Gasförderungsgegnerin gibt zu: „Fracking“ ist Kunstbegriff

Diese etwas BILD-artige Schlagzeile mag merkwürdig anmuten, entspricht aber entgegen zahlreichen Artikeln der Zeitung mit den großen Buchstaben dennoch der Wahrheit. Ausgerechnet auf der Facebook-Präsenz der vereinigten Gegner der inländischen Erdgasgewinnung mit dem vielsagenden Namen „Stopp Fracking“ moniert eine Aktivistin unter dem Nutzernamen „Christine von Wilhelmsburg“ (im Folgenden „Christine“) die Nutzung des kafkaesken Begriffes „Fracking“. Ihre Ablehnung versucht sie mit abenteuerlichen Argumenten oder besser Behauptungen zu begründen.

„Fracking“ weder offiziell noch „überhaupt“ Begriff

Fracking

Fracequipment auf einer Erdgasbohrung im Erdgasfeld „Goldenstedt“. Bildquelle: BVEG

„Christine“ negiert, dass „Fracking“ „weder ‚offiziell‘ noch überhaupt ein ‚Begriff‘“ sei sondern das Wort eine Nebelkerze wäre, um die tatsächlichen Vorgänge bei Erstellen einer Tiefbohrung auf Kohlenwasserstoffe und die darauffolgende Förderung zu verschleiern. Wer an dieser Stelle Verschwörungstheorie-Alarm wittert, dürfte richtig liegen.

Tatsächlich ist „Fracking“ mutmaßlich eine durch US-amerikanische Medien geschaffene Abkürzung/Ableitung vom selbsterklärenden Begriff „Hydraulic Fracturing“. Es sollte einigermaßen gebildeten Menschen klar sein, dass US-Amerikaner dazu neigen, Begriffe zu verkürzen und zu verstümmeln. Ein bekanntes Beispiel ist „Coca Cola“, das umgangssprachlich zu „Coke“ verballhornt worden ist.

Inzwischen hat die umgangssprachliche Form „Fracking“ (von der sich die sprachwissenschaftlich logischeren Varianten „fracing“ sowie „fraccing“ nicht durchsetzen konnten) leider auch den Weg in offizielle und/oder wissenschaftliche Publikationen sowie Gesetzestexte gefunden. Nach These des Verfassers ist das damit zu begründen, dass sich der Umgangssprache angepasst wurde um zu erreichen, dass der fachlich unbeflissene Mitbürger versteht, worum es geht. Wir werden auf dieser Website jedoch weiterhin von Hydraulic Fracturing, hydraulischer Stimulation oder auch Fracjobs sprechen und zur allgemeinen Verständlichkeit ein „umgangssprachlich ‚Fracking'“ in Klammern hinzufügen.

Das Interessante ist, dass sich die gesamte Anti-Gasförderungs-„Bewegung“ auf diesem angeblichen „Nichtbegriff“ gründet und sich über diesen definiert. Teilweise haben sich ganze Bürgerinitiativen (BI) mit dem Begriff versehen und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) redet permanent und selbstgefällig von einer „Anti-Fracking-Bewegung“. Des Weiteren ist es zusätzlich die Gegnerschaft gewesen, die unter „Fracking“ mehr verstehen wollte und will als den eigentlichen Fracvorgang; nämlich die gesamte Kette von der Vorerkundung über die Bohrung, das Fracen selbst, die Förderung bis hin zur Entsorgung mitgeförderten Wassers. Zahlreiche Medien spielen hierbei ebenfalls eine unrühmliche Rolle, indem sie die Schiefergasförderung mit „Fracking“ gleichsetzen.

Branche wechselt angeblich permanent Bezeichnungen

Fracarbeiten im Erdgasfeld „Söhlingen“. Bildquelle: BVEG

Nach Meinung von „Christine“ verhält es sich angeblich so, dass die Branche ständig Bezeichnungen für Aktivitäten an Erdöl- und insbesondere Erdgasbohrungen ändere so wie Leute ihr Hemd wechselten. Nun ist es aber nicht das Problem der Branche, wenn Aktivistinnen und Aktivisten wie „Christine“ nicht vermögen, zwischen den unterschiedlichen Verfahren zu differenzieren und anzuerkennen, dass es für verschiedene Vorgänge verschiedene Bezeichnungen gibt.

Die von ihr erwähnte Säurebehandlung ist nun einmal im Erfolgsfall eine Optimierung der Erdgasförderung, weil die Säure durch Mineralien verstopfte Fließwege zwischen den Gesteinskörnern innerhalb der Lagerstätte beseitigt und so einen optimaleren Gaszustrom zur Bohrung ermöglicht. Dieses Verfahren ist gleichzeitig eine Stimulationsmaßnahme (nach DDR-Nomenklatur Intensivierung), worunter auch hydraulische Stimulationen fallen. Reinigungsarbeiten sind ebenfalls Optimierungen, bei denen Ablagerungen innerhalb der Bohrung beseitigt werden und wiederum einen verbesserten Gasfluss ermöglichen. Da sie jedoch nicht innerhalb der Lagerstätte vorgenommen werden, handelt es sich nicht um eine Stimulation.

Workoverarbeiten dienen hingegen dazu, Beschädigungen in der Bohrung zu beseitigen. Dazu zählen der Austausch von verschlissener untertägiger Ausrüstung wie Produktionspackern oder der Wechsel des Förderrohrstrangs.

Dass „Christine“ gewisse Probleme mit den verschiedenen Begriffen für differente Maßnahmen hat, hat der Verfasser schon vor etwas mehr als vier Jahren im Beitrag Wenn man keine Ahnung hat… erläutert.

„Fracking“ angeblich Mischung aus Wissenschaftssprache und Französisch

Gefracte Erdgasbohrung „Preyersmühle-Süd Z1“. Foto: Steven Arndt, April 2017.

„Christine“ behauptet weiterhin in ihrem Facebook-Kommentar, dass das Wort „Fracking“ angeblich eine Mischung aus Wissenschaftssprache und Französich sei. Wie sie darauf kommt, erläutert sie in keinster Weise.

Nochmals: Das Wort „Fracking“ war in Fachkreisen bis 2010/2011 zumindest hierzulande völlig unbekannt. Tatsächlich gab es in Fachpublikationen etwas über Hydraulic Fracturing, Fracbehandlungen oder ähnliches zu lesen. Selbst in einem Gedicht aus den 1960er Jahren mit dem Titel „Die Sonde“, welches von einem Mitarbeiter des VEB Erdöl-Erdgas Grimmen verfasst worden ist, fand das Verb „fracen“ Verwendung (nachzulesen im Buch „Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“). Dieses Gedicht handelte von der versuchten Inproduktionssetzung einer Erdölbohrung, bei der als förderanregende (stimulierende) Maßnahme u.a. auch das hydraulische Fracverfahren zur Anwendung kam. Fakt ist, dass „Fracking“ nicht aus der Wissenschaftssprache abgeleitet worden ist.

Woher das „k“ im Wort „Fracking“ herrührt, ist nicht bekannt. Wie bereits oben erwähnt, gibt es sprachlich logischere Alternativen wie „fracing“ oder „fraccing“ (https://en.wiktionary.org/wiki/fracking#English). Auch für den von „Christine“ behaupteten französischen Einfluss gibt es keinerlei Indizien, ist die -ing – Endung doch typisches Merkmal des Partizip Präsenz sowie des Gerundiums (gerund) im Englischen. Ein romanischer Einfluss (Französisch gehört zu den romanischen Sprachen) ist jedoch gegeben. Schließlich hat das „F-Wort“, um das sich dieser Artikel dreht, seine Wurzeln in der urromanischen Sprache, dem Latein, und zwar als Substantiv „fractura“, was nichts weiter als Bruch bedeutet.

Und damit wären wir wieder bei der Bedeutung des Begriffes Hydraulic Fracturing, von dem Fracking abgeleitet worden ist, der nicht mehr und nicht weniger bedeutet als die Erzeugung von Brüchen/Rissen in Festgestein (fractures) infolge von Druckübertragung mittels einer Flüssigkeit (Hydraulik).

Es wäre schön, wenn diese einzig gültige Bedeutung nach jahrelanger medialer Desinformation endlich Einzug in die Redaktionsstuben hielte. Allerdings ist zu befürchten, dass diesbezüglich im Zeitalter des gegenseitigen Abschreibens längst Hopfen und Malz verloren ist und weiterhin „Fracking“ mit dem Gesamtprozess der Erdgasgewinnung gleichgesetzt wird, sofern das Fracverfahren angewndet wird, wie es auch die Anti-Gasförderungs-BI tun.

Wohlgemerkt mit Ausnahme der Gruppierung aus dem Raum Rotenburg/Wümme, der auch „Christine“ angehört. Diese zeichnet sich hingegen damit aus, nicht zu verstehen, dass verschiedene Maßnahmen unterschiedlich bezeichnet werden sowie mit abenteuerlichen Erklärungen zur Herkunft des Begriffes „Fracking“ (LINK).

 

Artikelfoto: Fracarbeiten in der Erdölbohrung „Barth 11“ in Vorpommern. Bildquelle: CEP