„Leidet Gasbranche unter Fracking-Verbot?“ fragt der NDR

Zunächst eins Vorweg: Es gibt weder in Niedersachsen noch in Deutschland ein Verbot des Hydraulic Fracturing. Lediglich werden in Niedersachsen seit über zwei Jahren keine Genehmigungen mehr erteilt, was mit der öffentlichen, oftmals insbesondere von Bürgerinitiativen emotional geführten Diskussion, zusammenhängt sowie mit einer genehmigungserschwerenden Weisung des ehemaligen niedersächsischen Wirtschaftsministers Bode (FDP). An der Gesetzeslage, nach der bis 2011 Fracmaßnahmen genehmigt wurden, hat sich hingegen nichts geändert.
Ursächlich für die öffentliche Debatte ist der in mehrfacher Hinsicht als unwahr enttarnte Film „Gasland“ des US-amerikanischen Filmemachers Josh Fox. Dramatische Bilder, z.B. von entflammbaren Wasserhähnen, die angeblich Erdgas enthielten, das durch Fracarbeiten in Hausbrunnen gelangt sei, wurden unkritisch als wahre Ereignisse auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt.
Hinzu kamen Aufnahmen von Anwohnern, die angeblich mit im Fracfluid enthaltene Chemikalien kontaminiertes, bräunliches Wasser in die Kamera hielten. Davon beeindruckte Mitmenschen gründeten umgehend Bürgerinitiativen in münsterländischen bzw. emsländischen Ortschaften, in denen Bohrungen auf Kohleflözgas bzw. Schiefergas zu Erkundungszwecken angesetzt werden sollten bzw. bereits durchgeführt worden. Einige Bohrungen waren zu diesem Zeitpunkt bereits seit 2008 abgeteuft worden.
Obwohl Josh Fox vor laufender Kamera eingestand, Kenntnis davon gehabt zu haben, dass die gezeigten Wasserhähne durch natürlich zugetretenes Methan entzündbar waren und in dem Örtchen Dimock, in dem die Bilder mit dem angeblich kontaminierten Wasser keine Fracchemikalien gefunden wurden, war es für eine sachlich geführte Diskussion bereits zu spät. Dazu weiter unten mehr. Zunächst noch ein Zitat aus dem Abschlussbericht der Environmental Protection Agency (EPA) zu den Brunnenuntersuchungen in Dimock:
Overall during the sampling in Dimock, EPA found hazardous substances, specifically arsenic, barium or manganese, all of which are also naturally occurring substances, in well water at five homes at levels that could present a health concern.
Arsen, Barium sowie Mangan sind keine Bestandteile von Fracfluiden!
Befeuert wurde die Diskussion in Deutschland auch durch zahlreiche Medien, insbesondere in Niedersachsen. Dort ist ungefähr zeitgleich eine im Jahr 2007 aufgetretene und Ende 2010 in Sanierung befindliche Havarie an ein Lagerstättenwasserleitung an den NDR herangetragen worden. Dieser thematisierte in einem mit dramatischer Musik unterlegten Beitrag in der sendung „markt“ die Sanierung.
Dieser hatte kurz zuvor im Rahmen des ARD-Formates „Panorama“ den ExxonMobil-Sprecher Norbert Stahlhut hinsichtlich der u.a. in „Gasland“ gezeigten angeblichen Eeignisse interviewt. Dieser antwortete, dass die Firma inkl. Vorgängergesellschaften seit 50 Jahren „sicher und störungsfrei“ Erdgas fördere. Im bereits genannten „markt“-Beitrag wurde dann Herr Stahlhut dann der dreisten Lüge vor der Kamera bezichtigt. Nun ist aber der Transport von Lagerstättenwasser (LSW) nicht unmittelbar der Prozess Erdgasförderung selbst, so dass der NDR über das Ziel hinausgeschossen ist. Hinzu kommt, dass ExxonMobil vorgeworfen wurde, den Vorfall vertuscht zu haben. Dieser Vorwurf ist insofern unhaltbar, da im Beitrag eine Informationstafel gezeigt wurde. Ein nach Ansicht des Verfassers gezeigter Anruf der NDR-Journalistin bei einer der aufgeführten Telefonnummern erscheint fingiert. Die Sanierungsstelle ist übrigens bei GoogleEarth gut erkennbar und befindet sich unmittelbar neben einer Straße, was den Vorwurf der Vertuschung noch absurder erscheinen lässt (Koordinaten 53°02’51“ N; 9°35’38“ E). Dort bei GoogleEarth ist sogar ein Foto verlinkt, das die sanierte Stelle zeigt.
In der Folge des Vorfalles wurden weitere auf das unmittelbare Umfeld von Polyethylen-Leitungen Benzolkontaminationen an Leitungen zum Transport von LSW, untergeordnet aber auch Erdöl sowie Erdölgas festgestellt und von einigen Medien teilweise dem Hydraulic Fracturing zugeschoben, worauf sich z.B. die Bürgerinitiative „No Fracking“ in Völkersen und umzu bildete. Da die dortigen Vorkommnisse nicht auf Hydraulic Fracturing zurückzuführen sind, gab sich die BI einen irreführenden Namen, was sehr wahrscheinlich auf die mediale Desinformation zurückzuführen ist.
Aber auch bei Rotenburg gründete sich eine BI mit dem seltsam anmutenden Namen „Frackingfreies Gasbohren“. Dort wurde 2010 die Bohrung „Bötersen Z11“ abgeteuft, bei der Fracmaßnahmen geplant sind. Ein erster, noch vor der Weisung von Minister Bode Antrag wurde nicht bearbeitet und nach der Weisung als nicht genehmigungsfähig zurückgewiesen. Juristisch erscheint dem Verfasser vor dem Hintergrund des Rückwirkungsverbotes dieser Vorgang als äußerst fragwürdig.
Diese BI fiel mehrfach durch unangemessenes Verhalten auf (LINK1; LINK2) und verunsichert proaktiv die umliegende Bevölkerung. Zuletzt durch Jochen Richert, der vor Eigenheimbesitzern einen Vortrag hielt, um vor den angeblichen Gefahren der LSW-Versenkung in aufnahmefähige Horizonte zu „informieren“
Irgendwann, so Richert, erreiche, bei welcher Fließgeschwindigkeit auch immer, dass mit Gift beladene Lagerstättenwasser unterirdische Bereiche, die dann für die Gesundheit des Menschen gefährlich werden können.
Richert hat allerdings nicht erläutert, warum das Salzwasser der Formation, in die das LSW versenkt wird, bisher nicht die entsprechenden Bereiche erreicht hat. Und das über 10.000e von Jahre hinweg. Jedenfalls geht das aus dem entsprechenden Artikel bei der KreiszeitungOnline nicht hervor.
Bis hierher also zum Hintergrund der breiten Ablehnung des bewährten Hydraulic Fracturing soger über eine potenzielle Schiefergasgewinnung hinaus. Für die Ablehnung sind, wie dargestellt, nicht nur der Film „Gasland“ und entsprechende Berichte darüber verantwortlich zu machen, sondern auch voreingenommene BI, sowie desinformierende und dramatisierende Beiträge u.a. auch des NDR.

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z4 ©chef79
Und nun stellt ausgerechnet dieser Sender die Frage, ob der derzeitige Bearbeitungsstopp von Anträgen für Fracmaßnahmen der Gasindustrie schade. Ein gesetzlich festgeschriebenes Moratorium existiert nicht und erst recht kein Verbot. Die Frage ist somit nicht zu beantworten. Dass unterstreicht gleich zu Beginn die mangelhafte Recherche des NDR und das Niveau verbessert sich auch nicht wirklich im Verlauf des Artikels:
Fracking ist ein Kampfbegriff. Zwar ist die Fördermethode für Gas nicht neu, doch seitdem Unternehmen damit auch Schiefergas fördern, ist das Wort negativ besetzt.
Zunächst einmal ist „Fracking“ kein Kampfbegriff, sondern eine Verballhornung des Begriffes Hydraulic Fracturing. Es ist auch falsch, dass das Wort grundsätzlich negativ besetzt ist. Das mag zwar in einigen Kreisen seit der Publikation von „Gasland“ der Fall sein, den bis heute viele Menschen für voll nehmen (man muss nur durch die Internetforen rund ums Thema stöbern), aber das der Begriff generell negativ besetzt ist, seitdem das Verfahren eingesetzt wird, um Erdgasförderung aus extrem dirchtem Schiefergestein zu ermöglichen, ist eine haltlose Behauptung unseriösen Journalismus.
Insbesondere in den USA ist der Begriff durchaus positiv besetzt, schließlich ermöglichte die umfangreiche Erschließung von Schiefergas- und seit einigen Jahren auch Schieferöllagerstätten nicht nur eine größere Importunabhängigkeit der USA, sondern führte gerade in eher ländlichen Gegenden für ein Jobwunder (Interessante Seite des „Telegraph“). Und ganz nebenbei, ohne größere Anstrengungen reduzierten die USA erheblich ihre Emissionen von Kohlendioxid, das für eine vom Menschen verursachte Klimaerwärmung verantwortlich gemacht wird . Hier zu letzterem ein Artikel aus dem „Economist“ mit der Schlagzeile „Some fracking good news“ . Negativ ist das nicht gerade.
Schließlich gibt es genügend Studien, die einen Zusammenhang von Fracking mit massiver Umwelt- und Naturzerstörung sehen.
Schade, dass der NDR nicht verrät, um welche Studien es sich handelt. Im übrigen setzen Umweltgruppen gerne den Gesamtprozess der Schiefergasproduktion mit „Fracking“ gleich, obwohl Hydraulic Fracturing nur ein Teil dieses Prozesses ist, wenn auch der entscheidende. Tatsache ist, dass der Gesamtprozess der Schiefergasproduktion hinsichtlich Umweltgefährdung diskutiert wird. Einen guten, wenn auch nicht vollständigen Überblick liefert dazu die Shale Gas Information Platform des GFZ Potsdam. Dass es Studien gibt, die einen eindeutigen Zusammenhang zwischen „Fracking mit massiver Umwelt- und Naturzerstörung“ sehen, ist schlicht unwahr.
Als Beweis soll anscheinend folgender Satz dienen:
In den USA werden beispielsweise große Mengen von Chemie in den Boden gepumpt, um das Gas zu fördern.
„Chemie“ ist eine Naturwissenschaft, die kann nicht in den Boden gepumpt werden. Der Autor meint wahrscheinlich Chemikalien, die in sehr geringen Konzentrationen dem Wasser zugesetzt (deshalb auch „Additive“ genannt) werden. Nun sind zum einen Chemikalien nicht grundsätzlich etwas schlechtes. Zum anderen dienen sie auch nicht dazu, das Gas zu fördern, sondern den Fracprozess, also die durch hydraulischen Druck erzeugte Rissbildung und vor allem den Transport von Stützmitteln (Sand oder hochfeste Keramikkügelchen sowie Schwerminerale) in die Risse zu ermöglichen. Zum Fracprozess sowie den Aufgaben der Additive wird industrieunabhängig auf fracfocus.org, einer Seite des Groundwater Protection Council, informiert.
Doch der Protest dagegen hat dazu geführt, dass es bislang keine klare gesetzliche Regelung in Deutschland gibt.
Auch das ist Unsinn! Hydraulic Fracturing ist eine seit 1961 in Erdgaslagerstätten angewandte Stimulationsmethode. Und der Genehmigungsprozess solcher Stimulationsmethoden wird im Einklang mit anderen Rechtsgebieten, wie z.B. dem Wasserrecht oder dem Umweltrecht, über das Bundesberggesetz sowie entsprechender hinzuzuziehender Verordnungen geregelt. Zur Genehmigung einer Fracmaßnahme muss ein entsprechender Sonderbetriebsplan durch das Unternehmen vorgelegt werden.
Dass Fracking bislang jedoch nicht wirtschaftlich genutzt werden kann, schade der ganzen Branche, so Joachim Pünnel vom Gas-Unternehmen Wintershall mit Sitz im Landkreis Diepholz.
Das hat Herr Pünnel so ganz bestimmt nicht gesagt! Schließlich wird das Fracverfahren seit 1961 zur Erdgasgewinnung wirtschaftlich genutzt. Vielmehr gilt, dass das Moratorium ohne Gesetzesgrundlage seit 2011 dazu geführt hat, dass selbst in Lagerstättentypen, in denen die Anwendung des Fracverfahrens genehmigungsfähig war, seitdem nicht mehr genehmigt wird und damit der natürliche Förderabfall stärker ausfällt, als mit Anwendung des Verfahrens.
Schließlich ist z.B. die Anwendung in den bereits schon erfolgten Bohrungen „Düste Z10“ (Wintershall) bei Barnstorf sowie „Bötersen Z11“ bei Rotenburg (W.) zwingend erforderlich, um Erdgas wirtschaftlich gewinnen zu können. Beide Bohrungen sind vor und/oder mit Aufkeimen rund um die Debatte im Vertrauen abgeteuft worden, dass Genehmigungen wie gewohnt der Gestzeslage entsprechend gefract werden können und sich nicht nach Umsetzung der jeweils 15-20 Millionen teuren Bohrungen plötzlich die Lage ändert. Wobei der Verfasser der Ansicht ist, das Ex-Wirtschaftsminister Bode aus rein wahlkampftaktischem Kalkül die in der Einleitung genannte Weisung erteilt hat. Infolge der Weisung erarbeitete die zuständige Behörde einen Katalog mit Mindestanforderungen. Das muss man sich mal überlegen: Einzelmaßnahmen sehr teurer Projekte, die bisher genehmigt wurden und allein deren Anwendung für den Erfolg des Gesamtprojektes entscheidend ist, werden von hier und jetzt und ohne das der Projektdurchführende es erahnen kann, nicht mehr gestattet. Das gibt es kaum ein zweites Mal.
Rund 100 Millionen Euro Investitionen gingen durch das Verbot und die damit zusammenhängende pauschale Verurteilung der Erdgas-Förderungsbranche verloren, so Pünnel.
Und nicht nur das: Durch den rapideren Förderabfall und einem Reservenverlust gehen dem Land Niedersachsen Jahr für Jahr hunderte von Millionen Euro verloren. Geld, dass auch in Niedersachsen dringend benötigt wird. Allein 2012 zahlte die Erdöl-/Erdgasbranche 746,9 Mio. € Förderabgabe, davon allein für Erdgas 695,4 Mio. (Quelle). Und für die pauschale Verurteilung ist nach Meinung des Verfassers zu nicht unwesentlichen Teilen u.a. auch der NDR mit seiner dramatisierenden Berichterstattung und seinen Falschdarstellungen, wie auch erneut in dem hier kommentierten Beitrag, mitverantwortlich. Teile der Bevölkerung sind inzwischen so verunsichert, dass sich selbst gegen ganz normale Erkundungsbohrungen gewehrt wird, wie z.B. in Intschede.
Und um die inhaltlich nicht korrekt formulierte Frage zu beantworten: Es leidet sicherlich auch die Erdgasförderbranche unter der Stigmatisierung der einheimischen Erdgasförderung. Aber es leiden auch zwhlreiche Serviceunternehmen. Insbesondere leidet aber das Land Niedersachsen, wenn auch gegenwärtig noch nicht so dramatisch wie in den nächsten Jahren. Bisher konnte der Förderabfall durch eine permanente Erhöhung der Förderabgabe finanziell kompensiert werden. Doch die gesetzlich zulässige Obergrenze von 40 Prozent ist fast erreicht. 2013 waren es bereits 37% (2010: 32 %; 2000: 17%; Quelle: Jahresberichte des WEG* )
* WEG= Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.
Link zum NDR-Beitrag: Leidet Gasbranche unter Fracking-Verbot?