Fracmaßnahme in Niedersachsen durchgeführt wurde, an der Gesetzeslage nichts geändert. Es war und ist aber bis in die Gegenwart nicht klar, ob und in welcher Art und Weise sich die Gesetzeslage ändern könnte, weshalb die Industrie vor Investitionen zurückschreckt, was nicht nur die Nutzung einheimischer Erdgasvorkommen einschränkt, sondern auch in der Folge die Abhängigkeit vom Ausland vergrößert und auch meist gut bezahlte Arbeitsplätze gefährdet. Dazu der Hauptgeschäftsführer des WEG, Joseph Schmid:

Nach der seit Jahren andauernden Debatte, die unsere Aktivitäten blockiert hat, brauchen wir verlässliche Rahmenbedingungen, die eine wirtschaftlich und ökologisch verantwortungsvolle Nutzung der heimischen Erdgaspotenziale wieder ermöglichen

Völlig zu Recht wird auch die Ablehnung der Erkundung der Schiefergaspotenziale kritisiert, welche mittels Erlass erfolgen soll. Dazu Schmid:

Eine Industrienation wie Deutschland kann sich einen solchen Stillstand nicht leisten. Für eine sichere, beständige und bezahlbare Energieversorgung muss es auch möglich sein, die neuen Lagerstätten zu erkunden, denn dort liegen die größten Potenziale.

Dieser Aussage kann sich der Verfasser über das Thema hinaus nur anschließen. Diese Nation, einst bekannt für ihre Dichter und Denker, aber auch für ihre herausragenden Ingenieure und Naturwissenschaftler entfernt sich infolge der vom Ausland belächelten „German Angst“ immer mehr von der Spitze der letztgenannten Wissenschaftsbereiche. Deutschland hat sich nicht nur aus der Kernenergiegewinnung verabschiedet, sondern insgesamt aus der Forschung auf diesem Gebiet. So wurde aus rein ideologischen Gründen verhindert, Konzepte zu entwickeln, die die Kernenergiegewinnung noch sicherer machen und dabei das „Müll“-Problem auf ein Minimum verringern könnten. Außerdem wurde von der gegenwärtigen niedersächsischen Landesregierung ein Projekt aus ideologischen Gründen eingestampft, das Schülern die sogenannte „Grüne Gentechnik“ vermitteln sollte (man recherchiere nach „HannoverGen“).

Zum Abschluss macht der WEG deutlich, dass trotz des Gegenwindes an der Erkundung der Schiefergaspotenziale und Durchführung von Pilotprojekten festgehalten werden soll…

…da heimische Rohstoffe unverzichtbar für die Versorgungssicherheit in Deutschland sind.

Und mit diesem letzten Abschnitt sowie Zitat ist der Kern dieses Blogs getroffen worden: Die Erkundung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas ist sowohl technologisch als auch wissenschaftlich eine äußerst spannende Angelegenheit. Nicht umsonst sind in dem an Kohlenwasserstofflagerstätten vergleichsweise armen Deutschland Meilensteine in der Erkundung, Erschließung sowie Gewinnung, aber auch in Hinblick auf Umweltschutzbelange, gesetzt worden. Darüber hinaus sollte nicht vergessen werden, dass jeder im Inland gewonnener Kubikmeter Erdgas (oder auch jede Tonne Erdöl) nicht unter hohem energetischen Aufwand importiert werden muss.