Zukunftsweisende Konzepte der Erdgasproduktion in Deutschland Teil I
Mit durchschnittlich knapp 230 Einwohnern pro km² gilt Deutschland als vergleichsweise dicht besiedeltes Land. Dieser Sachverhalt erfordert besondere raumordnerische Anforderungen hinsichtlich der Rohstoffgewinnung, auch wenn diese im Wesentlichen im unterdurchschnittlich dünn besiedelten ländlichen Raum vollzogen wird. Diese Anforderungen gelten selbstverständlich auch für die Erdöl- und Erdgasgewinnungsindustrie, die diesen mit interessanten Konzepten begegnet, die über flächenverbrauchende Maßnahmen hinausgehen. Einige dieser Konzepte zur zukunftsfähigen Erdgasproduktion in Deutschland sollen in diesem sowie in ein noch folgenden Beitrag vorgestellt werden.
Bereits in den späten 1990er Jahren erdachte die Erdöl-Erdgas Gommern GmbH (EEG), eine Tochtergesellschaft von Gaz de France (heute ENGIE), für die auf der Insel Usedom sowie vor dessen Küste situierten Erdgaskondensatlagerstätte „Heringsdorf“ ein innovatives Gewinnungs- und Aufbereitungskonzept. So sollte die Lagerstätte, deren flächenmäßig überwiegender Teil sich offshore befindet, ausschließlich von Land aus erschlossen werden. Entsprechende bis zu über zwei Kilometer abgelenkte Bohrungen sind bereits in den 1980er Jahren erstellt worden.
Da sich der angedachte Förder- und Aufbereitungsplatz unweit des touristisch bedeutsamen Seebades Bansin befindet, regte sich Widerstand, als die EEG Mitte der 1990er Jahre öffentlich bekanntgab, das seit 1981 bekannte Erdgasvorkommen in die Produktion zu überführen. Um dem Protest zu begegnen, wurde ein für die Erdgasproduktion in Deutschland innovatives Konzept entwickelt, das schwefelwasserstoffhaltige Erdgas zum Nutzen der unmittelbaren Nachbarschaft einzusetzen. Von einer Fortleitung über eine Pipeline wurde abgesehen. Stattdessen sollte das Erdgas vor Ort verstromt werden.
Das Konzept sah weiterhin vor, den Strom zur Meerwasserentsalzung und somit zur Trinkwassergewinnung einzusetzen. Hinzu kommt, dass die Aufbereitungsanlagen, anders als allgemein üblich, eingehaust werden sollten. Aufgrund ihrer Lage in einer Senke wäre von der Anlage (siehe Modell) kaum eine Beeinträchtigung des Landschaftsbildes zu erwarten gewesen (Förderverein „Erdöl & Heimat e.V. 2009). Zur Umsetzung des Projektes ist es trotz des bedeutenden Lagerstätteninhaltes von ca. 10 Milliarden Kubikmetern Erdgas bislang nicht gekommen.
An anderen Betriebsstätten der Gaz de France-Suez E&P Deutschland GmbH (GDF-Suez) wird hingegen Erdgas sowie Erdölbegleitgas bohrlochsnah verstromt. Dadurch lassen sich z.B. die kleinen Lagerstätten im Thüringer Becken trotz ihres teilweise geringen Methangehaltes von nur ca. 20 Prozent (Lagerstätte Fahner Höhe) bis zu immerhin knapp 80 Prozent (Lagerstätte Bad Langensalza) sinnvoll nutzen (Martick & Weih 2015). Ferner wird das Erdölbegleitgas der Erdöllagerstätte Kietz in Brandenburg nicht einfach abgefackelt, sondern ebenfalls verstromt und die Abwärme zur Beheizung von Gewächshäusern eingesetzt (Förderverein „Erdöl & Heimat e.V. 2009).
Das Konzept der bohrlochnahen Verstromung verfolgt die GDF-Suez auch bei der brandenburgischen Erdgaskondensatlagerstätte „Märkisch-Buchholz“, die, ebenso wie die Lagerstätte „Heringsdorf“ an das Staßfurtkarbonat des Zechstein gebunden ist. Aufgrund des hohen Stickstoffanteils des Erdgases von ca. 90 Prozent ist die bereits zu DDR-Zeiten aufgeschlossene Lagerstätte bislang nicht in Förderung genommen worden. Doch seit ca. zwei Jahren prüft die GDF-Suez, ob eine wirtschaftlich vertretbare Gewinnung dennoch möglich ist.
Aufgrund der bereits zum Zeitpunkt der Überlegungen stattfindenden negativen Berichterstattung über die Erdgasproduktion in Deutschland, ob nun mit Hilfe des Fracverfahrens oder auch nicht, entwickelte sich schnell organisierter Bürgerprotest gegen eine eventuelle Erdgasgewinnung in der durch ökologisch eher minderwertige Kiefernwälder geprägten Region. GDF-Suez reagierte darauf einerseits mit Unterbrechungen von Wartungsarbeiten zu Gunsten des Vogelschutzes, aber auch mit der Erarbeitung eines umweltschonenden Gewinnungs- und Aufbereitungskonzeptes, dem nur Hochachtung gezollt werden kann.
Neubohrungen sind für die Gewinnung der ca. 18 Milliarden Kubikmeter Erdgas (Quelle) nicht vorgesehen. Stattdessen soll die Produktion aus zwei der drei bestehenden Bohrungen erfolgen. Die Aufbereitung wird nach Vorstellung der GDF-Suez in einer eingehausten Anlage vollzogen, die sich im Gewerbegebiet von Märkisch-Buchholz befinden wird und der Idee der „gläsernen Produktion“ folgt.
Das aus den Bohrungen „Märkisch-Buchholz 1“ sowie „Märkisch-Buchholz 3“ geförderte Erdgas wird in einem Blockheizkraftwerk teilweise verstromt, um elektrische sowie Wärmeenergie zur Aufbereitung des Gases zu gewinnen. Überschüssige Mengen an Strom werden in das öffentliche Netz eingespeist und das von Stickstoff sowie weiteren Komponenten bereinigte Erdgas wird dem Erdgasnetz zugeführt. Die bereitgestellte Menge soll dem Bedarf von 20.000 Haushalten entsprechen.
Neben dem nicht zu verwertenden Stickstoff sind im Erdgas Komponenten enthalten, die durchaus wirtschaftlich genutzt werden können und sollen. Dazu zählen Butan und Propan, die einerseits abtransportiert, andererseits aber über eine lokale Liquified Petroleum Gas (LPG) Tankstelle regional verkauft werden sollen. Das benzinähnliche Kondensat wird einer Raffinerie zugeführt. Weiterführende Informationen sind einem Newsletter von GDF-Suez zu entnehmen.
Soviel zu Konzepten, die die Nutzung von Erdgaslagerstätten im Fokus haben, die aufgrund ihrer Lage sowie der Zusammensetzung der Erdgase innovative Gewinnungs- und Aufbereitungs- sowie Verwertungsstrategien erfordern. Im folgenden zweiten Teil befassen wir uns mit Ideen der landschaftsschonenden Erschließung potenzieller Schiefergaslagerstätten, die zukünftig eine Fortsetzung der Erdgasproduktion in Deutschland ermöglichen sollen.
Artikelfoto: EEW-Anlage T-44 beim Workovereinsatz auf der Sonde „Märkisch-Buchholz 2“ im Februar 2014, ©chef79
Literatur:
Martick, R. & P. Weih (2015): Erdgas in Thüringen – Erkundung, Fortleitung, Verteilung und Nutzung, Thüringer Energie AG, Erfurt
Erdöl und Heimat e.V. (2009): Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes