Hände weg von Schwedeneck – Betrachtung einer unglaublichen Desinformationskampagne

Reststoffbehandlung in place

Unser Blog soll nicht nur über Aktivitäten hinsichtlich der Erkundung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas in Deutschland informieren. Ein zweites, wichtiges Standbein stellt die Kritik an der regelmäßig unsachlichen, überzogenen Agitation der Gegner der Gewinnung dieser wichtigen Rohstoffe im Inland dar. Ein per Zufall gefundener Artikel bildet die Basis für folgenden kritischen Beitrag. Diesem könnte abschnittsweise anzumerken sein, dass der Artikel der Bürgerinitiative „Hände weg von Schwedeneck“ dem Verfasser zunächst aufgrund fehlender faktischer Grundlage die Zornesröte ins Gesicht trieb.

Erdölförderung in Schwedeneck – Historischer Hintergrund

Aufgegebene und verfüllte Förderbohrungen unweit der Kliffkante. Quelle: NIBIS-Kartenserver des LBEG.

Schwedeneck ist eine Gemeinde in Schleswig-Holstein (SH), nordwestlich der Landeshauptstadt Kiel gelegen. Auf ihrem Gebiet wurde ab 1956 aus der gleichnamigen Lagerstätte Erdöl gefördert. Produktiv war der jurassische Dogger beta –Hauptsandstein. Bis zur Einstellung der Förderung im Jahr 1992 konnten immerhin knapp 760.000 Tonnen Erdöl gewonnen werden. 1)Erdölförderung 1932-1996

22 Jahre nach Aufschluss der Lagerstätte gelang am Ausgang der Eckernförder Bucht ein bedeutender Erdölfund, der gleichzeitig den ersten wirtschaftlichen Aufschluss einer Offshore-Erdöllagerstätte in deutschen Hoheitsgewässern darstellte. Das neu entdeckte Vorkommen erhielt die Bezeichnung „Schwedeneck-See“. Zunächst wurden dessen Vorräte vorsichtig mit 2,5 Millionen bis 3,7 Millionen Tonnen gewinnbaren Erdöls geschätzt. (Boigk 1981) Im weiteren Erkundungsverlauf stellte sich heraus, dass Schwedeneck und Schwedeneck-See eine gemeinsame Lagerstätte darstellen.

Von den einstigen Förderbohrungen ist nichts mehr zu sehen. Bildquelle: GoogleMaps

Zur Erschließung der seeseitigen Lagerstättenteile wurden zwei Bohr- und Förderinseln in der Eckernförder Bucht installiert. Während Plattform A die Produktion 1984 aufnahm, folgte 1985 Plattform B. 2)Erdölförderung Schwedeneck-See im Rückblick Die südlichen Lagerstättenteile des Offshore-Bereiches der Lagerstätte wurden mittels bis zu zwei Kilometer weit abgelenkten Bohrungen von Land aus aufgeschlossen. Acht Jahre nach Aufgabe des festländischen Lagerstättenteils wurde auch die Offshore-Produktion eingestellt. Deren Gesamtförderung belief sich auf über 3,4 Millionen Tonnen, so dass aus der Gesamtlagerstätte über 4,1 Millionen Tonnen Erdöl gewonnen werden konnten. 3)Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2000

Doch damit ist bei Weitem nicht das gesamte Erdöl aus der Tiefe geholt worden.

Wiedererschließungsüberlegungen – Die nüchternen Fakten

Als in den Jahren 2008/2009 der Weltmarktpreis für Erdöl die 100 US-Dollar-Marke für ein Barrel (159 Liter) überstieg, erschien die Wiedererschließung aus Wirtschaftlichkeitsgründen aufgegebener Erdölfelder in SH lukrativ. Einbezogen in die Überlegungen wurde auch Schwedeneck-See. Hier vermutete vor etwa acht Jahren der einstige Betreiber RWE-DEA (heute nach Verkauf unter DEA – Deutsche Erdöl AG firmierend) ein Potenzial weiterer 400.000 Tonnen gewinnbaren Erdöls. 4)RWE-Dea AG: RWE Dea Wiedererschließung von Altfeldern in Schleswig – Holstein

Bereits zu Beginn der Überlegungen wurde klargestellt, dass anders als in den 1980er Jahren keine offshore-Plattform installiert werden müsste. Begründet wird dies mit der technischen Entwicklung der Richtbohrtechnik, welche Ablenkdistanzen von bis zu 10 Kilometern erlaubt. Zudem sollen zur Abförderung des geschätzten Potenzials lediglich drei Bohrungen abgeteuft werden. Darunter fällt eine Injektionsbohrung, die mitgefördertes Lagerstättenwasser wieder in das Speichergestein gemäß Kreislaufprinzips injiziert. Gegenüber der einstigen Förderung mit über 40 Fördersonden sowohl onshore wie offshore ein erheblich geringerer Eingriff in Natur und Landschaft.

Doch was scheren solche Tatsachen Aktivistenkreise, die in ihrem „Hände weg von Schwedeneck“ – Aktionismus den Untergang der Gemeinde sowie den ökologischen Kollaps der Eckernförder Bucht heraufbeschwören? Schließlich ist es wirkungsvoller, mit Dramatisierungen unbedarfte Teile der Bevölkerung mit (unverantwortlicher) Dramatisierung und Falschdarstellungen auf seine Seite zu ziehen.

Alternative Fakten bei Aktivistengruppe „Hände weg von Schwedeneck“

Lage der Lagerstätte Schwedeneck/-See

Entsprechend hat sich die BI eigene, alternative Fakten zum Vorhaben ersonnen. Sie sollen die „Befürchtungen“ und Unterstellungen, welche unters Volk gestreut sowie an politische Entscheidungsträger sowie Massenmedien herangetragen werden, untermauern. Dass sich dabei teilweise selbst widersprochen wird, fällt den grün angestrichenen Wutbürgern mit gerötetem Zorneskopf nicht auf.

So heißt es auf der Begrüßungsseite u.a., dass der „Ölkonzern DEA für einige Jahrzehnte im Feld Schwedeneck-See fossile Brennstoffe fördert und große Gewinne einstreicht, während die Bevölkerung langfristig für alle Folgen zu haften hat.“ 5)Hände weg von Schwedeneck

Auf der „Fakten“-Seite heißt es jedoch, dass das als noch förderbar angesehene Potenzial „lächerlich gering“ sei und die Einrichtung der Infrastruktur zur Förderung, Aufbereitung sowie des Abtransports per Bahn sich nicht lohnen würde. 6)Fakten: Ölförderung in Schwedeneck?https://haendewegvonschwedeneck.wordpress.com/fakten-2/

Doch wenn das unwirtschaftlich sein sollte, ist es doch fraglich, wie das Unternehmen „große Gewinne“ einstreichen soll.

Doch dafür hat die BI selbstverständlich eine Antwort parat: DEA wolle nicht nur den „Restbestand des Ölvorkommens“ gewinnen, sondern „dass es ihr in Wirklichkeit um die ölreiche Schieferschicht“, welche sich unter der Lagerstätte befinden soll, geht.

Nun, da weiß die die BI „Hände weg von Schwedeneck“ erneut mehr als der versammelte Sachverstand. Denn für den Bereich ist laut Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nicht einmal ein „mögliches Potenzialgebiet Schieferöl“ ausgewiesen 7)https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/Abschlussbericht_13MB_Schieferoelgaspotenzial_Deutschland_2016.pdf;jsessionid=A55E5A826BF8DDC48810DE5735A3020A.1_cid331?__blob=publicationFile&v=5).

Doch damit nicht genug der Faktenfreiheit, Dramatisierung und Widersprüchlichkeit!

Weitere alternative Fakten und unbegründete Mutmaßungen

Vergleich landschaftlicher Impact Erdölförderung und Windkraft. Erdölfeld Aldorf bei Barnstorf. © Steven Arndt

Weiter ist zu lesen, dass selbst eine Ölgewinnung ohne den Einsatz des Fracverfahrens eine „irreversible Schädigung und Zerstörung einer Region bedeuten“ würde. Eine etwa 15-jährige Erdölförderung (zuvor war von Jahrzehnten die Rede, erneuter Widerspruch!) käme einer Verunreinigung des Trinkwassers „für alle Zeiten“ gleich.

Eine absurde Argumentation! Schließlich wurde zwischen 1956 und dem Jahr 2000, also tatsächlich über Jahrzehnte hinweg, aus dem Vorkommen Schwedeneck/-See Erdöl produziert, ohne das die Landschaft nachhaltig und „für alle Zeiten“ verschandelt oder das Trinkwasser verunreinigt wurde. Warum das unter gegenwärtigen, weitaus höheren Anforderungen an Betriebssicherheit und Umweltschutz geschehen soll, bei gleichzeitig geringerem Eingriff in Natur und Landschaft, bleibt offen.

Als weitere „mögliche Risiken“ der Erdölgewinnung werden folgende Punkte angeführt:

  • Versalzung der Landschaft
  • Erdrutsche
  • Erdbeben
  • nachhaltige Schäden für die Umwelt und Zerstörung von Existenzen

Warum die Landschaft „versalzen“ sollte, bleibt erwartungsgemäß ebenfalls offen. Wahrscheinlich wird hier auf Austritte salzhaltigen Lagerstättenwassers angespielt. So etwas kommt leider gelegentlich vor, führt jedoch nicht zu einer großflächigen Versalzung. Schließlich werden solche Probleme durch Monitoring schnell erkannt und beseitigt.

Wie die Ölförderung Erdrutsche hervorrufen soll, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Abgesehen von der Steilküste weist die Region eine recht ausgeglichene Topographie auf. Erdrutsch sind somit lediglich an der Steilküste zu erwarten. Dort treten sie auch regelmäßig auf. Grund ist jedoch nicht die seit 17 Jahren eingestellte Erdölförderung, sondern die abrasive Wirkung der Ostsee. An dieser stelle sei angemerkt, dass sich der größte Betriebsplatz mit insgesamt 11 Bohrungen nur wenige 10er Meter von der Kliffkante entfernt befand (siehe Abbildung).

Erdbeben können zwar infolge der Erdöl-/Erdgasgewinnung induziert werden, jedoch gab es in der Vergangenheit in der Region keine. Warum sich daran etwas wegen einer Menge, die 10 Prozent des bereits gewonnenen Volumens entspricht, ändern sollte, vermögen die Aktivisten nicht zu erklären.

Und zum letzten Punkt: Trotz jahrzehntelanger Erdölgewinnung sowohl onshore wie auch offshore gab es in der Region keine nachhaltigen Schäden für die Umwelt. Existenzen sind auch nicht zerstört worden. Das trotz eines massiveren Eingriffs in Landschaft und Natur als er heutzutage zu erwarten wäre. Logisch, wenn statt 40 Bohrungen nur 3 niedergebracht werden sollen. Doch Logik scheint nicht nur ein Fremdwort sondern gar unsichtbarer Gegner solcher Aktivistengruppen wie der „Hände weg von Schwedeneck“ zu sein.

Schüler gezielt desinformieren und stolz darauf sein

Wie einleitend erwähnt, war es ein Artikel der BI „Hände weg von Schwedeneck“, der den Aufhänger zu diesem Beitrag darstellt. (Fracking in #Schwedeneck? Jugendliche fragen nach)

In der für BI üblichen Arroganz stellt man sich als Allwissend dar und befrachtet diesbezüglich die unbedarften Schüler mit den bereits zuvor beschriebenen absurden Behauptungen, Mutmaßungen sowie Unterstellungen und verkauft diese als „Fakten“. Kern der Angelegenheit ist jedoch nicht primär die geplante Wiedererschließung des Vorkommens Schwedeneck-See, sondern das Hydraulic-Fracturing-Verfahren, umgangssprachlich zu „Fracking“ verballhornt. Dass überhaupt bezüglich dieses bewährten Verfahrens Diskussionsbedarf in SH besteht, ist der Agitation und Propaganda solcher Gruppierungen wie der vorgenannten BI geschuldet.

Bei besagten Schülern handelt es sich um eine 9. Klasse mit MINT-Schwerpunkt. MINT steht dabei für „Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik“. Warum es dafür heutzutage eine Klasse mit diesem Schwerpunkt geben muss, erscheint dem Verfasser rätselhaft. Schließlich war zu seiner Schulzeit vor ca. 20 Jahren eine umfassende MINT-Ausbildung, mit dem „I“ historisch bedingt in Klammern gesetzt, am Gymnasium Standard.

Noch rätselhafter erscheint es mir, warum ein Lehrer einer MINT-Klasse bezüglich des Themas „Fracking“ sich ausgerechnet an eine voreingenommene Bürgerinitiative wendet.  Von einem naturwissenschaftlich und technisch ausgebildeten Lehrer sollte doch stattdessen zu erwarten sein, sich mit Fachleute zu verständigen, welche beispielsweise an den Universitäten Freiberg und Clausthal themenbezogen forschen und lehren. Da dies nicht der Fall ist, bleibt zu vermuten, dass besagter Lehrer der Angelegenhit selbst voreingenommen gegenüber steht.

Für die Bürgerinitiative bietet dieses Vorgehen erwartungsgemäß Anlass, sich selbst zu beweihräuchern und ihre Desinformation an junge, möglicherweise noch recht naive Menschen weiterzugeben.

Grundtenor des Artikels ist „Wir gegen die böse profitgierige Industrie“. Letztere soll angeblich die Fractechnik als „umweltfreundlich“ anpreisen. Das ist faktisch falsch! Sowohl Industrie als auch mit der Angelegenheit vertraute Forschung und Lehre sehen in dem Verfahren kein größeres Risiko als bei anderen technischen Verfahren. Das belegen jahrzehntelange Erfahrungen sowohl im Inland wie auch im Ausland.

Nach Selbstdarstellung im Artikel verkauft die Sprecherin der BI Prof. Dr. Koldau, Professorin für Musikwissenschaften und Kulturgeschichte (!) 8)Linda-Maria Koldau die zuvor beschriebenen Befürchtungen, Mutmaßungen und Unterstellungen als unumstößlichen Fakt. Zudem behauptet sie mit Berufung auf ihren Aktivistenkollegen Dr. Reinhard Knof, das in Schwedeneck „Fracking“ unumgänglich wäre. Schließlich wurde in der Vergangenheit „mindestens 26 Mal gefrackt – bei jeder einzelnen Bohrung“. Ein Beleg für diese Behauptung wird erwartungsgemäß nicht geliefert. Selbst das zuständige, selbst dem Fracverfahren entgegen fachlicher Beurteilung ablehnend gegenüberstehende Ministerium weiß davon nichts. Es bestätigt stattdessen, das die Fracmaßnahmen in ostholsteinischen Lagerstätten, welche vornehmlich im Kreis Plön zwischen 1955 und 1994 vorgenommen wurden, zu keiner Umweltbeeinträchtigung geführt haben.

Aus dem Artikel geht hervor, dass den Schülern eine frage unter den Nägeln brennt. Wie informiere ich mich umfassend zum Thema, welchen Darstellungen kann ich glauben?

Diese Frage ist relativ simpel zu beantworten: Grundsätzlich sollten sämtliche Informationen von Bürgerinitiativen äußerst kritisch hinterfragt werden. Denn BI haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit allen erdenklichen Mitteln die Erdöl- und Erdgasgewinnung im Inland und insbesondere das Fracverfahren in Miskredit zu bringen. Vor Falschdarstellungen, Dramatisierungen oder gar freien Erfindungen scheuen sie dabei nicht zurück, was wieder einmal anhand dieses Beitrages nachgewiesen werden konnte.

Recht fundierte Darstellungen sind hingegen bei den Unternehmen zu erfahren. Hier sind diejenigen tätig, die etwas von der Materie verstehen. Doch der eleganteste Weg der Wissensgenerierung wäre, sich unmittelbar an die Forschenden und Lehrenden der Universitäten zu wenden. Leider ist das von Seiten der Käthe-Kollwitz-Schule Kiel nicht erfolgt. Stattdessen suchten die Schüler Rat bei einer voreingenommenen, mit alternativen Fakten aufwartenden BI. Diese sah sich bestätigt, was aus dem Artikel u.a. anhand folgenden Zitates abzuleiten ist:

Ganz deutlich tritt in der Arbeit der Schüler aus Kiel der eine Wunsch hervor: Wir wollen nicht, dass das Profitstreben von Konzernen und das mangelnde Verantwortungsbewusstsein von Politikern über unsere Umwelt und unsere Lebensbedingungen bestimmen.

Dass dieser Wunsch der Realität diametral gegenübersteht, ist nach Ansicht des Verfassers im Beitrag klar und deutlich herausgestellt worden. Hände weg von Schwedeneck? Hände weg von mit alternativen Fakten und Desinformationen aufwartenden Seiten wie von dieser Bürgerinitiative.

Artikelfoto: Bohr- und Förderinsel Mittalplate A-1 vor der westholsteinischen Küste. ©sukrams

Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis
1Erdölförderung 1932-1996
2Erdölförderung Schwedeneck-See im Rückblick
3Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2000
4RWE-Dea AG: RWE Dea Wiedererschließung von Altfeldern in Schleswig – Holstein
5Hände weg von Schwedeneck
6Fakten: Ölförderung in Schwedeneck?https://haendewegvonschwedeneck.wordpress.com/fakten-2/
7https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/Abschlussbericht_13MB_Schieferoelgaspotenzial_Deutschland_2016.pdf;jsessionid=A55E5A826BF8DDC48810DE5735A3020A.1_cid331?__blob=publicationFile&v=5).
8Linda-Maria Koldau