Neuigkeiten zur geplanten Erschließung der Erdgaslagerstätte Heringsdorf (Usedom)

Modell Aufbereitungsanlage Erdgaslagerstätte Heringsdorf

von Walter Stephan und Steven Arndt

In den vergangenen Monaten berichteten wir in zwei Artikeln über Konzepte zur Erschließung der Erdgaslagerstätte Heringsdorf. Im Beitrag „Zukunftsweisende Konzepte der Erdgasproduktion in Deutschland Teil I“ befassten wir uns u.a. mit dem inzwischen verworfenen Vorhaben, das aus der Lagerstätte gewonnene Erdgas zu verstromen und gleichzeitig mit Hilfe einer Meerwasserentsalzungsanlage Trinkwasser zu gewinnen. Im zweiten Artikel „Neues Konzept zur Erschließung der Erdgaslagerstätte Heringsdorf (Insel Usedom)“ widmeten wir uns dem aktuellen Vorhaben. Dazu soll es an dieser Stelle ergänzende Informationen geben.

Die zusätzlichen Informationen fußen im Wesentlichen auf einem Vortrag, den der Diplom-Ingenieur Harald Schulenberg, freier Mitarbeiter der GDF-Suez E&P Deutschland GmbH (GDF-Suez), jetzt Teil von ENGIE, am 20. Januar im Erdölmuseum Reinkenhagen (Vorpommern) hielt und auf Informationen in der Ostsee-Zeitung, Lokalausgabe Usedom/Wolgast.

Bereits 1994 erwarb Gaz de France, bzw. deren Tochter, die Erdöl-Erdgas Gommern GmbH (EEG), ein Grundstück am Schloonsee, auf dem sich die in den 1980er Jahren abgeteuften Bohrungen Heringsdorf 5 und 6 befinden, sowie das Förderrecht (Bergwerkseigentum) von der Treuhand. Diese beiden Bohrungen sollten zur Ausförderung der Erdgaslagerstätte Heringsdorf genutzt werden. Ferner sollte auf dem Grundstück die Gasaufbereitungsanlage, das Kraftwerk sowie die Meerwasserentsalzungsanlage errichtet werden. Zur Reduzierung der optischen Beeinträchtigung war der Bau der Anlagen in eine in die Umgebung integrierte Senke vorgesehen (siehe Artikelfoto).

Testarbeiten auf der Bohrung E Heringsdorf 3, Erdgaslagerstätte Heringsdorf

Testarbeiten auf der Bohrung E Heringsdorf 3. Bildquelle: „Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“

Aufgrund der teils negativen Erfahrungen der Anwohner während der Aufschlussphase, die Bohrung Heringsdorf 3 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft des Ostseestrandes angesetzt, regte sich in der Bevölkerung umgehend Widerstand, als die EEG in den 1990er Jahren mit dem Vorhaben an die Öffentlichkeit trat, die Lagerstätte in Förderung zu nehmen. Die Testarbeiten, mit denen Fackelarbeiten und Evakuierungen von Teilen der Anwohner aus Sicherheitsgründen einhergingen, hatten sich zu tief ins Gedächtnis eingebrannt.

Die GDF-Suez sah sich also gezwungen, ein alternatives Konzept zu entwickeln, um die Lagerstätte in Produktion nehmen zu können. Mit diesem neuen Konzept, dass auf die Bedenken der Bevölkerung eingeht, trat das Unternehmen vor wenigen Wochen an die Öffentlichkeit.

Bei der Vorstellung des überarbeiteten Vorhabens zur Erschließung der Erdgaslagerstätte Heringsdorf am 13. Januar vor der Gemeindevertretung gab es eine interessante Situation: Der Bürgermeister steht hinter dem Projekt, und die Abstimmung brachte ein Patt; weder Befürworter noch Gegner erreichten eine Mehrheit.

Nach Herrn Schulenbergs Aussagen hat das Gas einen H2S-Gehalt von 0,5% und ist damit voll vergleichbar mit Gas aus Biogasanlagen, das je nach Ausgangssubstrat meist zwischen 0,1 und 1,0% Anteil hat (Substrate mit niedrigem Schwefelgehalt: Klee, Gras, Weizen, Bier, Molke, Kartoffeln; Substrate mit mittlerem Schwefelgehalt: Silomais, Zwiebeln, Stallmist, Gülle, Reis; Substrate mit hohem Schwefelgehalt: Schlachtabfälle, Darmabfälle z.B. Hühnerkot, Proteinabfälle, Fisch, Hefe etc. (Quelle: www.h-2-s.de).

Erdgasbohrungen Hrid 5+6, Erdgaslagerstätte Heringsdorf

Mitte/Ende der 1980er Jahre zur Förderung aus der Erdgaslagerstätte Heringsdorf abgeteufte Bohrungen Heringsdorf 5 und 6, ©chef79

Die Lagerstätte liegt in etwa 3.000 Metern Tiefe und erstreckt sich in West-Ost-Richtung über eine Fläche von 17 Quadratkilometer. Ca. 90 Prozent davon befinden sich unter den Küstengewässern vor den „Kaiserbädern“ Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck. Trotz dieses Umstandes ist eine landseitige Erschließung der Lagerstätte vorgesehen. Dazu werden 4 neue Tiefbohrungen abgeteuft: 3 Produktionsbohrungen und eine Versenkbohrung, da das Versenken nur in die gleiche Lagerstätte genehmigungsfähig ist. Die Altbohrungen Heringsdorf 5 und 6 werden verfüllt.

Die neuen Bohrungen sollen auf dem späteren Betriebsgelände „Altes Klärwerk“ abgeteuft werden. Die Zusatzkosten dafür werden mit 40 Mio. € veranschlagt. Trotz dieser zusätzlichen Kosten geht GDF-Suez davon aus, dass der Förderbetrieb 30-40 Jahre wirtschaftlich laufen kann, da der Gaspreis nicht mehr wie früher an den Ölpreis gekoppelt ist.

Nach Herrn Schulenberg steht der Speicher unter einem Druck von 420 bar und weist eine Porosität von 30% bei guter bis sehr guter Permeabilität auf, so dass ohne Stimulierung (z.B. Hydraulic Fracturing, ugspr. „Fracking“) gefördert werden kann.

Die Betriebsanlage wird in etwa die Fläche von 3-4 Fußballfeldern einnehmen; ihre Höhe wird die Höhe der umgebenden Bäume nicht überschreiten (Ausnahme: die Bohranlage, die etwa ein Jahr lang betrieben wird).

Da eine Bodenfackel installiert wird, sind weder Flamme noch Fackel sichtbar. Die üblicheren Sicherheitsmaßnahmen wie Blow-Out-Preventer sind Standard. Ca. 30 m unter Tage wird in den Produktionsbohrungen zusätzlich ein Untertage-Sicherheitsventil eingebaut, das im Fall der Fälle die Bohrung sicher verschließt.

An der Entschwefelungsanlage werden hochempfindliche Sensoren installiert, die auf H2S weit unterhalb der Geruchsschwelle reagieren. Erfahrungen sollen gezeigt haben, dass sie schon reagieren, wenn in ca. 150 m ein Güllefahrzeug der Landwirtschaft vorbeifährt. Die Abscheidung des Stickstoffs soll über ein kryogenes Verfahren unter Nutzung der unterschiedlichen Siedetemperaturen von Methan und Stickstoff erfolgen (Abblasen des gereinigten Stickstoffs in die Luft).

GDF-Suez will ihr großes und schönes Grundstück am Schloonsee an die Gemeinde im Tausch für das Grundstück „Altes Klärwerk“ übergeben. Voraussetzung dafür ist, dass GDF-Suez das sanierte Klärwerksgelände erhält, alle Genehmigungen vorliegen und Klagefreiheit besteht.

Das Unternehmen rechnet mit ca. 15 entstehenden Arbeitsplätzen und geht davon aus, dass in einem weniger guten Geschäftsjahr (geringe Gaspreise, geringe Produktion) die Gewerbesteuereinnahme der Gemeinde 150.000 € und in guten Jahren wesentlich mehr betragen wird.

Das auf H-Gas-Qualität aufbereitete Erdgas mit einem Brennwert von 11 kWh/m³ soll in das bestehende Pipelinenetz eingespeist werden. GDF-Suez will sich finanziell an der Sanierung des Netzes der GVP beteiligen. Durch die produktionsnahe Nutzung des Erdgases können die Einwohner der Gemeinde einen Teil des Netzentgelts sparen.

Im Zuge der Aufbereitung anfallende Prozesswärme möchte das Förderunternehmen der Gemeinde zu Heizzwecken anbieten. Den anfallenden Schwefel möchte GDF-Suez möglichst vermarkten und denkt dabei an Verkauf von Flüssigschwefel in Tanks.

Es bleibt abzuwarten, ob das Vorhaben seitens der Anwohner akzeptiert wird. Dass der jetzige Bürgermeister dem Projekt aufgeschlossen gegenübersteht, könnte hierbei von Bedeutung sein. Wir wünschen GDF-Suez bei der Überzeugungsarbeit viel Erfolg und beschließen den Artikel mit einem bergmännischen Glück Auf!

 

Artikelfoto: Modell der Aufbereitungsanlage des inzwischen verworfenen Vorhabens der bohrlochnahen Verstromung des Heringsdorfer Erdgases, Bildquelle: „Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“

Das Modell ist im Erdölmuseum Reinkenhagen ausgestellt