Auslassen und Dramatisieren – Der NDR über angebliche Folgen der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland
Vor etwas mehr als sechs Jahren versuchte der NDR mit einem Beitrag im Rahmen des Verbraucherschutzmagazins „Markt“, die inländische Erdgasindustrie mit einem vermeintlichen Vertuschungsskandal zu belegen. Seitdem gab es in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen weitere Skandalisierungsversuche, die sich bei genauerer Betrachtung als an den Haaren herbeigezogen herausstellten. Beispielhaft seien hierbei die Suggestion ohne Anführung plausibler Belege, Erdgasförderung im Raum Rotenburg könne für vermehrte Blutkrebserkrankungen verantwortlich sein sowie ein herbeigeredeter Bohrschlammskandal, erwähnt. Daneben gab es zahlreiche andere Beiträge, welche im Regelfall durch Spekulationen zu meist angeblichen Folgen der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland gekennzeichnet waren.
Eine öffentlich-rechtliche Anstalt als Sprachrohr für Bürgerinitiativen?
Regelmäßig entstandt dabei der Eindruck, dass sich der NDR dabei als Sprachrohr für Gegner der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland gerierte. Denn wiederholt waren in den entsprechenden Beiträgen entweder Vertreter von Bürgerinitiativen (BI) oder Umweltschutzgruppierungen als Stichwortgeber oder vermeintlich betroffene Anwohner präsent. Prominentestes Beispiel dürfte hierbei Herr Andreas Rathjens aus Groß Meckelsen im Landkreis Rotenburg (Wümme) sein. Dabei liegt der Ort außerhalb jeglicher Erdöl- und Erdgasgewinnung. Das hielt den NDR jedoch nicht davon ab, Rathjens zunächst regelmäßig als „Anwohner“ zu bezeichnen. Nachdem das aufgrund der regelmäßigen Auftritte an unterschiedlichsten Orten unglaubwürdig wurde, erhielt der reisefreudige Herr neue Bezeichnungen.
Aber auch andere Vertreter aus Kritikerkreisen waren regelmäßig zu sehen. Zur wissenschaftlichen Untermauerung kamen zudem Personen zu Wort, die zuvor auf von BI organisierten Veranstaltungen ihre Einschätzungen ablieferten. Wissenschaftler, die weder von der gescholtenen Industrie noch von den BI engagiert wurden, sind nicht konsultiert worden. Dadurch verstärkte sich der Eindruck, dass ein mehr oder weniger festes Netzwerk zwischen NDR, Bürgerinitiativen und einzelnen Wissenschaftlern geknüpft wurde. Dieser Eindruck bestätigte sich im aktuellen Beitrag „Die Tricks der Öl- und Gaskonzerne – Verschmutzen und verharmlosen“, welcher im Folgenden ausführlich diskutiert werden soll. Die Vermutung, dass im Wesentlichen alter Wein in einem neuen Schlauch kredenzt wird, bestätigte sich gleichermaßen.
Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland unauffällig in der Landschaft – Welch Skandal!
Die „Spurensuche“ des dramatisch eingeleiteten Beitrages beginnt bei Hamburg. Jo Hiller konfrontiert auf einem Parkplatz eines Gartencenters Kunden mit Fotos, die eine nur 100 Meter entfernte Erdölförderbohrung darstellen. Diese zeigen sich erstaunt, dass quasi vor ihren Augen, aber dennoch nicht sichtbar, Erdöl gewonnen wird. Das ist doch wirklich skandlös, dass Erdölförderung in Deutschland sich anstandslos unauffällig in die Umgebung integriert.
Viele Mitbürger ahnten nicht, dass zur Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland hunderte Plätze existieren, heißt es sinngemäß im weiteren Verlauf. Als Beleg wird eine Karte eingeblendet, die aktive Erdöl- und Erdgasfelder darstellen soll. Einige Zufallstreffer sind sicherlich dabei, aber korrekt ist die Darstellung definitiv nicht. Während südlich von Bremen Erdgasfelder fehlen, tauchen im Dreieck der Autobahnen A7/A1/A27 Erdölfelder auf, die einfach nicht existieren. Westlich der Ems werden gar nur zwei Erdölfelder dargestellt, obwohl es mit Emlichheim, Rühlertwist/Rühlermoor, Adorf, Scheerhorn, Ringe, Georgsdorf insgesamt sechs an der Zahl sind. Dieser journalistische Dilettantismus ist erschreckend aber leider charakteristisch für solche Dokumentationen!
Lagerstättenwasser und dessen Entsorgung am Standort Wittorf Z1
Bei der Erdöl- und Erdgasförderung entstünde laut Dokumentation ein „flüssiges, giftiges Abfallprodukt, dass neben Wohnhäusern wieder in die Erde gepresst wird.“
Gemeint ist hierbei das Lagerstättenwasser (LaWa), welches oftmals zwar hochgradig salzig ist und auch einige giftige Stoffe enthalten kann, jedoch nicht enthalten muss. Es kommt immer auf die Lagerstätte an, ob die von Hiller als zwingend enthalten angeführten Stoffe tatsächlich Bestandteil sind oder nicht. Entscheidend ist jedoch letztendelich die Konzentration. Dieses LaWa entsteht nicht bei der Förderung, wie von Hiller behauptet, sondern es fällt als natürlicher Begleiter an. Wodrin das Problem bestehen soll, dieses natürliche Stoffgemisch aus der Tiefe wieder in die Tiefe zu leiten, vermag die Dokumentation, wenig überraschend, nicht zu erklären.
Stattdessen wird bezugnehmend auf die von der DEA – Deutsche Erdöl AG (DEA) betriebene Anlage „Wittorf Z1“ behauptet, dass „Konzerne“ das Recht hätten, Grundstücke nach Gutdünken zu nutzen und nach Ansicht des Eigentümers Euhus „machen könnten, was sie wollen“. Eine dreiste Lüge, nein, eigentlich gleich derer zwei vor der Kamera, um im Jargon von Hiller und Co. einige Jahre zuvor zu verbleiben. Der Grundeigentümer muss nämlich zustimmen, dass auf seinem Grund gebohrt werden darf. Dazu ist eine Verpachtung erforderlich, die durchaus abgelehnt werden kann.
So fand die RWE-Dea, heute DEA, vor ca. vier Jahren keinen Bohrplatz zum Abteufen der Erkundungsbohrung „Daverden Z1“, weil sich nach erfolgreicher Stimmungmache und Druck der lokalen BI aus Intschede, u.a. begleitet vom NDR, kein Grundeigentümer fand, eine entsprechende Fläche bereitzustellen. Hier eine Präsentation zum Vorhaben LINK. Weitere Artikel von uns mit weiterführenden LINKS gibt es hier: Widerstand gegen Bohrung Daverden Z1
Ebenso ist die Behauptung des Verpächters, wie zuvor angemerkt, falsch, dass die Unternehmen auf den gepachteten Flächen „machen können, was sie wollen“. Denn sämtliche Arbeiten sind mindestens der zuständigen Aufsichtsbehörde(n) anzuzeigen, oftmals bedürfen sie gar einer Genehmigung durch diese. Ferner wird behauptet, dass der Verpächter festgestellt habe, dass seine Wiese mit Quecksilber belastet wurde. Ein Beleg für die Behauptung? Sie ahnen es, lieber Leser, Fehlanzeige!
Lagerstättenwasser und dessen Entsorgung am Standort Gilkenheide Z1
Diese Behauptung wird hinsichtlicht der Versenkbohrung Gilkenheide Z1, betrieben von ExxonMobil, mit folgenden Worten wiederholt: „Rund um die Versenkbohrung ist Boden auch hier mit Quecksilber verseucht“ . Eine Quelle für diese Aussage wird natürlich nicht geliefert. Tatsächlich gab es an dem Betriebsplatz eine umfassende Bodenuntersuchung auf Veranlassung des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Hier ein Auszug aus dem entsprechenden Gutachten (Hervorhebungen durch Verfasser):
Auf Grundlage der Beprobungen vor Ort und der vorliegenden Analyseergebnisse wurden auf Grundlage der heranzuziehenden Prüf-/Maßnahmenwerte der BBodSchV /1/ keine schädlichen Bodenveränderungen oder Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen für den Wirkungspfad Boden Mensch ermittelt. Der Wirkungspfad Boden Nutzpflanze ist hier ohne Relevanz. Der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast ist ausgeräumt.
Die Aussage Hillers ist demnach offensichtlich seiner blühenden Phantasie entsprungen.
Um dennoch die vermeintliche Gefahr zu belegen, die von dem Platz ausgehen soll, hat Hiller im Beisein des aus verschiedenen anderen Beiträgen zum Thema Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland bekannten Andreas Rathjens, eine Bodenprobe entnommen. Diese jedoch nicht etwa aus einem Bereich mit natürlicher Bodenbildung, sondern aus einem Versickerungsschacht. Die entnommene Probe wurde zur Analyse an ein nicht näher benanntes Kieler Labor weitergeleitet.
Im Ergebnis stellte sich heraus, dass ein Quecksilberwert von 57 mg/kg Trockensubstanz Boden ermittelt wurde. Hiller dazu: „Damit ist es Erde, die eigentlich auf eine Deponie gehört“. Wie Hiller zu dieser Einschätzung kommt, ist wiederum fraglich. Denn für Industrieanlagen, und dazu dürfte ein Versickerungsschacht zählen, ist laut Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV), Anhang 2 ein Prüfwert von 80 mg/kg vorgesehen. Und dieser wurde demnach erheblich unterschritten. Doch die BBodSchV als objektive Beurteilungsgrundlage wird erwartungsgemäß mit keiner Silbe erwähnt, für den Zuschauer wichtige Informationen werden somit ausgelassen. Stattdessen gibt es zur Dramatisierung eine subjektive Einschätzung des Kommentators, welche jeglicher Grundlage entbehrt. Zudem ist eine Einzelprobe, zumal aus einer Sediment- und somit auch Schadstofffalle, für eine objektive Beurteilung der Gesamtsituation ungeeigenet. Jeder, der über ein Mindestverständnis von Umweltanalytik verfügt, kann diesbezüglich nur ungläubig mit dem Kopf schütteln.
Mit „Verschmutzen und verharmlosen“ ist der Beitrag des NDR betitelt. Bis hierhin kann festgestellt werden, dass diese Unterstellung unbegründet ist. Um es vorweg zu nehmen: Daran wird sich auch im weiteren Verlauf der Dokumentation nichts wesentlich ändern. Auslassen wichtiger Informationen sowie Dramatisierungen bleiben das Charakteristikum. Das werden wir in den kommenden Folgen unserer kleinen Serie belegen.
Artikelfoto: Erdgasförderbohrung Wietingsmoor Z1, Copyright Sukrams