Campact! und „Fracking“ – Eine faktenfreie Zone
Seit einigen Monaten wird die Methodik der politisch weit links stehenden Kampagnenorganisation Campact!, die sich als „Bürgerbewegung“ versteht, in der Kritik. Von „dubiosen Methoden und Halbwahrheiten“ (Stuttgarter Nachrichten), von Emotionen und Angstkampagnen (Cicero) sowie von „antiaufklärerischen Kampagnen“ (Andreas Freytag in einem ZeitOnline-Gastbeitrag) ist die Rede.
Getreu dem Motto „getroffene Hunde bellen“ ließen Reaktionen auf die genannten Beiträge nicht auf sich warten. Diese erfolgten entweder als rechtfertigende Kommentare des Campact!-Pressesprechers Jörg Haas oder im Fall des ZeitOnline-Beitrages sogar in Form eines eigenen Gastbeitrages, an dem neben Jörg Haas auch Christoph Bautz, einer der Campact!-Geschäftsführer, mitwirkte. Wir wollen uns mit diesem Beitrag an der Kritik gegenüber Campact! anschließen, wobei wir uns auf deren quasi faktenbefreiter Agitation gegen „Fracking“ konzentrieren.
Dass es Campact! mit den Fakten bezüglich „Fracking“ alles andere als genau nimmt, ist u.a. vom CDU-Politiker Peter Friedrich kritisiert worden, wie dem in der Einleitung verlinkten Artikel der Stuttgarter Nachrichten zu entnehmen ist. Mit kontrafaktischen Behauptungen und Zuspitzungen versuche Campact! seiner Ansicht nach Stimmung zu erzeugen. Das hätte mit „Aufklärung und demokratischer Auseinandersetzung“ nichts zu tun. Dass diese Einschätzung Friedrichs keine subjektive ist, werden wir im Verlauf des Artikels noch herausarbeiten.
Ebenso wie Herr Friedrich prangert auch Andreas Freytag die kontrafaktische Agitation von Campact! und anderen ähnlich agierenden Organisationen im Zusammenhang mit „Fracking“ an. Er verweist dabei auf Erkenntnisse mehrerer Studien „ernstzunehmender Institutionen“, die in die Fractechnologie als wenig riskant einstufen. Im Wesentlichen belegt er seine Aussagen mit Links auf Artikel dieser Institutionen, wie z.B. der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
In der kurz darauf erschienenen Replik der Herren Haas und Bautz versuchen diese, die Aussagen Freytags zurückzuweisen und scheitern damit in mehrfacher Hinsicht grandios. Schauen wir uns die „Gegenargumente“ einmal genauer an:
- Bautz und Haas führen „zahlreiche belegte Leckagen“ an und verlinken zum Beweis auf eine Seite der Bürgerinitiative (!) „Frackingfreies Harburg“. Tatsächlich sind dort einige Leckagen aufgeführt, die vornehmlich an Leitungen zum Transport von Lagerstättenwasser (LaWa), einem natürlichen Begleiter von Erdöl und Erdgas, aufgetreten sind. Ein Zusammenhang zum Hydraulic Fracturing besteht somit nicht.
- Der Fund „erhöhter Quecksilberwerte“ an Erdgasförderplätzen stellt das nächste Argument gegen „Fracking“ dar. Auch hier wird auf offizielle wissenschaftliche bzw. behördliche Quellen als Beleg verzichtet und stattdessen ein Artikel der politisch links stehenden „TAZ“ verlinkt. Ebenso wie für LaWa gilt auch für Quecksilber, dass es sich um einen natürlichen Begleiter des Erdgases handeln kann und dessen Vorkommen in keinerlei Zusammenhang mit der Anwendung des Fracverfahrens steht.
- Als nächstes behaupten die Campaigner, dass der Geologische Staatsdienst der USA, der USGS einen Zusammenhang zwischen Erdbeben und dem Fracverfahren belegt hätte. Vorsichtshalber wurde auch hier auf die Verlinkung der Primärquelle verzichtet, sondern als Beleg ein Artikel der „WiWo Green“ hinzugezogen. Doch dort ist eine Primärquelle verlinkt, die der „Interpretation“ der Campaigner widerspricht.
- Zuletzt werden noch klimaschädliche Methanemissionen angeführt, die angeblich mit einer „Fracking“-Bohrung einhergingen (was auch immer eine „Frackingbohrung“ sein soll). Berufen wird sich dabei auf einen Artikel von klimaretter.info . Allerdings wird nicht herausgestellt, warum eine Erdgasbohrung, die einer Fracbehandlung unterzogen worden ist, mehr Methan emittieren soll als eine, die nicht gefract wurde.
Es wird anhand der vier Punkte deutlich, dass Campact! plausible Argumente gegen die Anwendung von Hydraulic Fracturing fehlen und stattdessen auf Nebenschauplätze in den Fokus gerückt werden, die zwar in gewisser Weise mit der Erdgasproduktion im Zusammenhang stehen, aber nicht mit dem Verfahren, gegen das ins Feld gezogen wird.
Das Thema „Fracking“ steht seit einiger Zeit mehr oder weniger regelmäßig auf der Tagesordnung von Campact! So erschien am 4. Dezember 2015 der Artikel „Fracking: Gasförderung mit Risiko“, der erneut verdeutlicht, dass die Campaigner wenig bis quasi nichts von dem verstehen bzw. wissen, wogegen sie protestieren.
Berufen wird sich im Wesentlichen auf den Film „Risiko Fracking“ des Spiegel-TV-Journalisten Felix Kasten. Diese Dokumentation mit wissenschaftlichem Anspruch wurde bei uns erst vor Kurzem in drei Teilen ausführlich kritisch kommentiert (Wissenschaftsdoku „Risiko Fracking“ – Eine kritische Betrachtung). Dabei konnten wir neben dem Nachweis fachlicher Fehler aufzeigen, dass entgegen des Titels große Teile der Dokumentation keinen unmittelbaren oder nicht einmal einen indirekten Bezug zur Technologie des Hydraulic Fracturing haben. Ebenso verhält es sich mit dem kurzen Artikel von Campact!
So wird behauptet, dass die Erdgasförderung aus Sandsteinen sowie die Förderung aus Schiefergaslagerstätten gegenwärtig mit einem Moratorium belegt sei. Beide „Förderformen“ wären angeblich ausgesetzt. Das ist in zweierlei Hinsicht absoluter Unsinn, denn nach wie vor wird in Deutschland Erdgas aus Sandsteinformationen gewonnen. Im Jahr 2014 waren es etwas mehr als die Hälfte des im Inland produzierten Dargebotes von ca. 10 Milliarden Normkubikmetern (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2014). Aus Schiefergaslagerstätten wird hingegen deshalb kein Erdgas gewonnen, weil deren Erkundung aus politischen Gründen abgewürgt wurde.
Tatsächlich bestehen gegenwärtig in einzelnen Bundesländern offizielle Moratorien zur Erkundung potenzieller, sogenannter unkonventioneller Erdgaslagerstätten in Tongesteinen („Schiefergaslagerstätten“) sowie untergeordnet in Kohleflözen. Beispielhaft sei hier Nordrhein-Westfalen genannt. Ein inoffizielles Moratorium besteht hingegen in Niedersachsen. Dort werden trotz unveränderter Gesetzeslage aus politischer Willkür heraus Anträge zu Fracmaßnahmen vom zuständigen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) seit 2011 nicht mehr bearbeitet.
Aufgrund der emotionalisierten Debatte verzichtet die Industrie darauf, mittels Klagen das ihr zustehende Recht durchzusetzen. übrigens wurde im Artikel „Im Umweltbundesamt bröckelt der Widerstand gegen Fracking„ der Wirtschaftswoche der Professor für Bergrecht an der RWTH Aachen, Walter Frenz, mit folgenden Worten zitiert: „Die Moratorien der Bundesländer gegen Fracking sind eindeutig rechtswidrig“.
Weiterhin behauptet die Autorin des Campact!-Beitrages, Anne Beny, dass im Zuge der Fracarbeiten in der Erkundungsbohrung Damme 3 „24.000 Liter Biozide ins Gestein“ gepresst wurden. Schaut man sich das Sicherheitsdatenblatt zu diesem Unterfangen an, dann stellt sich die Frage, wie Anne Beny zu dieser Zahl kommt. Denn dem Blatt ist zu entnehmen, dass lediglich 460 kg eines Biozids eingesetzt worden sind.
Interessant ist dabei auch der folgende Satz: „Darunter Stoffe, die der Konzern selbst als giftig, reizend, gesundheitsschädlich, brandfördernd oder umweltgefährlich einstuft.“. Einem Unternehmen steht es jedoch nicht zu, Stoffe in die genannten Kategorien einzustufen. Die Kategorisierung erfolgt stattdessen nach gesetzlichen Vorgaben, wie z.B. dem Chemikalienrecht. Angeblich sollen nach Darstellung von Anne Beny die eingesetzten Stoffe dazu dienen, die im Zuge des Fracprozesses erzeugten Risse offen zu halten, so dass durch diese anschließend das Erdgas aus dem Gestein „gepresst“ werden könnte.
Welche Aufgaben die eingesetzten Stoffe haben, ist dem Sicherheitsdatenblatt zu entnehmen. Neben diesen Zusätzen mit ihren Aufgaben können je nach Lagerstättentiefe, Druck und Gesteinsart weitere Stoffe mit anderen Aufgaben Fracfluiden zugesetzt werden. Eine Übersicht gibt die nichtkommerzielle Seite fracfocus.org.
Über die erzeugten Risse wird auch kein Erdgas aus dem Gestein gepresst, denn das Herauspressen müsste vom Ende der feinen Risse her zum Bohrloch hin erfolgen. Technisch ist das nicht möglich. Vielmehr verhält es sich so, dass die erzeugten Risse gasführende Poren miteinander verbinden und ein Zufluss zum Bohrloch ermöglicht wird, über das die Abförderung erfolgt.
Abschließend versteigt sich Frau Beny zu der Aussage, dass für den Umgang mit dem anfallenden Abwasser keine Lösung existiert. Stattdessen verhält es sich so, dass Entsorgungskonzepte vorhanden sind. Zum einen lässt sich das Abwasser in Gesteinsschichten einbringen, die bereits von Natur aus schadstoffbelastetes Wasser führen. Dieses Verfahren ist weltweit Usus und hat sich bewährt. Eine weitere Möglichkeit wäre es, mit dem Abwasser wie mit anderen Abwässern aus der Industrie zu verfahren. Aufbereitung ist hier das Stichwort.
Fazit:
Campact! agiert gegen eine bewährte Standardmethode des Bohrlochbergbaus und möchte dieses Verfahren gerne verboten sehen. Um diesen Verbotswunsch zu begründen, werden Argumente ins Feld geführt, die bei genauerer Betrachtung keinen Bezug zum Verfahren haben. Teilweise werden sogar Behauptungen gestreut, die frei erfunden erscheinen.
Unter Beachtung der politischen Ausrichtung der Organisation liegt die Vermutung nahe, das der wahre Hintergrund der Agitation gegen „Fracking“ darin zu finden ist, dass dieses Verfahren die Produktion bislang nicht vorhandener Kohlenwasserstoffvorkommen ermöglicht und die Produktion im Wesentlichen durch multinationale Unternehmen vollzogen wird.
Bedenklich ist, dass der im Wesentlichen faktenfreie Aktionismus bislang nur wenig hinterfragt und teilweise von Politikern wie dem SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe (SPD) sogar noch unterstützt wird.