Offener Brief an die „Weserkurier“-Journalistin Silke Looden bezüglich desinformierender Artikel zum Thema Erdöl- und Erdgasförderung
In den vergangenen zwei Monaten erschienen beim „Weserkurier“ zwei Artikel, die sich mit der Erdöl- und Erdgasförderung in Niedersachsen befassten. Gekennzeichnet sind beide Artikel, die aus der Feder von Silke Looden stammen, durch nicht belastbare Vermutungen und Falschaussagen. Ein Artikel scheint sogar das Produkt der Anti-Fracking-Bürgerinitiative „Gegen Fracking“aus der Region Neustadt am Rübenberge zu sein. Das veranlasste mich zum folgenden offenen Brief an Frau Looden.
Sehr geehrte Frau Looden,
als Betreiber der Internetpräsenz „Erdöl und Erdgas in Deutschland“, deren Bestreben es ist, über die Erdöl- und Erdgasgewinnung in Deutschland sachlich zu informieren sowie Berichte darüber kritisch zu kommentieren habe ich auch Ihre Artikel „Pannenserie auf Erdölfeld Bramberge“ sowie „Krebs durch Erdgasförderung? – Bangen in Bothel“ gelesen. Beide haben aufgrund ihrer Voreingenommenheit und damit einhergehender Desinformation ungläubiges Kopfschütteln verursacht und gaben Anlass zu diesem offenen Brief.
Zunächst möchte ich auf den am 15.09.2015 erschienen Artikel „Pannenserie auf Erdölfeld Bramberge“ eingehen.
Es stellt sich zunächst die Frage, ob aufgrund der Verschiedenartigkeit der vier thematisierten Vorfälle überhaupt von einer „Serie“ gesprochen werden kann. Denn Serien sind gekennzeichnet durch Gemeinsamkeiten und regelmäßig bauen die einzelnen Teile aufeinander auf, so dass sie ein Ganzes ergeben. Es ist zudem falsch, sämtliche der vier Vorfälle als „Ölunfälle“ zu bezeichnen. Denn bei zwei der vier Unfälle ist es zu keinem Austritt von Erdöl gekommen.
Dass sich tendenziell Unfälle häufen, wie Sie behaupten, ist ebenfalls nicht richtig. Wenn überhaupt eine Tendenz zu erkennen ist, dann die, dass seit dem schweren Unglück auf der Bohrung „Bramhar 10a“ mit vier Schwerverletzten, von denen später ein Mitarbeiter seinen schweren Brandverletzungen erlag, die Unfallhäufigkeit zurückgeht. Um das herauszufinden muss man jedoch ein Tabellenkalkulationsprogramm bemühen und in einem Diagramm eine Trendlinie generieren. Im Übrigen ist dieses schwere Unglück das erste seiner Art seit Jahrzehnten gewesen. Der letzte sogenannte Blowout trat am Erdgasspeicher im pfälzischen Frankenthal im Jahr 1980 auf und wurde mit Hilfe des berühmten Paul „Red“ Adair erfolgreich bekämpft („Hoher Druck„, Der Spiegel 42/1980).
Was neben diesen Falschaussagen besonders nachdenklich stimmt, ist, dass zwei Wochen vor Erscheinen des Artikels ein inhaltliches Pendant durch die Gruppierung „Gegen Fracking“ unter der völlig unangemessenen Überschrift „Chaos im Emsland“ verbreitet worden ist. Es ergibt sich somit der Verdacht, dass Sie dieser Gruppierung (persönlich?) nahestehen und Ihr Artikel dazu dienen sollte, die Propaganda dieses im Raum Neustadt am Rübenberge, also fernab vom Emsland, beheimateten Zusammenschlusses zu unterstützen. Doch seit wann ist es Aufgabe der Medien, Interessengemeinschaften unkritisch ein Forum zu geben? Was zusätzlich zum Stirnrunzeln führt, ist, dass Ihr Artikel beim Weserkurier unter der Rubrik „Regionales“ erschien. Dabei hat die Zeitung überhaupt keine Verbreitung in der Region Lingen.
Zusätzlich lässt die Unterschrift zum Artikelfoto auf mangelhafte journalistische Sorgfalt schließen. Dort ist zu lesen:
Glimpflich verlief dieser Brand auf dem Betriebsgelände Bramberge. Er war am Fuß einer Gasfackel ausgebrochen. (dpa)
Tatsächlich zeigt das Foto den fatalen Brand infolge des Blowouts auf der Förderbohrung „Bramhar 10a“, der alles andere als glimpflich verlief. Mit Verlaub: So ein Fauxpas ist einfach nur peinlich für die journalistische Zunft.
Nun zum Artikel „Krebs durch Erdgasförderung? – Bangen in Bothel“. Dieser ist außerhalb des als Kommentar gekennzeichneten Teils durch viel Meinung und Spekulation, aber durch eine dünne Faktenbasis charakterisiert.
Sie schreiben einleitend:
In Bothel bebt die Erde und im vergangenen Jahr wurde eine erhöhte Krebsrate festgestellt. Ob dies mit der Erdgsförderung zusammenhängt, ist nicht eindeutig geklärt. Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch.
Dass zwischen dem nicht gespürten Erdbeben und der Erdgasgewinnung wahrscheinlich ein Zusammenhang besteht, ist richtig. Dass zwischen der erhöhten Blutkrebsrate, die ausschließlich bei Männern festgestellt worden ist, und der Erdgasgewinnung ein wahrscheinlicher Zusammenhang besteht, ist Ihrer Phantasie entsprungen. Denn dem Bericht des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsens (EKN) ist Folgendes zu entnehmen:
Aussagen zur Ursache von lokalen Krebshäufungen sind mit Analysen, die sich ausschließlich auf Krebsregister-Routinedaten beziehen, nicht möglich.
Dementsprechend ist Ihre Behauptung, dass erhöhte Quecksilberwerte im Umfeld der Erdgasförderplätze in der Region einen Zusammenhang vermuten lassen, zurückzuweisen.
Erhöhte Raten bei Krebserkrankungen sind lediglich in der Gruppe der Leukämien/Lymphome (Blutkrebs) und hier ausschließlich bei Männern dokumentiert worden. Trotz intensiver Recherche konnte ich keine belastbare Quelle auftreiben, die einen Zusammenhang zwischen Quecksilber und Blutkrebserkrankungen bestätigt. Eventuell können Sie mir weiterhelfen, da Sie überzeugt, jedoch nicht überzeugend, einen Zusammenhang zwischen den Blutkrebserkrankungen und den im Umfeld von zwei Betriebsplätzen festgestellten Quecksilberkontaminationen als wahrscheinlich ansehen.
Im Übrigen sind nicht nur 41 Einwohner der Samtgemeinde an Krebs zwischen 2003 und 2012 neu erkrankt, sondern laut EKN-Bericht 533 Personen. Die Zahl 41 bezieht sich lediglich auf die Blutkrebs-Neuerkrankungen bei Männern im besagten Zeitraum. Und allein diese 41 Fälle stellen eine statistisch signifikante Erhöhung dar und das auch nur in der Kohorte „Männer“. Bei Frauen gab es dagegen keine signifikanten Erhöhungen. Im Gegenteil: der statistisch zu erwartende Wert von 16 Neuerkrankungen wurde mit 15 knapp unterschritten. Ebensowenig gab es bei anderen Krebserkrankungen entgegen Ihrer allgemein gehaltenen Suggestion „erhöhte Krebsrate“ eine statistisch signifikante Erhöhung. Doch das verschweigen Sie vorsichtshalber.
Den Kommentar zu Ihrem Artikel überschreiben Sie mit „Erschreckend“. Ja, das ist der Kommentar aufgrund der zum Teil dort getroffenen Falschbehauptungen tatsächlich. So ist z.B. bezüglich der an zwei Plätzen, auf denen Anlagenteile gereinigt wurden, festgestellten Quecksilberkontaminationen zu lesen:
Etwaige Sanierungsmaßnahmen, aber auch strafrechtliche Konsequenzen wurden geprüft, aber bislang nicht eingeleitet.
Denn tatsächlich sind die Sanierungsarbeiten im Umfeld der Plätze „Söhlingen-Ost Z1“ sowie „Söhlingen Z6/Z11“ bereits abgeschlossen. Dieses Faktum ist dem Protokoll des Regionaldialog Erdgas ROW, 28. Mai 2015, Protokoll 3 zu entnehmen. Dort steht:
Mit den Aufsichtsbehörden wurden ein Untersuchungs- und Sanierungsprogramm abgestimmt. Alle Arbeiten sind abgeschlossen.
Zum Thema Erdgasförderung und Erdbeben ist zu sagen, dass seit Jahren, ja seit Jahrzehnten bekannt ist, dass durch die Entnahme großer Volumina von Erdgas aus den Lagerstätten Erdbeben induziert werden können. Doch im Regelfall sind die Beben nicht einmal spürbar. So verhielt es sich auch mit dem diesjährigen Ereignis bei Bothel. In einem sachlichen Artikel hätte das erwähnt werden müssen. Sie haben das stattdessen verschwiegen und somit bleibt beim Leser nur die unberechtigte Suggestion Beben = Gefahr hängen.
Journalisten fühlen sich in den letzten Monaten aufgrund von (teilweise unsachlicher/überzogener) Kritik an ihrer Arbeit auf den Schlips getreten oder sogar beleidigt. Dass die Kritik berechtigt ist, habe ich mit diesem Brief dargelegt. Es bleibt zu hoffen, dass Sie sich dieser Kritik annehmen und zukünftig Artikel verfassen, die sich an der Faktenlage orientieren und nicht auf Vermutungen und Unterstellungen basieren.
Mit freundlichen Grüßen.
Steven Arndt, Erdöl und Erdgas in Deutschland
Artikelfoto: Erdölförderbohrungen Bramhar 60 und 62 ©chef79