Wittorfer verlassen aus Angst vor angeblichen Folgen der Erdgasgewinnung ihre Heimat

In Niedersachsen befinden sich die die bedeutendsten Erdgaslagerstätten Deutschlands. Dabei verteilen sich die Vorkommen auf die Förderdistrikte „Elbe-Weser“, „Weser-Ems“ sowie „Westlich der Ems“ Seit dem Jahr 1980 wurde in und um das Städtedreieck Rotenburg/W.-Soltau-Verden im Distrikt „Elbe-Weser“ über 30 Jahre hinweg ohne größeres Aufsehen Erdgas gefördert. Das änderte sich schlagartig mit dem Aufkeimen der „Fracking“-Debatte.

Dafür ist zunächst nach Ansicht des Verfassers der NDR verantwortlich zu machen. In einer Sendung des Formates „Markt“ wird über einen Schaden an einer Leitung, die Lagerstättenwasser (LaWa) transportiert, „berichtet“. Wie in dem Beitrag zu sehen ist, handelt es sich um einen räumlich eng begrenzten Schadensfall und wie in solchen Fällen üblich wurde der Schaden saniert.

Dieses völlig normale Prozedere hielt den NDR nicht davon ab, den Vorfall zu skandalisieren. U.a. wurde ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat des damaligen Leiters der ExxonMobil-Unternehmenskommunikation, Herrn Norbert Stahlhut, herangezogen. Stahlhut sagte, dass in Deutschland das Unternehmen sicher und störungsfrei Erdgas fördere. In einer Sendung des ebenfalls vom NDR produzierten Formates „Panorama“ erfährt der Zuschauer wenigstens, wonach Herr Stahlhut gefragt worden ist. Nämlich nach den angeblichen Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Schiefergasgewinnung bzw. dem Hydraulic Fracturing, das erst die Gewinnung ermöglicht. Teilweise wurden Szenen aus „Gasland“ gezeigt, u.a. die brennenden Wasserhähne, von denen längst bekannt ist, dass diese durch natürliche Methanzutritte ins Wasser gelangt sind, was der „Gasland“-Macher auch wusste und längst zugab.

Nun hat der Transport von LaWa nichts mit dem dem Fracverfahren zu tun und ist strenggenommen auch kein Prozess der Erdgasförderung, ja nicht einmal der Aufbereitung. Die Reporter des NDR waren aber nicht in der Lage zu differenzieren und bezichtigten deshalb Stahlhut der „dreisten Lüge vor der Kamera“. Insgesamt hinterlässt der „Markt“-Bericht den Eindruck, als sollte aus einem vergleichsweise kleinen Vorkommnis ein „Umweltskandal“ (dieses Wort wird im „Panorama“-Bericht verwendet) gestrickt werden. Nicht nur die  düstere musikalische Untermalung unterstreichen diesen Eindruck. Hinzu kommen Behauptungen, ExxonMobil hätte den Vorfall vertuschen wollen. Dabei ist im Film das Baustellenschild zu sehen. Aber angeblich sind die angegebenen Telefonnummern falsch gewesen. Ein dargestellter Anruf der Reporterin soll zu einer Privatperson geführt haben. Zum Abschluss wird noch der Anwohner S.  gezeigt, der in der Nähe einer Förderbohrung (im Bericht als „Bohranlage“ bezeichnet) mit seiner Familie lebt. Dieser ließ sein Blut untersuchen und es wurde Benzol festgestellt. Die wichtige Information in welcher Konzentration wird dem Zuschauer aber verschwiegen. Zum Fall des Herrn S. später mehr.

Letzten Endes waren es diese beiden Berichte, die als Auslöser für die Angst in der Bevölkerung auszumachen sind. Es wird von einem Umweltskandal fabuliert, die flächenmäßigen Ausmaße sowohl in Söhlingen als auch in Hengstlage (bei „Panorama“) aber dem Zuschauer vorenthalten. Dieser könnte ja darüber nachdenken und sich fragen, wo denn der Skandal ist bei einem Ausmaß von 200 Metern x 10 Metern. Oder aber es werden irgendwelche Zusammenhänge konstruiert. So wird im Fall Söhlingen der im Grundwasser im Umfeld der Leitung gemessene Benzolwert von 6 Mikrogramm/Liter genannt und gesagt, dass dieses Wasser nicht mehr zur Trinkwassergewinnung geeignet wäre. Richtig ist, dass für an den Verbraucher abgegebenes Trinkwasser den Wert von 1 Mikrogramm/Liter nicht überschreiten darf. Zudem ist überhaupt nicht vorgesehen, dass Grundwasser als Trinkwasser für die öffentliche Versorgung zu nutzen. Die Schadensstelle befindet sich fernab jeglicher Wasserschutzgebiete.

Um es an dieser Stelle klar zu machen: Benzol und Quecksilber sind giftige Substanzen und sollten Grenzwerte nicht überschreiten. Beide Stoffe kommen jedoch natürlich vor, Benzol entsteht z.B. bei der Verbrennung von Holz und deshalb ist ein Wert von 0 allein aus natürlichen Gegebenheiten nicht möglich. Aber aus lokalen Schadensfällen, die zudem noch saniert wurden einen Skandal zu konstruieren, ist verantwortungslos. Gegen Aufklärung ist selbstverständlich nichts einzuwenden, aber nicht in dem dramatisierenden Stil, wie es Formate wie „Markt“, „Panorama“, „Monitor“ und Co. tun. Denn das Problem ist, dass sehr viele Menschen diese Sendungen unkritisch konsumieren und sich durch diese informiert fühlen. Wie weit das führen kann, zeigt im weiteren Verlauf dieser Artikel.

In der Folge dieser Sendungen (Berichte möchte ich das gezeigte nicht nennen), aber sicherlich auch durch an „Gasland“ angeknüpfte Medienbeiträge gründeten sich im Landkreis Rotenburg/W (LK ROW) sowie in der Region der von RWE-Dea betriebenen Erdgaslagerstätte „Völkersen“ Bürgerinitiativen (BI) gegen „Fracking“. In „Völkersen“ ist am LaWa-Leitungssystem Benzol ins Grundwasser gelangt. Der letzte von drei Abschnitten wird gegenwärtig noch saniert. Obwohl die Schadensfälle wie weiter oben erwähnt nichts mit Hydraulic Fracturing zu tun haben, gündeten sich, wie die jeweiligen Namen „Frackloses Gasbohren“ (LK ROW) sowie „No Fracking“ (Völkersen) erkennen lassen. Es sind die Medien gewesen, die LaWa und Hydraulic Fracturing in einen Topf warfen. Sogar in „Wissens“formaten wie der ARD-Reihe „W wie Wissen“, wo nicht nur das Verfahren unkorrekt dargestellt wird sondern sich der Beitrag in großen Teilen nur um das LaWa dreht. Fachleute kamen in dem Beitrag nicht zu Wort, sondern lediglich ein Vertreter der BI aus dem LK ROW sowie ein Mitverfasser des wegen handwerklicher Fehler scharf kritisierten,  „Fracking“-Gutachtens im Auftrag des Umweltbundesamtes.

In der Folge wurde jeder noch so kleine Vorfall zum Anlass genommern, darüber in den jeweiligen Regionalblättern und teilweise auch überregional (z.B. NDR-Online) zu berichten. Dabei betrafen sämtlich weiteren Vorfälle kleinere Schadensfälle auf den jeweiligen Betriebsgelände. Mit einer Ausnahme: Im vergangenen Jahr verlor ein Tanklastzug 50 bis 100 Liter LaWa, unmittelbar nachdem er einen Förderplatz im Feld „Hemsbünde“, LK ROW) verlassen hatte. Der NDR schrieb in einer Kurzmitteilung online dabei von „Frackingflüssigkeit“. Frage ist nur, wo 2013 Fracflüssigkeit herkommen sollte, wenn seit 2011 keine Fracjobs mehr durchgeführt worden sind. Ein Sprichwort sagt „Steter Tropfen hölt den Stein“ und so führte die tlw. völlig unkorrekte Berichterstattung, dazu, dass sich die Sorgen bei nicht wenigen Anwohnern der Region immer mehr festsetzten.

Über positive Entwicklungen sowie Messergebnisse, wie z.B. die erfolgreiche Benzolsanierung bei Völkersen, wird dagegen nicht berichtet. Genausowenig war es NDR-Online nur eine Kurzmitteilung wert darüber zu informieren, dass Untersuchungen an Pflanzen und Tieren ohne Benzolbefund geblieben sind. Aber auch das bei der bereits genannten Familie S. die Benzol- und Quecksilberwerte nicht besorgniserregend seien wird verschwiegen ebenso wie Luftmessungen ohne Befund auf die genannten Stoffe im Erdgasfeld Söhlingen. Mehr dazu im Artikel „Das Verschweigen der Entwarnung“ vom Juli vergangenen Jahres. Entwarnungen bei angeblichen Skandalen zu verschweigen, hat bei den Medien anscheinend Methode wie es am Beispiel „Dioxinskandal“ aus dem Jahr 2011 zu erkennen ist:

Bei einem Podiumsgespräch des Bundesverbandes der Verbraucherverbände (vzbv) auf der Grünen Woche zum Thema „Sichere Lebensmittel – Zehn Jahre nach BSE“ hat sich der Stellvertretende Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Adalbert Kienle, auch kritisch mit der Rolle der Medien befasst. Es sei bestürzend und nicht hinnehmbar, dass viele Medien – voran auch große Tageszeitungen – mit keinem einzigen Wort auf die offizielle „Entwarnung“ durch das zuständige Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) eingegangen sind.

Eine unrühmliche Rolle spielen bei der Verunsicherung der Bevölkerung auch die BI in Form von „Informationsveranstaltungen“. Neben Hydraulic Fracturing hat man sich inzwischen auf das Thema „Lagerstättenwasser“ eingeschossen. Das ist in gewisser Weise noch nachvollziehbar, schließlich hängen nahezu sämtliche, meist auf die Betriebsplätze beschränkten Vorkommnisse, mit dem LaWa zusammen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, das LaWa ein Gefahrgut ist und sorgsam damit umgegangen werden muss, um schwere Unfälle zu vermeiden. Mit Ausnahme des Falles „Völkersen“ ist das auch gelungen. Nur dort muss über einen längeren Zeitraum hinweg in drei Abschnitten das Grundwasser im näheren Umfeld, horizontal wie vertikal, saniert werden.

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z4 ©chef79

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z4 ©chef79

Das Hauptproblem sehen die BI aber in der Versenkung des LaWa in aufnahmefähige tiefe Gesteinsschichten. In der genannten Region handelt es sich im wesentlichen um den Kalkarenit in ca. 1000 Meter Tiefe. Dieser führt bereits Salzwasser und ist durch mächtige Tonschichten von süßwasserführenden Grundwasserleitern sicher getrennt. Trotz dieser Barriere phantasieren die BI eine Kontaminierung des Grundwassers herbei. In ihrer Vorstellung soll das versenkte LaWa, im wesentlichen ebenfalls stark salzhaltiges Wasser, in das Grundwasser aufsteigen. Dabei stellen sich zwei Fragen: Warum hat es das bereits vorhandene Salzwasser bisher nicht getan? Wie soll das spezifisch schwerere  Salzwasser durch Aufstieg ins Süßwasser gelangen? Die zweite Frage beantworten die BI regelmäßig mit „durch Aufstieg an Störungen“ oder häufiger „durch Aufstieg in Altbohrungen“, vergessen dabei aber Frage 1!

Ein weiteres Problem sehen die BI im Versenkungsprozess selbst. Angeblich soll das LaWa aus der Bohrung austreten. Nur wie das geschehen soll, können die BI ebenfalls nicht beantworten. Gerade im Bereich von Grundwasserleitern sind Tiefbohrungen welcher Art auch immer durch mehrere teleskopartig ineinander verbaute Stahlrohre gesichtert. Die Zwischenräume (Ringräume) sind zusätzlich durch feinkörnigen, wasserundurchlässigen Zement abgedichtet. Die Dichtigkeit der Ringräume wird permanent überwacht. Sollten Undichtigkeiten festgestellt werden, wird die Versenkung eingestellt und die Bohrung repariert. Damit ist ein LaWa-Austritt während des Versenkprozesses ausgeschlossen und ein Aufstieg ist aus physikalischen Gründen nicht möglich.

Dies Faktenlage ficht die BI aber nicht an. Sie fordern stattdessen eine Aufbereitung des Salzwassers in Trinkwasserqualität! Das ist theoretisch zwar möglich, allein aus energetischen Gesichtspunkten nicht sinnvoll. LaWa enthält in der Region ca. 250 g/l Salz und somit das 7-fache von Meerwasser. Allein die Entsalzung von Meerwasser ist extrem energieintensiv. Zudem bleibt die Frage offen, wass dann mit den abgeschiedenen, tlw. giftigen Stoffen, geschehen soll. RWE-Dea will künftig LaWa in ausgeförderte Bereiche von Erdgaslagerstätten versenken und ExxonMobil plant ähnliches. Jeder vernunftbegabte Mensch müsste dieses Konzept der Verbringung des LaWa begrüßen. Salopp gesagt: Hin mit der Salzsuppe, wo sie herkommt.

Letzten Endes führte die dramatisierende, skandalisierende Berichterstattung sowie das Agieren der BI, oft anscheinend im engen Schulterschluss mit einigen Medien, zu skurrilen bis traurigen Blüten: So ließ sich die Politik von den BI derartig unter Druck setzen, dass seit 2011 keine Fracmaßnahmen mehr genehmigt worden sind, was zuvor 50 Jahre möglich war und den Großteil der Bevölkerung nicht interessierte, obwohl zumindest auf lokaler Ebene darüber berichtet wurde. Dann ist es kaum noch möglich, Erdgaserkundungsbohrungen durchzuführen, ohne das sich Widerstand regt. Ein Beispiel dafür dürfte das Projekt „Daverden Z1“ der RWE-Dea südlich der Lagerstätte „Völkersen“ darstellen. Eine BI hat sich bereits gegründet und hier auf dem Blog wurde HIER und HIER darüber berichtet.

Doch das traurigste Ergebnis ist, das inzwischen Menschen ihre Heimat infolge erfolgreicher Angstschürerei durch die Medien und durch die BI verlassen wollen. Darüber berichtete die Kreiszeitung, Region LK ROW online am 02.04.2014:

Verpressanlage und Gasförderung: Wittorfer verlassen Heimat: „Wollen keinen Krebs“

Die Kreizeitung zeichnet sich dadurch aus, bei der spekulativen sowie negativen Berichterstattung ganz vorne mit dabei zu sein. Häufig besteht der Eindruck, dass die Artikelschreiber ihre Informationen einzig und allein von den BI beziehen. Deshalb ist sie in meinen Augen mit dafür verantwrtlich worüber sie nun berichtete.

Wir wollen nicht an Krebs sterben

heißt es gleich im Aufmacher. Und:

„[dass] direkt vor unserer Haustür giftiges Lagerstättenwasser in die Erde gepresst wird“ und „ [dass] unsere Gesundheit außerdem durch das Abfackeln an den Gasförderstätten massiv gefährdet wird“

Nun erschließt sich hoffentlich nicht nur mir der Zusammenhang zwischen der LaWa-Versenkung in 1000 Metern Tiefe und der Angst vor Krebs nicht. Zudem liegen die nächstgelegenen Förderbohrungen in 5,5 km bzw. 6,5 km von Wittorf entfernt. Erdgas wird dort nur sporadisch abgefackelt, wenn z.B. Intensivierungsmaßnahmen (Optimierung der Förderung) anstehen, wie es tatsächlich unmittelbar vor Erscheinen des Artikels der Fall war. Darüber hatte  ExxonMobil als Betreiber informiert. Aufgrund dieser Information verließen die fünf Bewohner während der Arbeiten in 7 Kilometer Entfernung (!) den Ort:

Wir haben in den vergangenen Tagen schon bei meinen Eltern in Eystrup gewohnt und versuchen so schnell wie möglich, unser Haus in Wittorf zu verkaufen

Und:

Obwohl Wittorf einige Kilometer weg ist, haben wir abends einen metallischen Geschmack im Mund gehabt und uns wurde regelrecht übel

Das seltsame bis hierhin ist, das in der Vergangenheit die Bewohner solche Sympthome bisher nicht bei sich registriert haben, obwohl bei Söhlingen bereits seit 1982 kontinuierlich Erdgas gefördert wird und die Bohrung, an der die Arbeiten durchgeführt wurden, bereits seit 30 Jahren existiert.

Aber auch die sonstigen Beweggründe für den Wegzug zum Teil über die Landesgrenzen Niedersachsens hinaus erscheinen seltsam. Selbst ein zeitweiliger Verlust einer beruflichen Tätigkeit wird aus reiner Angst heraus in Kauf genommen:

Wir gehen dahin, wo sicher ist, dass das Wasser aus den Hähnen nicht aus der Rotenburger Rinne stammt“, sagt Honke, der zwar weiß, dass es nicht leicht sein wird, alle Zelte in Wittorf abzubrechen. „Aber auch die Wahrscheinlichkeit, zunächst ohne Job zu sein, ist nicht so schlimm wie die ständige Angst, Schäden durch die Gasförderung zu erleiden.

Bei der „Rotenburger Rinne“ handelt es sich um eine während der elsterzeitlichen Vereisung (Glazial) angelegten Eintiefung, die mit Sanden und Kiesen aufgefüllt wurde und sich deshalb in einigen Bereichen als hervorragendes Wasserreservoir zur Trinkwassergewinnung eignet. Diese Gebiete sind dann auch als Wasserschutzgebiete ausgewiesen. Einige wenige Förderbohrungen befinden sich innerhalb der Schutzzone III (in den Zonen II und I wären sie nicht erlaubt). Nur warum von diesen eine Gefahr ausgehen soll, erschließt sich mir wiederum nicht. Es handelt sich um Tiefbohrungen, die gegenüber dem Grundwasser mehrfach abgeschottet sind wie bereits oben beschrieben. Einige weitere Bohrungen befinden sich zwar innerhalb der Rinne, aber außerhalb von Schutzzonen, weshalb durch sie keine Gefährdung der Trinkwassergweinnung besteht.

Zu den gesundheitlichen Schäden ist zu sagen, dass sich in Söhlingen vor kurzem eine BI gegründet hat, die einen Zusammenhang zwischen der Erdgasförderung und der ihrer Meinung nach erhöhten Krebsrate im Ort bestehen soll. Darüber wurde in den Lokalmedien auch berichtet. Nur handelt es sich bei dieser Meinung um einen subjektiven Eindruck und nicht um gesicherte Erkenntnisse, dass a) die Krebsrate tatsächlich überdurchschnittlich hoch ist und b) selbst wenn sie es wäre nicht geklärt ist, ob es auf die Erdgasförderung zurückzuführen ist. Wie bereits oben erwähnt konnten bei einer Luftmessung keine erhöhten Benzol- und Quecksilberwerte gemessen werden. Zudem konnten durch die Untersuchung der Familie S. zwar Quecksilber und Benzol nachgewiesen werden, aber nicht in besorgniserregendem Ausmaß:

Fest steht auf der anderen Seite, dass die im Blut nachgewiesenen Fremdstoffkonzentrationen keine Hinweise auf Gesundheitsschäden zulassen.

Aber auch RWE-Dea gab kürzlich bekannt, dass Grundwassergütemessungen im Umfeld der Versenkbohrung Wittorf Z1 keinen  Benzolbefund ergaben. Zum Ende des Artikels gibt es noch den mittlerweile üblichen Vorwurf von Verstrickungen und Politik:

Schimmeyer glaubt sowieso, dass Politik, Wirtschaft und auch Verwaltungen beim Thema Erdgasförderung eng miteinander verstrickt sind: „Wie sonst ist es denn möglich, dass zum Beispiel die Lkw, die Lagerstätenwasser transportieren, sofort eine Ausnahme vom Sonntagsfahrverbot bekommen?“

Die Begründung ist simpel: Erdgas ist in Deutschland der wichtigste Brennstoff zum Heizen. Gerade im Winter wird jeder Kubikmeter gebraucht. Sollten die Transporte am Sonntag nicht durchgeführt werden, wären die LaWa-Sammeltanks zügig gefüllt und die Förderbohrungen müssten abgestellt werden. Das wäre im Winter nicht verantwortbar.

Zum Abschluss wird geschrieben, dass die fünf Bewohner Anzeige wegen Körperverletzung gegenüber „den Gaskonzernen“ erstatten wollen.

Abschließend bleibt festzustellen: Es ist erschütternd, wozu dramatisierende und skandalisierende Berichterstattung auch in Öffentlich-Rechtlichen Medien führen kann. Ohne sachlich nachvollziehbare Begründung werden Menschen soweit gebracht, dass sie aus purer Angst, die wiederum eine Folge der Berichterstattung ist, ihre Heimat verlassen wollen. Eine unrühmliche Rolle spielen dabei selbstverständlich die BI mit ihren „Informationsveranstaltungen“ und Leserbriefen an Tageszeitungen der Region, die vor Halb- und Unwissen, maßlosen Übertreibungen hinsichtlich potenzieller Risiken sowie schwersten Anschuldigungen bis auf die persönliche Ebene herab nur so strotzen.

4 Kommentare zu Wittorfer verlassen aus Angst vor angeblichen Folgen der Erdgasgewinnung ihre Heimat

  • Dirk Weißenborn sagt:

    Den Damen und Herren, welche auf dem Foto im betreffenden Artikel der Kreiszeitung zu sehen sind, gehört mein Mitgefühl. Sie wollen Arbeitsplätze aufgeben – ohne Garantie auf adäquaten Ersatz. Sie verkaufen Ihre Immobilien mit dem Risiko hoher Preisabschläge. Potentielle Käufer und Grundstücksmakler dürften sich diese Verkäufer merken. Dann wird runtergehandelt.

    Erstaunlich wie diese Menschen sich in dieser Weise ihrer wirtschaftlichen Existenz selbst schaden wollen.

    Der Artikel ist wirr. Von tatsächlich diagnostiziertem Krebs ist glücklicherweise bei keinem der „Emigranten“ die Rede. Nur der angebliche „metallische“ Geschmack im Mund während des Abfackelns wird genannt.

    Wenn man die Worte „metallischer Geschmack im Mund“ einmal googelt, gerät man schnell auf eine Webseite, der die folgende Ursachenaufzählung für Geschmacksstörungen enthält:

    Zitat:

    „Ein metallischer Geschmack muss jedoch nicht immer auf eine Krankheit zurückzuführen sein.

    Denn es gibt ganz vielfältige Ursachen für dieses Symptom:

    Zahnprothesen und zahnmedizinische Amalgamfüllungen
    Chemotherapeutische Behandlungen
    Zahnfleischentzündungen
    Pilzinfektionen
    Schlechte Mundhygiene
    Medikamentöse Behandlungen bei beispielsweise Parkinson
    Blei-, Kupfer- oder Selenvergiftungen

    Aktuellen Schätzungen zur Folge sind circa 2.500 Menschen in Deutschland jährlich von einer Dysgeusie betroffen.“

    Wie im Zitat eingangs schon erwähnt, kommen auch noch weitere Krankheiten hinzu.

    Die in der Aufzählung gelisteten Vergiftungen durch Blei, Kupfer und Selen dürften prinzipiell eher durch orale Aufnahme dieser Schwermetalle (Wasser, Lebensmittel) zustande kommen. Von diesem Wirkungspfad war im Artikel aber nicht die Rede. Das Quecksilber wird gar nicht erwähnt, allerdings ist die Liste auch nicht unbedingt als vollständig anzusehen. Ob eine Quecksilbervergiftung sich allerdings in jedem Fall in Form eines metallischen Geschmacks bemerkbar macht, ist hier nicht zu klären. Sollte dies dennoch der Fall sein, so müsste von extremen, vor allem über die Atemwege aufgenommenen Quecksilberfrachten (Hg und bestimmte Hg-Verbindungen) ausgegangen werden.

    Die Zahl von aktuell deutschlandweit 2500 Menschen, welche unter Dysgeusie leiden ist auch nicht gerade hoch. Interessant wäre die Klärung, ob in Erdgasfördergebieten eine erhöhte Anzahl an Erkrankten nachzuweisen ist.

    Es wäre auch interessant zu erfahren, welches Verfahren beim dem genannten Abfackelvorgang zum EInsatz kam. „Enclosed Burner“ oder nicht?

    Das hochgiftige Benzol wurde diesmal nicht erwähnt. Nun ist bekannt, dass Benzolvergiftungen neben ihren akuten Wirkungen vor allem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Leukämieerkrankungen nach sich ziehen – mit einer größeren Verzögerungszeit.

    Allerdings weisen selbst nachgewiesene Benzolbelastungen im menschlichen Körper nicht zweifelsfrei auf deren Quelle hin.

    Sozial- und Umweltministerium in NIedersachsen dürften einen problemlosen Zugriff auf die Krebsstatistik der letzten Jahrzehnte haben. Warum vergleichen die Behörden mit statistischen Methoden nicht wenigstens die Leukämiefälle im Landkreis Rotenburg im Vergleich zu denen in einem Landkreis ohne jegliche Erdgas- und Erdölförderung, sagen wir Osterode im (am) Harz?

    Das wäre fachlich begrüssenswert.

    Aber bei der vorherrschenden Panikstimmung in Teilen der Bevölkerung – geschürt von sensationslüsternen Medien – würde ein entsprechendes nicht korrelierbares Ergebnis wohl auch wieder nur als „Kumpanei“ von Politik und Erdgasindustrie interpretiert werden.

    Gewisse Kreise würden nur solche Ergebnisse von diesem Verdacht freisprechen, welche eindeutig und alarmistisch auf den Verursacher „Erdgasförderung“ deuten.

  • Martin sagt:

    Immerhin ist der Placebo-Effekt ja wissenschaftlich nachgewiesen. Das müsste doch auch andersherum funktionieren…

  • Barney Gumble sagt:

    Gibt es heisst:“Nocebo“

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