Erdgasförderung und Quecksilber – Unverantwortliche Panikmache des MDR

Aus Niedersachsen sind diverse Medienberichte bekannt, die sich mit dem Thema Erdgasförderung und Quecksilber befassten. Ausnahmslos waren die Berichte dadurch gekennzeichnet, dass die ermittelten Werte fachlich nicht korrekt eingeordnet und bewertet worden. So wurden Maßnahme- und Prüfwerte völlig missachtet und stattdessen stets von „erhöhten Werten“ geredet. Ergebnis: Viele Anwohner wurden verunsichert. Nun erschien ein ähnlich gearteter Bericht über die Erdgasproduktion in der Altmark.

Erdgasförderung und Quecksilber – Eine Einführung

Erdgasförderbohrung PES 4, Fundbohrung der Altmarklagerstätten (März 2012)

Erdgasförderbohrung PES 4, Fundbohrung der Altmarklagerstätten (März 2012). ©chef79

Erdgas ist kein homogener Stoff, sondern ein Gemisch aus verschiedenen Gasen in unterschiedlichen Anteilen. Im Regelfall ist der Hauptbestandteil des Erdgases Methan. Je nach Lagerstätte können Stickstoff, Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff, weitere Kohlenwasserstoffe sowie Edelgase enthalten sein. Zudem können Schwermetalle wie Blei und Quecksilber in unterschiedlich hohen Konzentrationen enthalten sein. Schwermetalle sind giftig bzw. sehr giftig, was einen sorgsamen Umgang mit ihnen erfordert.

In Deutschland ist Quecksilber in Süßgasen des Karbon, Rotliegenden sowie Buntsandstein enthalten. In den sauergasführenden Lagerstätten des Staßfurtkarbonats spielt aufgrund des Chemismus Quecksilber jedoch keine Rolle. Die höchsten Quecksilberwerte in deutschen Erdgasen werden in Rotliegendsedimenten im Raum Rotenburg/Wümme in Niedersachsen sowie in der nordwestlichen Altmark erreicht. Laut einer Arbeit von Hermann Bubke beträgt der durchschnittliche Quecksilberanteil 2,0 mg je Kubikmeter geförderten Erdgases.1)Bubke, H. (2010): Studie zur Kontamination von Arbeitnehmern mit Quecksilber bei der Erdgasförderung in der Altmark

Die Herkunft des Quecksilbers dürfte im Wesentlichen auf das Muttergestein des Erdgases zurückzuführen sein. Dabei handelt es sich um Kohleflöze des Oberkarbon, die in Mitteleuropa weit verbreitet sind. Eine weitere Quelle dürften Rotliegendvulkanite sein, welche unterhalb des sediementären Rotliegend anzutreffen sind. Eine belastbare Quelle hat der Verfasser nicht gefunden.

Hintergrund des MDR Berichtes

Erdgasförderbohrung Püggen 113 in der Altmark, im Hintergrund EEW-Bohranlage T-47 auf der Bohrung Püggen 1 ©chef79

Erdgasförderbohrung Püggen 113 in der Altmark, im Hintergrund EEW-Bohranlage T-47 auf der Bohrung Püggen 1. ©chef79

Ende August erschien in der Lokalzeitung „Volksstimme“ ein Artikel, der sich mit „einem Fall gefährlicher Umweltverschmutzung in der Altmark“ dem das MDR-Magazin „Exakt“ möglicherweise auf die Spur gekommen sei. Insgesamt 18 Proben seien durch Prof. Werner Calmano, Universität Hamburg-Harburg, analysiert worden. Da schrillten die Alarmglocken. Nicht etwa, weil Prof. Calmanos fachliche Kompetenz angezweifelt werden soll, sondern weil Calmano in der Vergangenheit bereits für Anti-Gasförderungs-Initiativen beratend tätig war und in der Folge im Zusammenwirken mit diesen Initiativen vom NDR als Experte konsultiert wurde. Eine neutrale Einschätzung ist daher anzuzweifeln.

Dies ließ vermuten, dass wiederum eine Initiative ursächlich für den Bericht war. Ich vermutete Herrn Bernd Ebeling als denjenigen, der Professor Calmano die Proben zugespielt hat. Das bestätigte sich am Tage der Ausstrahlung anhand eines Trailers, der den abendlichen Beitrag ankündigte. Ein seriöser Bericht war somit kaum zu erwarten, was sich letzten Endes dann auch bestätigte. Zudem zeichnete sich die freie Journalistin Heidi Mühlenberg für die Reportage verantwortlich. Noch etwas zur Person Ebeling: Dieser wird im Film als „Ingenieur“ bezeichnet. Es ist nicht auszuschließen, dass damit fachliche Kompetenz suggeriert werden sollte. Doch ist Herrn Ebelings Profession Wasserbauingnieur und nicht etwa Ingenieur der Erdöl-Erdgastechnik bzw. modern Petroleum Engineer.

Bereits Ende des Jahres 2014 fiel Frau Mühlenberg mit einem halbstündigen Feature zum Thema „Fracking“ beim MDR-Kultusender Figaro auf. Dieses Feature war gekennzeichnet durch Unwissen, Halbwahrheiten und als Gipfel frei erfundener Unwahrheiten. Zudem wurden Sachverhalte thematisiert, die mit dem Fracverfahren in keinster Weise etwas zu tun haben. Wir hatten dieses Feature seinerzeit in einer kleinen Serie detailliert zerpflückt (Halbstündige Desinformation zum „Fracking“ beim MDR Teil I). Siehe dazu auch rechts „Ähnliche Artikel“.

Mit der Konstellation Aktivist gegen Erdgasförderung, voreingenommene Journalistin sowie Wissenschaftler, der zuvor sowohl mit Aktivisten als auch Medien zusammenarbeitete, stand nun endgültig fest, dass mit einer sachlichen Reportage zum Thema Erdgasförderung und Quecksilber in keinster Weise zu rechnen sei. Ergänzt wurde die Konstellation durch einen schwer erkrankten ehemaligen Mitarbeiter des Förderbetriebes, der seine Erkrankung auf seine berufliche Vergangenheit zurückführt.

Fragen aber keine Antworten und widersprüchliche Argumente

Erdgaslagerstätte Altmark mit Teillagerstätten. Quelle: LBEG-Jahresbericht 2005

Erdgaslagerstätte Altmark mit Teillagerstätten. Quelle: LBEG-Jahresbericht 2005

Der Artikel bezieht sich im Wesentlichen auf den Text zur Reportage, der jedoch nahezu identisch mit dem Kommentar des Filmes ist. Unter dem beigefügten Video ist zu lesen: „Eine Erdgas-Industrieanlage in der Altmark belastet die Umwelt offenbar mit gefährlichem Quecksilber. Sind Anwohner und Arbeiter gefährdet?“ Eins vorweg: Diese Frage vermag der Bericht nicht zu beantworten. Sie wird es aber im Verlauf dieses Artikels.

Einleitend wird die Erkrankung eines einst für den Förderbetrieb tätigen Chemikers thematisiert. Dieser ist an einem Blasenkarzinom erkrankt und führt das auf die Stoffe Blei, Quecksilber sowie radioaktives Material, mit denen er berufsbedingt zu tun hatte zurück. Nur sind weder Blei noch Quecksilber als krebserregend bekannt.

Im Beitrag wird die Frage gestellt, wieviel Quecksilber im Boden steckt und ob dieses immer noch krank macht. Diese Frage treibe den Chemiker um. Jedoch wird auch diese Frage nicht durch den investigativen Artikel beantwortet. Dazu sei gesagt, dass Quecksilber dann zu meist chronischen Erkrankungen führt, wenn Menschen längere Zeit bzw. wiederholt hohen Belastungen ausgesetzt sind. Das trifft auf zahlreiche ehemalige Mitarbeiter des Förderbetriebes zu, die zu DDR-Zeiten aufgrund unzureichender Einhaltung von Sicherheitsstandards kontaminiert worden sind. Diesbezüglich soll an dieser Stelle erneut auf die Arbeit von Herrman Bubke verwiesen werden.

Liegen hier noch Altlasten und sind seit der Wende neue Umweltprobleme dazugekommen?

Der Leser ahnt es schon: Auch diese Frage wird nicht beantwortet. Denn aus den Bodenproben lässt sich nicht ableiten, ob es sich bei den ermittelten Werten um Altlasten handelt oder ob diese Ergebnis von nachwendezeitlichen Aktivitäten sind. Deshalb werden auch nur schwammige Interpretationen sowohl von Herrn Herold, dem Chemiker sowie Prof. Calmano zitiert.

Herr Herold sieht sich beispilesweise im Recht mit seiner Vermutung, dass durch die Erdgasförderung in der Altmark „recht erhebliche Quecksilberwerte“ verursacht worden sind. Prof. Calmano ergänzt, dass ein deutlicher Einfluss der Anlage erkennbar sei und die Quecksilberwerte sehr hoch für normalen Boden seien. Eine Einschätzung anhand der Bodenschutzverordnung, wie man sie von einem Umweltwissenschaftler zu erwarten wäre, erfolgt jedoch nicht. Denn die hätte ergeben, dass die beiden höchsten ermittelten Werte von 11 mg Quecksilber je kg Trockensubstanz Boden weit unter den Prüfwerten von Wohngebieten (20 mg/kg) Parks und Freizeitanlagen, wozu auch Wald zählen dürfte (50 mg/kg) sowie Industrieanlagen (100 mg/kg) liegen. Eine Gefährdung für Anwohner und Arbeiter besteht somit nicht.

Stattdessen wird für die Begründung der Schlussfolgerungen der Wert einer Nullprobe herangezogen. Diese wurde in nur 300 bis 400 Meter Entfernung der Proben mit den höchsten Werten genommen und wies einen Quecksilberwert von 0,093 mg/kg auf. Dieser in nur wenigen hundert Metern Entfernung ermittelte Wert verdeutlicht, dass kein bedeutender Einfluss von der Zentralstation Steinitz auf die Umwelt ausgeht. Doch für die Autorin Mühlenberg und ihre Zuarbeiter genügt als Argument für eine angebliche Gefährdung, dass die ermittelten Werte bis zu 160-fach über der Nullprobe lagen. Dass daraus jedoch keine seriöse Gefährdungsanalyse ableitbar ist, interessiert offenbar nicht.

Auf weitere Unzulänglichkeiten des Beitrages einzugehen, und davon gibt es noch einige, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Nur soviel: Einen „Erdgaskonzern“ GDF GAZ de France gibt es nicht. Der Betreiber der Zentralstation Steinitz heißt ENGIE E&P Deutschland GmbH. Vorgänger war das Unternehmen GDF-Suez E&P Deutschland GmbH mit Sitz in Lingen (Ems). Und die Anlage zur Rohrreinigung ist auch nicht irgendwo im Wald versteckt, was wohl Geheimniskrämerei unterstellen soll, sondern befindet sich uunmittelbar westlich der Zentralstation. Siehe dazu nebenstehendes Luftbild.

Richtigstellungen in der Lokalpresse

Workovereinsatz auf einer Erdgasbohrung in der Altmark. Sommer 2014. ©chef79

Workovereinsatz auf einer Erdgasbohrung in der Altmark. Sommer 2014. chef79

Wie kaum anders zu erwarten, war der Bericht über Erdgasförderung und Quecksilber auch Thema der Lokalpresse in Form des Artikels „Angst vor dem Quecksilber in Steinitz“.

Ein Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) hat die Einwohner von Steinitz und Umgebung in Aufregung versetzt.

Doch anders als Frau Mühlenberg stellten die Autoren die Frage, wie die Belastung um Steinitz tatsächlich einzuordnen sei und stellt mit Bezug auf die Bundesbodenschutzverordnung fest, dass sämtliche Werte unter den gesetzlichen Grenzwerten lägen. Das ist insofern zutreffend, da dieProben allesamt im Wald bzw. auf Ruderalflächen in unmittelbarer Umgebung der Anlagen genommen worden sind. Somit ist der Prüfwert von 50 mg Quecksilber je kg Trockenmasse Boden fü Park- und Freizeitanlagen maßgebend.

Auch das Wirtschaftsministerium sieht keinerlei Gefahr durch die ermittelten Werte und ordnet diese als Altlast aus DDR-Zeiten ein. Das wird durch den Betreiber bestätigt. Dort, wo die höchsten Werte ermittelt worden seien. sei früher Erdgas abgefackelt worden. Dass Fackeltätigkeiten, die zu DDR-Zeiten ohne heute vorgeschriebene Filter verantwortlich seien, war auch meine Vermutung. Schließlich ist unweit der Proben mit den höchsten Werten eine Fackelanlage in Form von zwei fassartigen Fackeln zu erkennen. Diese zylinderförmigen Gebilde wurden aufgrund ihrer Form im Jargon der altmärkischen Erdgasarbeiter als „Donnerrohre“ bezeichnet.

Zusätzlich sei in dem Bereich einstmals Lagerstättenwasser ausgelaufen, was zu einer zusätzlichen Quecksilberbelastung führte. Nach der Wende wurde der Bereich mit dem Zielwert von 30 mg/kg saniert. Somit verdeutlichen die ermittelten Werte von maximal 11 mg/kg, dass dieser Zielwert nicht nur erreicht, sondern sogar deutlich übertroffen wurde.

Auch die in der Diskussion stehende Rohrreinigungsanlage sei ebenfalls nicht ursächlich für die ermittelten Werte. Zwar erfolge die Reinigung nicht in einer Halle, aber dennoch in einem geschlossenen System, aus dem keine Stoffe austreten. Doch von einigen Anwohnern werde das bezweifelt. So hätte ein Anrufer Arbeiter in Vollschutzkleidung gesehen, die Rohre reinigten. Der Verfasser selbst ist häufig an der Anlage vorbeigefahren und hat hingegen nie jemanden dort arbeiten sehen.

Erdgasförderung und Quecksilber: Angst geschürt – Ziel erreicht?

EEW-Bohranlage T-47 bei der Ablenkung der Bohrung PGG 1 im Mai 2013 chef79

EEW-Bohranlage T-47 bei der Ablenkung der Bohrung PGG 1 (Mai 2013). ©chef79

Der MDR-Beitrag hatte es sich laut Selbstverständnis zur Aufgabe gemacht, über das Thema Erdgasförderung und Quecksilber in der Altmark aufzuklären und vor allem zu beantworten, ob noch heute eine Gesundheitsgefährdung für Arbeiter und Anwohner besteht. Dieser Aufgabe ist der Beitrag in keinster Weise gerecht geworden. Weder fand eine sachgerechte Einordnung ermittelter Quecksilberwerte statt, noch konnte herausgearbeitet werden, ob es sich dabei um Altlasten oder nachwendezeitliche, gar gegenwärtige Kontaminationen handelt. Das ist wenig verwunderlich, wenn weder einschlägige Verordnungen konsultiert werden noch mit dem vermeintlichen Verursacher gesprochen wird.

Somit erreichte der Beitrag schließlich das, was womöglich die eigentliche Intention war: Nicht etwa aufklären und Zusammenhänge erklären, sondern in der Lokalbevölkerung Angst und Skepsis gegenüber der altmärkischen zentralen Erdgasaufbereitungsanlage sowie der benachbarten Rohrreinigungsanlage zu erzeugen.

Das ist Frau Mühlenberg und ihren Zuarbeitern zumindest bei einigen Anwohnern gelungen. Die meisten dürfte es jedoch nicht interessieren, da sie bereits seit ca. 45 Jahren mit der Zentralstation leben und nicht reihenweise erkrankt sind.

Erdgasförderung und Quecksilber sind in der Altmark eng miteinander verknüpft. Und aufgrund mangelhafter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften sowie generell niedrigerer Sicherheitsanforderungen in der DDR gegenüber der Gegenwart sind über 200 Mitarbeiter des VEB Erdgasförderung Salzwedel von Schwermetallvergiftungen betroffen, viel von ihnen bereits verstorben. Diesbezüglich gibt es überhaupt nichts zu beschönigen oder zu verharmlosen. Es ist zudem unverständlich, dass die Erkrankungen bis heute nicht als Berufkrankheit anerkannt sind, obwohl die Krankheitsbilder eindeutig sind.

Doch das, was in der Vergangenheit war, rechtfertigt keine Angstmache bei der Lokalbevölkerung in der Gegenwart aufgrund mangelhafter Recherche und unseriöser Reportagen als deren Folge.

Artikelbild: Luftaufnahme der Zentralstation Steinitz. In der Bildmitte unten die Anlage zur Rohrreinigung. Bildquelle: GoogleMaps.

Quellenverzeichnis

Quellenverzeichnis
1Bubke, H. (2010): Studie zur Kontamination von Arbeitnehmern mit Quecksilber bei der Erdgasförderung in der Altmark

2 Kommentare zu Erdgasförderung und Quecksilber – Unverantwortliche Panikmache des MDR

  • Detlef Schulze sagt:

    Gerade kam in den Nachrichten des rbb, dass es gestern Abend in Lübben eine info-Veranstaltung von etwa 30 Gasfördergegnern gab, auf der dieser Wasserbauingenieur wieder einmal seine unsäglichen Auslassungen über die „Gefahren“ der geplanten Erdgasförderung nördlich von Lübben verbreiten konnte. Es herrschte unter den Anwesende Einmütigkeit, so der Berichterstatter, und kontroverse Ansichten wurden nicht geäußert. Sehr wahrscheinlich war nicht nur der Redner ein Protesttourist.

    1. SAR sagt:

      Interessante Information. Vielen Dank.

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