Breite politische Front gegen heimische Erdgasförderung Teil I

Seit inzwischen 8 Jahren wird heftig um die heimische Erdgasförderung diskutiert. Auslöser war zunächst der unseriöse Film „Gasland“ des us-amerikanischen Filmemachers Josh Fox, über den heimische Medien unkritisch berichteten bzw. ihn über mehrere Jahre wiederholt ausstrahlten. Erst 2014, also nach vier Jahren, erkannten zumindest die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, dass sie einem Schwindler aufgesessen sind und entschieden, den Film nicht mehr auszustrahlen. Doch diese Entscheidung kam vier Jahre zu spät. Das Kind war dank jahrelanger Desinformation im Zusammenhang mit dem Film und zusätzlicher medialer Skandalisierungen, meist auf dünner bis nicht vorhandener Faktenlage, längst in den Brunnen gefallen. Die Politik beugte sich dem Druck und erließ gegenüber der heimischen Erdgasförderung massive Beschränkungen, insbesonder in Hinblick auf das Hydraulic-Fracturing-Verfahren, das allgemein und häufig falsch dargestellt, als „Fracking“ bezeichnet wird. Doch manchen Politikern gehen die Beschränkungen noch nicht weit genug.

Verbot der heimischen Erdgasförderung in „verdichteten Siedlungsgebieten“

Verringerung des Einflusses von Erdgasbohrungen an der Oberfläche in Siedlungsgebieten durch abgelenkte Bohrungen. Darstellung: Markus Stahmann auf Basis von Daten des LBEG. Kartengrundlage: GoogleEarth/Maps. Zum Vergrößern anklicken.

Bereits vor ziemlich genau einem Jahr forderte der Bundestagsabgeordnete (MdB) Andreas Mattfeldt (CDU) ein Verbot der Erdgasförderung in „verdichteten Siedlungsgebieten“. Im Kern ging es ihm darum, die Förderung aus dem in seinem Wahlkreis befindlichen aktuell förderstärksten deutschen Erdgasfeldes „Völkersen/Völkersen-Nord“ zu unterbinden, in dessen Bereich einige spürbare Erdbeben in den vergangenen Jahren aufgetreten sind. Wenige davon haben leichte Gebäudeschäden (Risse) verursacht. Insofern ist in gewissem Maße die Verbotsforderung eingeschränkt nachvollziehbar. Allerdings lässt sie eine Abwägung eines breiteren öffentlichen Interesses (Förderabgabe im Wert mehrerer hundert Millionen € über Jahre und Jahrzehnte hinweg) gegenüber den Interessen vergleichsweise weniger Betroffener vermissen. Im Übrigen sei auf unseren Beitrag MdB Mattfeldt (CDU) fordert Quasi-Verbot von Erdgasförderung in Deutschland verwiesen.

Laut eines „Kreiszeitung“-Artikels „Verzichtet DEA auf seismische Erkundung?“ schließt sich dieser Forderung nun der Abgeordnete des niedersächsischen Landtages Axel Miesner, zu dessen Wahlkreis die Gemeinden Oyten und Ottersberg gehören, an. Aufhänger des Beitrages ist, dass die in der Region aktive DEA, die jüngst seismische Erkundungsarbeiten östlich von Bremen ankündigte, erwäge, auf diese Arbeiten zu verzichten. Dies hätte die DEA-Vorstandsvorsitzende Maria Moraeus Hanssen dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD) so mitgeteilt, es jedoch noch nicht offiziell bestätigt. Lies wiederum hätte dies gegenüber Miesner, der Vorsitzender des Umweltausschusses im Landtag ist, so erklärt.

Irritiert darüber, dass sich eine Vorstandsvorsitzende eines global tätigen Unternehmens zu einem vergleichsweise unbedeutenden Vorhaben äußert, sowie dass am Folgetag der Meldung keine offizielle Stellungnahme der DEA vorlag, rief der Verfasser dieses Berichts beim Pressesprecher Herrn Oberlach an, und erkundigte sich, was es denn mit dieser Darstellung, dass DEA auf die Arbeiten verzichten wolle, auf sich hat. An dieser Aussage wäre nichts dran, erklärte er. Zwar hätte es ein Treffen zwischen Frau Hanssen und Herrn Lies gegeben. Dieses hätte allerdings den Charakter eines Kennenlerngesprächs gehabt, bei dem u.a. über verschiedene Projekte in Niedersachsen auch aus der Vergangenheit gesprochen wurde. Aber dass DEA sich von dem Vorhaben, seismische Erkundungsarbeiten östlich von Bremen durchzuführen, abrücke, sei nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen.

Herr Miesner bewertete das angebliche Abrücken der DEA vom Vorhaben als „erstes positives Signal der DEA gegenüber den Menschen in unserer Heimat.“ Und ergänzt: „Jetzt geht es darum, weiter deutlich zu machen, dass die seismischen Messungen in unserer Heimat nicht gewollt sind“ Doch was wäre, wenn die DEA ihr Projekt wie geplant durchführt? Wird Miesner dann behaupten, das Unternehmen hätte die Öffentlichkeit getäuscht? Dies wäre ziemlich dreist, da es a) weder eine offizielle Bestätigung seitens der DEA gibt und b) mir der Sprecher Herr Oberlach telefonisch erklärte, dass eine solche Aussage nie gefallen ist.

Wie gehabt: Mit „Befürchtungen“ gegen die heimische Erdgasförderung

Relativ unauffällig in der Landschaft: DEA-Erdgasförderbohrung „Hemsbünde Z6“ nahe Rotenburg/Wümme. Foto: Steven Arndt, April 2017. Zum Vergrößern anklicken!

Bereits zu Beginn der emotional geführten Debatte um die heimische Erdgasförderung bestimmten „Befürchtungen“ der Kritiker den Diskurs. So war im Zusammenhang mit der „Fracking“-Diskussion regelmäßig zu lesen und zu hören: „Kritiker befürchten die Verseuchung des Grundwassers (Trinkwassers)“. Bis heute mangelt es an stichhaltigen Beweisen dieser Befürchtungen. Fakt ist: Hunderte Fracmaßnahmen in Deutschland haben keine Kontaminationen hervorgerufen.

Und auch beim Widerstand gegen die geplanten seismischen Erkundungen werden „Befürchtungen“ angeführt und die bereits jahrzehntelangen praktischen Erfahrungen konsequent ausgeblendet. So versagen die vom Vorhaben betroffenen Gemeinden der DEA Sondernutzungrechte zur Benutzung ihrer Straßen, Wege und Flächen zur Durchführung der vibroseismischen Erkundungsarbeiten. „Befürchtet“ oder gar unterstellt werden daraus resultierende Schäden am Straßen- und Kanalnetz.

Hierzu ist anzumerken, dass das Vibroseismik keine neue Erfindung ist, sondern das bereits jahrzehntelange Erfahrungen vorliegen. Selbst in der bereits vor fast 30 Jahren untergegangenen DDR fand dieses Verfahren Anwendung in der Heimat des Verfassers. Entsprechend der vorhandenen Erfahrungen sind Maßnahmen entwickelt worden, um Schäden von vornherein auszuschließen. So werden beispielsweise an Gebäuden Sensoren angebracht, die die Schwinggeschwindigkeiten messen. Sollten dabei solche festgestellt werden, die nahe denen liegen, die Gebäudeschäden hervorrufen können, wird der Rüttelvorgang abgebrochen. Dass durch die Erzeugung der Schallwellen ernsthafte Erschütterungen auftreten können, mag zwar in der Phantasie des Schriftstellers Ken Follett existieren. In dessen Roman „Kinder von Eden“ stielt eine Hippiekommune einen Vibroseismiktruck , um damit Erdbeben zu Erpressungszwecken zu erzeugen. Mit der Realität hat das jedoch nichts zu tun.

Geht es tatsächlich um Verhinderung der heimischen Erdgasförderung?

Selbst in unmittelbarer Nähe unauffällig: Erdgasförderbohrung „Preyersmühle-Süd Z1“. Foto: Steven Arndt, April 2017. Zum Vergrößern anklicken!

Neben den genannten Befürchtungen wird von der Politik, speziell durch den Oytener Bürgermeister Manfred Cordes, wenig überraschend „Fracking“ ins Spiel gebracht, welches „umstritten“ sei. Doch warum ist „Fracking“, das ja eigentlich korrekt und selbsterklärend „Hydraulic Fracturing“ heißt, so umstritten? Weil mit Aufkommen der Diskussion Ende 2010/Anfang 2011 es Journalisten nicht vermocht haben, eventuell auch nicht gewillt waren, dieses Standardverfahren richtig zu erklären. Stattdessen wurden oftmals aus den Fingern gesogene, mit Schlagwörten wie „Chemiecocktail“ gespickte „Definitionen“ unters Volk gestreut und dabei nach wie vor fälschlicherweise von einer „neuen Fördermethode“ gesprochen.

Jedenfalls ist es Bürgermeister Cordes gelungen, ein emotionale Erregungen hervorrufendes Reizwort in die Debatte einzustreuen. Doch das ist vielleicht auch so gewollt, um zusätzlich Gegner des Vorhabens zu gewinnen. Auffällig ist jedenfalls, dass sich in der Region ein politisches Bündnis aus CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen zusammengefunden hat, um gemeinsam mit Bürgerinitiativen und Interessengemeinschaften in breiter Front gegen die heimische Erdgasförderung vorzugehen und seien die Gegenargumente noch so absurd.

Mit tatsachenwidrigen Behauptungen gegen heimische Erdgasförderung

Im Stil einer Kampagnenorganisation bejubelte via Twitter die SPD die 2017 erfolgte Verschärfung von Regularien gegenüber der Erdgasindustrie. Zum Vergrößern anklicken!

So behauptet der eingangs erwähnte MdL Axel Miesner: „Die Erdgasindustrie selbst hat durch ihr Verhalten dazu beigetragen, dass die Erdgasförderung keine Akzeptanz mehr in der Bevölkerung hat“.

Dabei ist Folgendes zu konstatieren:

Zunächst handelt es sich bei dem Vorhaben nicht um eines der Erdgasindustrie mit ihren verschiedenen in Deutschland vertretenen Unternehmen, sondern konkret um eines der DEA. Das Unternehmen hat auf Drängen einer lokalen Bürgerinitiative die Versenkung von bei der Erdgasgewinnung mitgefördertem Lagerstättenwasser mittels der Bohrung „Völkersen H1“ eingestellt. Dieser Verzicht erfolgte freiwillig als Entgegenkommen gegenüber den Kritikern ohne sachliche Notwendigkeit.

Zudem verzichtet DEA seit 2011 auf die Anwendung des Fracverfahrens in der Lagerstätte „Völkersen/Völkersen-Nord“. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass seitdem durchgeführte Bohrprojekte, insbesondere im Nordfeld, nur zu Fündigkeiten mit vergleichsweise kurzer Förderung führten oder der wirtschaftliche Erfolg, wie kürzlich bei der Ablenkbohrung „Völkersen Z4b“, völlig versagt blieb. Ob diese kurzzeitigen Produktionsphasen tatsächlich kausal dem freiwilligen Verzicht auf das Verfahren geschuldet sind, ist dem Verfasser jedoch nicht bekannt.

Die Erdgasindustrie insgesamt hat zudem auch auf seismische Ereignisse im Umfeld bzw. im Bereich von Erdgaslagerstätten reagiert und selbstfinanziert ein Messnetz eingerichtet, das eine präzisere räumliche Einordnung der Erdbeben ermöglicht. In der Folge konnten Ereignisse recht eindeutig der Erdgasgewinnung als auslösendem Faktor zugeordnet werden. Im Ergebnis sind nicht nur Schadensersatzzahlungen durch den mutmaßlichen Schadensverursacher erfolgt. Zusätzlich ist auch eine Schiedsstelle zur Regulierung von Bergbaufolgeschäden ins Leben gerufen worden, die Betroffenen zur Seite steht.

Politik vertritt Interessen einzelner Initiativen

DEA-Bohranlage T-160 im Mai 2013. Foto: Steven Arndt. Zum Vergrößern anklicken!

Dass Vertreter von Bürgerinitiativen dieses Maßnahmen konsequent ignorieren und stattdessen immer wieder neue Baustellen eröffnen, um gegen die Erdgasförderindustrie allgemein und in der Region speziell gegen DEA Stimmung zu machen, verwundert nicht. Deren Ziel ist seit Jahren bekannt und es lautet, der Erdgasindustrie in Deutschland den Garaus zu machen. Daraus machen sie auch keinen Hehl.

Dass Axel Miesner als Mitglied des Landtages diese Maßnahmen und deren Erfolge in Abrede stellt, ist nicht nachzuvollziehen. Schließlich ist er als Mandatsträger nicht den Interessen einzelner Organisationen verpflichtet, sondern dem Interesse der Bevölkerung seines Wahlkreises und als Fraktionsmitglied der an der Regierung beteiligten CDU mithin den Interessen der Bevölkerung des Bundeslandes. Und im Interesse der Gesamtbevölkerung des Landes Niedersachsen dürfte der volkswirtschaftliche Nutzen der in Niedersachsen beheimateten bzw. tätigen Erdöl-Erdgas-Industrie ohne Weiteres den Befürchtungen und in geringerem Umfang den tatsächlichen Einschränkungen in der Region östlich von Bremen beheimateten Bevölkerung, bei Weitem überwiegen.

Doch der von einem relativ breiten parteipolitischen Bündnis mitgetragene Widerstand gegen die heimische Erdgasgewinnung erstreckt sich nicht nur über die geplanten Verbannung dieses Industriezweiges aus vermeintlich „verdichteten Siedlungsbereichen“ östlich von Bremen, sondern auch aus anderen Gebieten, wo sie nach aktuell geltender Rechtslage noch tätig sein darf. Konkret betrifft es Wasserschutzgebiete der Kategorie III sowie Vorranggebiete zur Trinkwassergewinnung. Dazu mehr in einem zweiten Teil.

Informationen der DEA zu den geplanten seismischen Erkundungen gibt es hier: www.seismik-unterweser.de

 

Artikelfoto: Vibroseismiktruck bei einer Vorführung der Wintershall in Barnstorf. Foto: Steven Arndt 2014.

2 Kommentare zu Breite politische Front gegen heimische Erdgasförderung Teil I

  • Reporter sagt:

    Da hat sich der Herr Miesner offensichtlich ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt, war doch heute in der „Wümme-Zeitung“, einem Ableger des „Weser-Kurier“ zu lesen: „Im Ministerium zeigte man sich von Miesners Vorstoß irritiert. Es sei zumindest ungewöhnlich, Informationen aus einem informellen Gespräch mit dem Minister weiterzugeben, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage. Zwar bestätigte sie, dass es die Gespräche gegeben habe. So sei es im Austausch des Umweltministers mit Dea-Vorstand Hanssen unter anderem um eine freiwillige Umweltverträglichkeitsprüfung gegangen. Zudem habe Olaf Lies bei der Chefin des Erdgasförderers dafür geworben, von den Messungen abzusehen. Allerdings sei in diesem Rahmen keine Entscheidung gefallen, die Dea-Chefin habe keine Zusage gegeben.“ Dem möchte der Reporter nichts mehr hinzufügen.

    1. SAR sagt:

      Danke für die Ergänzung. Wir haben den entsprechenden Artikel inzwischen auch erhalten.

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