Breite politische Front gegen heimische Gasförderung Teil II
Der erste Teil dieser vorerst zweiteiligen Serie „Breite Front gegen heimische Erdgasförderung“ befasste sich im wesentlichen damit, dass Politker verschiedener Parteien eine mögliche heimische Gasförderung östlich von Bremen verhindern wollen.Ihre Ablehnung stützen sie dabei im wesentlichen auf abstrakte Befürchtungen wie Trinkwasserverschmutzung oder Gesundheitsgefährdung. Da es im Bereich des unweit gelegenen Erdgasfeldes „Völkersen/Völkersen-Nord“ als Folge der Erdgasgewinnung zu Erdbeben kam, von denen einzelne leichte Schäden an Gebäuden hervorriefen (Putz- und Fugenrisse), sind diese Ereignisse ein weiteres, nicht unplausibles Argument. Doch den Nachweis, ob es überhaupt weitere Erdgaslagerstätten gibt, können nur Erkundungsarbeiten erbringen.
Erkundungsarbeiten werden abgelehnt
Sogar geophysikalische Vorerkundungsmaßnahmen, die zunächst ermitteln sollen, ob überhaupt potenzielle Erdgaslagerstätten vorhanden sind, werden abgelehnt. Der CDU-Landagsabgeordnete (MdL) Axel Miesner preschte in dieser Angelegenheit sogar über das Ziel hinaus. Er behauptete gegenüber der Presse, dass die DEA-Vorstandsvorsitzende Hanssen dem niedersächsischen Umweltminister Lies (SPD) zugesagt hätte, die seismischen Messungen nicht mehr durchführen zu wollen. Doch wie DEA-Sprecher Heinz Oberlach uns auf telefonische Nachfrage am 15.11.2018 mitteilte, handelte es sich um eine Falschbehauptung Miesners. Das wurde auch auf einer Info-Veranstaltung tags zuvor zahlreichen Zuhörern so kommuniziert.
Doch MdL Miesner ließ sich nicht von seiner Behauptung abbringen und setzte noch eins drauf. So heißt es im Artikel „Ministerium nach Miesner-Vorstoß irritiert“ der Wümme-Zeitung, einer Lokalausgabe des Weser-Kurier, das Spiel der DEA wäre durchschaubar. Das Unternehmen versuche „mit allen Mitteln ihre unnötigen seismischen Messungen bei uns durchzusetzen“ und die Menschen in der Region auseinanderzudividieren. Denn warum sollte Umweltminister Lies ihn bewusst falsch informieren, da man doch in der Großen Koalition im Bereich Umwelt vertrauensvoll zusammenarbeite.
Doch dem ist nicht so! Stattdessen ist das Spiel des Vorsitzenden des Umweltausschusses durchschaubar! Er ist mit einer offensichtlichen Falschbehauptung an die Öffentlichkeit getreten, um die Glaubwürdigkeit der DEA in Abrede zu stellen, wenn es zur Durchführung der eben nicht zurückgenommenen seismischen Erkundungsmaßnahmen kommt. Doch mit der geplanten Täuschung der Öffentlichkeit ist Herr Miesner nicht durchgekommen.
Denn auch das niedersächsische Umweltministerium zeigte sich ob der Äußerungen des MdL und Vorsitzenden des Umweltausschusses irritiert. Im genannten Artikelheißt es weiter, dass es zwar ein Gespräch mit der DEA-Chefin gegeben hätte, jedoch in diesem keine Entscheidung über die seismischen Erkundungsarbeiten gefallen sei und Maria Morraeus Hanssen keine Zusage gegeben hätte, die geplanten Arbeiten nicht durchzuführen.
Doch nicht nur gegen Erkundungsarbeiten, die dafür sorgen könnten, die heimische Gasförderung weiter aufrecht zu erhalten, stoßen auf Ablehnung. Vielmehr soll die Erdgasproduktion aus Gebieten, in denen sie über Jahrzehnte mit anderen mit anderen Ressourcennutzern koexistiert, aufgrund mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten verbannt werden.
Heimische Gasförderung soll aus Wasserschutzgebieten verschwinden
Nachdem es der Politik gelungen ist, die Erkundung von Erdgaspotenzialen in an organischer Substanz reichen Tonschiefern sowie in Steinkohleflözen in Deutschland quasi zu verhindern sowie das bewährte „Fracking“-Verfahren mit derart hohen Auflagen zu verunmöglichen, sind Politiker in manchen Regionen anscheinend immer noch nicht zufrieden. Sie wollen die ohnehin schon stark zurückgegangene heimische Gasförderung weiter beschränken, indem sie sie aus Gebieten mit vermeintlicher Unvereinbarkeit mit anderer Nutzung verbannen will. Konkret handelt es sich um Wasserschutzgebiete der Zone 3 sowie Trinkwasservorranggebiete, also in dem Fall Gebiete, die nicht im Einzugsgebiet von Trinkwasserbrunnen liegen und in denen folglich keine Trinkwassergewinnung stattfindet.
Ein Artikel der Verdener Nachrichten, ebenfalls eine Lokalausgabe die zum Weser-Kurier gehört, der sich mit dem Thema befasst, ist leicht tendenziös mit „Das Verbot lässt noch auf sich warten“ betitelt. Und gleich im ersten Satz wird die Frage gestellt: „Wann wird die Erdgasförderung in Wasserschutzgebieten verboten?“ Es stellt sich die Gegenfrage: Mit welcher Begründung sollte die heimische Gasförderung in WSG verboten werden?
Wie so oft seit der Ende 2010/Anfang 2011 aufgekommenen Debatte um die heimische Gasförderung infolge des mit zahlreichen Unwahrheiten gespickten Films „Gasland“ entbehrt auch diese Forderung einer seriösen und an praktischen Erfahrungen orientierten Grundlage. Tatsächlich gibt es in Deutschland seit Jahrzehnten eine Koexistenz zwischen Erdöl- und Erdgasförderung auf der einen Seite und Trinkwassergewinnung auf der anderen. Das Artikelfoto zeigt z.B. drei Förderbohrungen im von DEA betriebenen Erdölfeld „Hankensbüttel-Süd“. Sie befinden sich im Wasserschutzgebiet (WSG) Schönewörde und dort im Bereich der Zone 3b, der Kategorie mit den geringsten Anforderungen und somit am Rand des Einzugsgebietes der Trinkwassergewinnungsbrunnen dieses Schutzgebietes. Die Bohrungen sind zwischen 1981 und 1995 abgeteuft worden und produzieren seitdem ohne Beeinträchtigungen der Trinkwasserversorgung. Gegenwärtig wird nur 100 m von diesem Platz entfernt eine weitere Produktionsbohrung niedergebracht. Im Vorfeld wurde wegen der Lage der neuen Bohrung im WSG Zone 3b Stimmung gegen das Vorhaben insbesondere von den Grünen gemacht. Siehe dazu unseren Beitrag Erdöl-Erdgasgewinnung und Trinkwasserschutz im Interessenkonflikt?.
Parteiübergreifende Ablehnung
Doch nun zum Inhalt des Artikels der Verdener Nachrichten. Aus ihm geht hervor, die heimische Gasförderung mit der Verbannung aus WSG Zone 3 weiter einzuschränken, nicht nur Herzensangelegenheit der Grünen ist. Mit der MdL Dörte Liebetruth rühmt sich eine Vertreterin der SPD dahingehend, dass sich der Landtag Niedersachsens auf Druck einer Entschließung der Verdener Kreistagsmitglieder, die Erdgasförderung in Wasserschutzgebieten generell zu verbieten nun auch mit der Thematik befasst. Man hatte eine Bundesratsinitiative des Landes Niedersachsen für ein generelles Verbot der Erdgasförderung in Wasserschutzgebieten gefordert.
Nun prüfe die SPD-CDU-Koalition in Niedersachsen, ob ein Verbot des Bohrens nach Erdgas und Erdöl in Wasserschutzgebieten sämtlicher Schutzzonen rechtssicher in die „Verordnung über Schutzbestimmungen in Wasserschutzgebieten“ aufgenommen werden könne. Interessant an dieser Stelle ist, dass die Prüfung nur bei Erdöl- und Erdgasbohrungen erfolgen solle, nicht jedoch bei Bohrungen zur Gewinnung von Tiefengeothermie, die technisch identisch ist und in Bezug auf Niedersachsen aufgrund der geologischen Bedingungen nur aus Gesteinen erfolgen kann, aus denen Erdöl und Erdgas gewonnen wird. Immerhin gesteht Liebetruth ein, dass eine landesweit einheitliche Verbotsregelung rechtlichen Anforderungen genügen müsse und deshalb einer guten Vorbereitung mit rechtssicheren Begründungen bedarf. Auf die Begründungen darf man aus mindestens zwei Gründen gespannt sein: 1. die jahrzehntelangen Erfahrungen einer unfallfreien Koexistenz und 2. der ausschließlichen Beschränkung auf Erdöl- und Erdgasprojekte.
Doch den Grünen genügen diese sachlich kaum begründbaren Schritte selbstverständlich nicht. Sie fordern ein sofortiges Moratorium für die Durchführung von Erdöl- und Erdgasbohrungen in Wasserschutzgebieten der Zone 3, bis ein Verbot rechtskräftig ist. Zur Klarstellung: In der Zone 1 und 2 sind sie aus nachvollziehbaren Gründen nicht erlaubt wie diverse andere Vorhaben ebensowenig. Entweder gehen die Grünen davon aus, dass ein wissenschaftlich wie technisch nicht begründbares Verbot kommt oder sie erhoffen sich ein Moratorium bis zum St. Nimmerleins-Tag.
Wieder einmal Ruf nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung
Wie bereits in der „Fracking“-Debatte wird bei Bohrvorhaben in WSG Zone 3 sowie in Trinkwasservorranggebieten (Gebiete, in denen sich zur Trinkwassergewinnung geeignete Grundwasserleiter befinden, die aber nicht genutzt werden) der Ruf nach Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) laut. Dabei scheint bei diesem Ruf ein grandioses Misverständnis vorzuliegen. Denn UVP haben nicht zum Ziel, Vorhaben eine „Umweltverträglichkeit“ zu bescheinigen, sondern lediglich bei Entscheidungen über Vorhaben Umweltaspekte angemessen und nach geregeltem Verfahren einfließen zu lassen. Dabei sind laut Gesetz die Umweltfolgen in der behördlichen Entscheidung zu berücksichtigen.
Eine UVP ist jedoch kein Mittel zur Verhinderung von Vorhaben. Stattdessen dient sie der Verhinderung und Verminderung von Auswirkungen eines Vorhabens. Ferner ist eine weitere wichtige Funktion einer UVP, den Vorhabensträger zur ökologischen Selbstkontrolle zu verpflichten und damit auch die Akzeptanz des Projektes zu erhöhen. Doch das geschieht de facto bereits im Rahmen des umfangreichen Genehmigungsverfahrens zur Durchführung einer Tiefbohrung. Denn entgegen der verbreiteten Annahme, anscheinend auch auf der Ebene entscheidungsbeeinflussender Politiker, werden Umweltaspekte in naturschutzfachlichen Beurteilungen zu Bohrvorhaben berücksichtigt.
Somit bleibt zusammenfassend festzustellen, dass sich die entscheidungsbeeinflussenden sowie entscheidenden Politiker in Fragen Erdöl- und Erdgasproduktion in Deutschland nicht von wissenschaftlich-technischen Fakten leiten lassen, sondern populistisch handeln. Sie orientieren sich dabei, gerade im Hinblick auf den Trinkwasserschutz, nicht an jahrzehntelangen guten Erfahrungen, sondern an abstrakten Befürchtungen. Diese haben sich in nicht unwesentlichen Teilen der Bevölkerung infolge des Filmes „Gasland“ sowie diverser dramatisierender und skandalisierender Medienberichte auf dünner bis nicht vorhandener Faktenlage so festgesetzt, dass begründete Gegenargumente bzw. Argumente für die heimische Gasförderung noch nicht einmal angehört, geschweige denn akzeptiert werden.
Artikelfoto: Erdölförderbohrungen Hankensbüttel-Süd 81a, 94 und 95. Foto: Steven Arndt, Juni 2017