Acatech-Empfehlungen zu Fracking-Gesetzen – Kein Trommeln für das Verfahren
Am 5. Juni 2015 erschien bei SpiegelOnline (SPON) ein Artikel, der sich mit einer Stellungnahme der acatech − DEUTSCHE AKADEMIE DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN zu der geplanten gesetzlichen Erschwerung heimischer Erdgasgewinnung befasst. Der Spon-Artikel ist mit „Umstrittene Gasförderung: Merkels Berater trommeln fürs Fracken„ recht reißerisch überschrieben. Grund genug, sich selbst mit der Stellungnahme zu befassen.
Dass es sich bei der acatech um ein Beratergremium der Kanzlerin handeln soll, ist neu und wird umgehend im Artikel damit relativiert, dass lediglich der Präsident Henning Kagermann ein Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel ist. Acatech sieht u.a. als Ziel seiner Arbeit vielmehr die Beratung der Politik allgemein sowie der Öffentlichkeit. An die Oberflächlichkeit bei SPON hat man sich leider inzwischen gewöhnt. Doch nun zur Stelungnahme von acatech zu den geplanten Gesetzesverschärfungen der Bundesregierung:
Acatech begrüßt zunächst den Gesetzesentwurf, da dieser „unter anderem eine rechtliche Grundlage für künftige Erprobungsmaßnahmen zu Forschungszwecken“ im Zusammenhang mit Hydraulic Fracturing schaffe. Ein vollständiges Verbot des Verfahrens lehnen die Wissenschaftler stattdessen ab:
Ein generelles Verbot von Hydraulic Fracturing ließe sich auf Basis wissenschaftlicher und technischer Fakten nicht begründen. Wichtig sind in der gegenwärtigen Situation wissenschaftlich begleitete Pilotprojekte, sowohl für die Schiefergasförderung als auch für die petrothermale Geothermie, da beide Energieträger eine Brückenfunktion für die Energiewende übernehmen können. Forschungen zur potenziellen Erschließung von Schiefergas oder Erdwärme (Tiefengeothermie) durch Fracking sollten jedoch strengen Sicherheitsstandards folgen.
Mit der Ablehnung eines generellen Verbotes schließt sich acatech den Ansichten weiterer Institutionen wie den Staatlichen Geologischen Landesdiensten (SGD), der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie mehrerer teilweise von dem des Bundesumweltministeriums untergeordnetem Umweltbundesamt (UBA) beauftragter Gutachten an. Mit der „gegenwärtigen Situation“ ist wahrscheinlich die emotional aufgeheizte der Debatte angesprochen, die Folge des Filmes „Gasland“ ist und zusätzlich von Einheizern in Redaktionen sowie insbesondere Umweltgruppierungen und weiterer NGO verstärkt wird.
Hydraulic Fracturing im Speziellen sowie die Erdgasförderung allgemein unterliegt bereits heute strengen Sicherheitsstandards. Größere Unfälle, bei denen Menschen zu Schaden kommen oder die Umwelt großflächig und längerfristig beeinträchtigt wird, sind sehr selten.
Es wird vorgeschlagen, ein „lückenloses Sicherheitskonzept“ zu implementieren, von der Vorerkundung der Bohrstelle über eine kontinuierliche Überwachung des Betriebs bis hin zur Beendigung der Maßnahme. Als Instrumente sollen 3D-Modell des geologischen Untergrunds, Monitoringsystem und „Well-Integrity-Management“ dienen.
Dieser Vorschlag dürfte unproblematisch umzusetzen sein, da bereits in der Gegenwart dreidimensionale Modelle des geologischen Untergrundes im Rahmen der Exploration erzeugt werden sowie die Integrität von Bohrlöchern überwacht wird. Teilweise werden im Zuge von hydraulischen Stimulationen ohne rechtliche Verpflichtung Monitorings der Grundwasserqualität durchgeführt. Als Beispiel sei die Erdölbohrung „Barth 11“ angeführt, in der im Sommer 2014 auf der ca. 1.000 Meter langen Horizontalstrecke 10 Framaßnahmen durchgeführt worden sind (CEP Fakten-Check).
Zusätzlich wird nachdrücklich empfohlen, „geologische/geophysikalische Vorerkundung der Bohrlokation, die Durchführung einer standortbezogenen Risikobewertung und die Erstellung eines 2-D/3-D-Modells des Untergrundes“ in den Gesetzesentwurf aufzunehmen. Abgesehen von der standortbezogenen Risikobewertung, wobei die Frage offen bleibt mit welchem Bezug diese erfolgen soll, sind die anderen beiden Methoden bereits seit längerer Zeit Standard in der Exploration von Erdöl, Erdgas und Tiefengeothermie. Diese Methoden dienen der Minimierung des Fundrisikos.
Gegen die Entwicklung eines seismischen Überwachungskonzeptes, wie außerdem vorgeschlagen, ist nichts einzuwenden. Eine seismische Überwachung des Fracvorgangs ist technologischer Standard und dient der Überwachung der Rissausbreitung. Die vorgeschlagene Ermittlung eines Basiswertes vor Bohr- und insbesondere Fracarbeiten erscheint sinnvoll. Dadurch kann sicher ermittelt werden, ob es in dem Gebiet bereits „Bodenunruhe“ vorkommt oder ob diese, und wen ja in welchem Umfang durch Fracarbeiten induziert wird.
Statt, wie vorgesehen, eines Expertengremiums, dass sich zum Teil aus Vertretern von Bundes- und Landesbehörden zusammensetzt (BGR, UBA, ein Vertreter eines SGD) und durch Vertreter von Forschungsinstituten vervollständigt wird, schlägt acatech ein Gremium aus unabhängigen Fachleuten vor. Begründet wird dieser Vorschlag damit, dass die Behördenvertreter Ministerien unterstellt sind, somit nicht unabhängig und deshalb die Neutralität und Objektivität wahrscheinlich durch die Öffentlichkeit nicht anerkannt wird.
Es ist richtig, dass von den organisierten „Fracking“-Gegnern die angedachte Expertenkommission nicht akzeptiert wird. Sie wird von ihnen sogar als antidemokratisch und verfassungsfeindlich angesehen. Der Grund dafür soll sein, dass die Kommission angeblich Entscheidungskompetenz habe. Nur das ist aus einer Erläuterung des Bundesumweltministeriums nicht abzuleiten.
Vor diesem Hintergrund sollten in der Kommission möglichst keine Behördenmitarbeiter vertreten sein. Die Expertise, insbesondere der BGR muss dennoch gewürdigt werden, ebenso mit gewissen Einschränkungen, die der Gutachten im Auftrag des UBA. Mit Einschränkungen deshalb, weil vor allem die Autoren des ersten UBA-Gutachtens wenig über Expertise des tieferen Untergrundes verfügten.
Gegenwärtig verfügt laut acatech die Industrie über ein Portfolio von 30 Additiven, von denen je Fluidgemisch nur eine „handvoll“ zur Erschließung von Tightgas-Lagerstätten verwendet wird. Diese Stoffgemische (acatech hat an dieser Stelle offensichtlich „Additive“ mit „Fracfluide“ verwechselt) sind „nach derzeitiger Rechtslage uneingeschränkt genehmigungsfähig. Sie sind nicht giftig, nicht umweltgefährlich und stellen mit einer maximalen Wassergefährdungsklasse 1 auch keine Gefahr für das Grundwasser dar.“ In Fluiden für Schiefergaslagerstätten liegt die Anzahl sogar darunter, es „erscheint eine Reduzierung auf zwei bis drei Additive möglich, die nicht giftig, nicht umweltgefährlich und nicht wassergefährdend sind.“
Leider wird diese Entwicklung von Gegnern und weiten Teilen der Politik völlig ignoriert. Stattdessen wird auf dem Stand von 2011 und Jahrzehnten davor diskutiert. Zwar waren Fluide damals auch nicht giftig oder umweltgefährdend, aber sie konnten je nach Rezeptur durchaus reizende Wirkungen bezüglich Haut, Augen oder Atemwegen haben.
Trotz der Unbedenklichkeit empfiehlt acatech:
- Offenlegung aller Additive und relevanten Daten (Sicherheitsblätter) sowie weitere Reduktion der Additive und Ersatz von potenziell schädlichen Zusätzen und
- Verbot von Frac-Fluiden der Einstufung giftig, umweltgefährlich und höher als schwach wassergefährdend.
An der Optimierung der Fracfluide arbeitet die Industrie bereits seit Implementierung der Frac-Technologie, wozu auch die Eliminierung schädlicher Substanzen zählt. Der Forderung der Offenlegung kommt die Industrie bereits nach, nicht nur in Deutschland. Punkt zwei der Forderung ist überflüssig, da solche Fluide entweder überhaupt nicht existieren bzw. seit Jahren nicht mehr verwendet werden.
Den Vorschlägen zur Diskussion zu Grundwasser und Trinkwasser ist nichts hinzuzufügen. Korrekt ist der Hinweis, dass in Schiefergasvorkommen nicht mit Lagerstättenwasser zu rechnen ist. Während konventionelle Lagerstätten von freiem Wasser im Regelfall unterlagert werden und dieses Wasser im Laufe der Förderung verstärkt mitgefördert wird, bis die Bohrung letzten Endes vollständig verwässert ist und aufgegeben wird, kann in Schiefergaslagerstätten, in denen nicht einmal Gase frei fließen können, kein Wasser eindringen.
Deutlich kritisiert wird die willkürliche 3.000-Meter-Teufengrenze, oberhalb derer eine kommerzielle Erdgasgewinnung aus Schiefergaslagerstätten verboten werden soll. Diese Einschränkung lasse sich weder naturwissenschaftlich noch technisch begründen.
Stattdessen wird eine standortbezogene Tiefenfestsetzung vorgeschlagen. Dabei sollen sowohl der geologischen Strukturbau als auch die Beschaffenheit der Deckschichten und die Tiefenreichweite der nutzbaren oberflächennahen Grundwasser vorkommen berücksichtigt werden. Nach Ansicht der Wissenschaftler sollte dabei ein vertikaler Sicherheitabstand von 1.500 Meter eingehalten werden.
Woher dieser Sicherheitsabstand herrührt, wird nicht erläutert. Das im Rahmen des InfoDialogprozesses von ExxonMobil erstellte „Gutachten zur Abschätzung der Auswirkungen von Fracking- Maßnahmen auf das oberflächennahe Grundwasser – Generische Charakterisierung und Modellierung“ wurde, sieht einen Sicherheitsabstand von 1.000 Metern zwischen Injektionsbereich und Geländeoberkannte bzw. von 600 Metern zwischen Injektionsbereich und tiefliegendem Süßwasser für vollkommen ausreichend an.
Abschließend empfiehlt acatech aufgrund der Vorbehalte in Teilen der Bevölkerung gegenüber Hydraulic Fracturing eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit bereits frühzeitig. Darüber hinaus wird empfohlen, eine auf Dialog ausgerichtete Kommunikation anzustreben, die die unmittelbar betroffenen Bürger sowie die Gemeinden einbezieht. Zudem solle der Vorhabensträger im Vorfeld in einem förmlichen Beteiligungsverfahren über das geplante Projekt sowie dessen mögliche Auswirkungen informieren und Anregungen und Bedenken mit den Bürgern erörtern und in den weiteren Planungsprozess einbeziehen.
Sicherlich ein hehrer Vorschlag in seiner Gesamtheit, jedoch ist die Umsetzung fraglich. Denn bisherige Erfahrungen haben gezeigt, dass viele Bürger nicht am Dialog interessiert sind. Argumente der Unternehmen werden häufig zurückgewiesen und stattdessen dominieren solche Dialogveranstaltungen Befürchtungen und Ängste, bei denen man sich gelegentlich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass diese der Phantasie entsprungen sind. Diesen Eindruck gewinnt man als Außenstehender zumindest aus Presseartikeln, in denen solche bereits stattfindenden Dialogbemühungen thematisiert werden.
In der Gesamtheit erscheinen die Vorschläge und Empfehlungen durchaus sinnvoll. Einige wären nicht notwendig gewesen, da sie bereits in den vergangenen Jahren Standard im Rahmen der Kohlenwasserstoffexploration sowie bei der Durchführung von Bohr- und Fracvorhaben sind. Einigen Vorschlägen fehlt eine plausible Grundlage bzw. werden sie schwierig umzusetzen sein. Ein „Trommeln für Fracking“, wie von SPON dargestellt, lässt sich aus den Empfehlungen nicht ableiten. Vielmehr wird eine vorsichtige Herangehensweise an Forschungsvorhaben empfohlen. Möglicherweise genügt es einigen Journalisten bereits, die Zurückweisung eines unbegründeten „Fracking“-Verbotes als Werbung ohnr Vorbehalte zu interpretieren.