Protest gegen Ölförderung in der Niederlausitz: Ohne Belege für Anschuldigungen und Unterstellungen

Vor zwei Wochen berichteten wir über Widerstand gegen eine eventuelle Kohlenwasserstoffgewinnung (Erdgas/Kondensat/Erdöl) in der Niederlausitz in Form von anonymen Flyeraktionen (Artikel). Laut eines Artikels der „Lausitzer Rundschau“ (LR) hat sich die neu gegründete Bürgerinitiative (BI) mit dem seltsamen sowie irreführenden Namen „Gegen Gasbohren im Oberspreewald“ nun aus der Anonymität herausgewagt. Sie veranstaltete eine sogenannte „Informationsveranstaltung“, die die angeblichen schwerwiegenden Folgen der Ölförderung in der Niederlausitz darstellen sollte. Auf den mit kritischen Untertönen gespickten Beitrag der LR soll im folgenden Artikel kommentierend eingegangen werden.
Zusammenfassung der anonymen Flyeraktion gegen Ölförderung in Südostbrandenburg
Mit dem ersten Flyer versuchte die BI in erster Linie die Befürchtung unter die Anwohner zu streuen, dass das „Erholungsgebiet Schwielochsee“ durch die mögliche Ölförderung in der Niederlausitz bedroht wäre. Als Belege wurden Punkte angeführt, die zumindest zweifelhaft sind (angebliche nächtliche Lärmbelästigungen bei Testarbeiten, über die seinerzeit im Mai 2016 nirgendwo berichtet wurde) oder rechnerisch widerlegt werden können (angeblich 50 Tankwagentransporte täglich statt maximal erforderlicher 11). Und auch vor der Instrumentalisierung von überdurchschnittlich vielen an Blutkrebs erkrankten älteren Männern in der Samtgemeinde Bothel sowie der benachbarten Kreisstadt Rotenburg/Wümme, deren Erkrankungsursache nach wie vor völlig offen ist und quasi alles gegen die dortige Erdgasförderung als Ursache spricht (Erdgasförderung und Blutkrebs in der Region Rotenburg – Was gegen einen Zusammenhang spricht), ist nicht zurückgeschreckt worden.
Der zweite Flyer, den wir hier nochmals abbilden, rief dazu auf, die MDR-Sendung „Verstrahlt – Vergiftet – Vergessen“ der Autorin Heidi Mühlenberg einzuschalten. In dieser Sendung sind tatsächliche wie angebliche Probleme dargestellt worden, die einzig und allein auf unzureichende Arbeits- und Umweltschutzvorkehrungen zu DDR-Zeiten zurückzuführen sind. Offene Deponien, wie im Film dargestellt, dürfen schon seit mindestens 2 Jahrzehnten nicht mehr angelegt werden und hinsichtlich des Arbeitsschutzes sind Vergiftungen durch mitgeförderte Schwermetalle wie Quecksilber heutzutage ausgeschlossen.
Hinzu kommt, dass in Kohlenwasserstofflagerstätten im Zechstein aus geochemischen Gründen mit Quecksilber nicht zu rechnen ist und somit entsprechende Belastungen für Mitarbeiter und erst recht für Anwohner im Zuge der eventuellen Ölförderung in der Niederlausitz auszuschließen sind. Bezüglich der angeblichen Verstrahlung ist zu sagen, dass ein im Film gezeigter inzwischen verstorbener ehemaliger Mitarbeiter des „VEB „Karl Marx“ Erdgasförderung Salzwedel“ seine Blasenkrebserkrankung auf Radioaktivität zurückführte, ohne dies belegen zu können. Siehe dazu unseren Artikel MDR-Exakt über ausgemusterte Erdgasförderstränge – Panikmache mit Radioaktivität Teil I.
Im damaligen MDR-Beitrag, der am 17.05.2017 ausgestrahlt wurde, kam ebenso wie im jüngsten MDR-Beitrag der Wasserbau-Ingenieur und Umweltaktivist Bernd Ebeling sowie Mitglied von Bündnis90/Die Grünen als sogenannter „Experte“ zu Wort. Damit ist die Brücke zur Veranstaltung der BI „Gegen Gasbohren im Oberspreewald“ gegen die Ölförderung in der Niederlausitz geschlagen.
Sachliche Information zur Ölförderung in der Niederlausitz durch Aktivisten?

Schematische Darstellung des Bohrpfadverlaufs der Bohrung „Guhlen 1“ sowie der fündigen Ablenkung „Guhlen 1a“ am Standort der Bohrungen. Foto: Steven Arndt, Juli 2018
Kennzeichnend für die sogenannten „Informationsveranstaltungen“ der BI „Gegen Gasbohren“ bzw. „Gegen Fracking“ oder ähnlich ist, dass regelmäßig Referenten eingeladen werden, die bekennende Kritiker bis beinharte Gegner der Kohlenwasserstoffgewinnung in Deutschland sind. Und so verhält es sich auch laut des Berichtes der LR bezüglich der Veranstaltung gegen Ölförderung in der Niederlausitz der BI „Gegen Gasbohren im Oberspreewald“. Als Referent durfte Herr Ebeling, hauptberuflich Spezialist für biologische Kläranlagen, zu Wort kommen. Seine schwarzmalerischen Ausführungen haben sicherlich einige Anwesende überzeugt und die BI-Vertreter in ihrer Ablehnung bestätigt, doch die LR sieht seine Darstellungen erfreulicherweise und völlig zu Recht nicht unkritisch.
Fälle, die direkt mit der Firma CEP in Zusammenhang stehen könnten, waren nicht dabei.Lausitzer Rundschau>
Laut des Artikels der beinhaltete Ebelings Vortrag die üblichen Argumente gegen Kohlenwasserstoffgewinnung in Deutschland im Allgemeinen, die nach begründeter Ansicht des Verfassers nicht auf eine mögliche erneute Ölförderung in der Niederlausitz im Speziellen übertragbar ist. Das allein schon deshalb, weil Ebeling offenbar vornehmlich auf Probleme einging, die in Praktiken der weiter zurückliegenden Vergangenheit liegen (offene Bohrschlammgruben), geologisch bedingt nicht auftreten können (Quecksilberproblematik), oder einem glücklicherweise untergegangenem politischen System geschuldet waren.
Auch vor der Instrumentalisierung der überdurchschnittlich vielen an Blutkrebs erkrankten älteren Männer in der Samtgemeinde Bothel sowie der benachbarten Kreisstadt Rotenburg/Wümme schreckte Ebeling laut LR-Artikel nicht zurück, gestand aber wohl ein, dass es ein kausaler wissenschaftlich begründeter Nachweis nicht existiert. Dabei stellt sich die Frage, die sich auch an Journalisten insbesondere beim NDR, Radio Bremen oder auch der Rotenburger Kreiszeitung richtet: Warum wird seitens der BI sowie der genannten Medien permanent suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen der Erdgasproduktion und den Krebserkrankungen besteht? Die Suggestion besteht dabei nicht nur in der Erwähnung der Gasförderung als „nicht auszuschließende“ Ursache, sondern vor allem in der Verwendung von Bildmaterial, welches regelmäßig Erdgasförderanlagen zur Illustrierung der Beiträge zeigt.
Insgesamt soll Ebelings Vortrag ein „düsteres Bild der Förderungsfolgen“ aufgezeigt haben. Die LR merkt dazu an, dass Ebeling ein Zitat von vorgeblichen Anwohnern im Landkreis Gifhorn „Mit dem schwarzen Gold ist der Tod gekommen“ nicht belegen konnte.
Anhand des LR-Artikels zeigt sich einmal mehr, dass es den in BI organisierten Gegnern der Kohlenwasserstoffgewinnung nicht darum geht, auf ihren sogenannten „Informationsveranstaltungen“ sachlich aufzuklären, sondern Mitbürger dahingehend zu beeinflussen, dass diese ebenfalls eine ablehnende Haltung einnehmen. Dazu schein jedes Mittel recht zu sein.
Positive Einstellung droht zu kippen
Dabei war die Region gegenüber einer möglichen Kohlenwasserstoffgewinnung in den vergangenen Jahren durchaus positiv eingestellt, wie es auch aus dem Artikel der LR zu erfahren ist. Zwar gab es vereinzelt Kritik, aber keinen organisierten Protest gegen die Pläne. Laut des Bürgermeisters Rainer Hilgenfeld sei die CEP Central European Petroleum GmbH (CEP) sogar mit offenen Armen empfangen worden sein.
Doch dadurch, dass bekannt wurde, dass eventuell bis zu 40 Bohrungen erforderlich sein könnten, um das geschätzte Kohlenwasserstoffpotenzial in der Region abzufördern, sind einige Anwohner aufgeschreckt worden, die anscheinend tatsächlich glaubten, dass größere Volumina an Kohlenwasserstoffen mit nur ein bis zwei Bohrungen produziert werden könnten. Die verwendeten Konjunktive verdeutlichen, dass die genannte Zahl nicht gesetzt ist. Wie auch? Schließlich sollen noch Bohrungen erfolgen, die die vermutete größere Lagerstätte, die eine Wiederaufnahme der Ölförderung in der Niederlausitz erst ökonomisch rechtfertigen würde, bestätigen.
Angeblich hätte man nur durch Zufall erfahren, dass 40 Bohrungen im Raum Schwielochsee geplant seien, weswegen man schockiert gewesen sei, wird mit Bezug auf den BI-Sprecher Olaf Buder in der LR berichtet.
Nach uns vorliegenden Informationen verhält es sich jedoch so, dass CEP die Gemeinde über die mögliche Größenordnung in Kenntnis gesetzt hat, sofern sich die vermuteten Potenziale bestätigen. Ein offenbar kritischer Gemeindevertreter ist mit dieser sehr wahrscheinlich vertraulichen Information an die Öffentlichkeit gegangen und hat diese als Faktum weitergegeben.
Mit Unwahrheiten und Diffamierung gegen Ölförderung in der Niederlausitz
Olaf Buder ist übrigens bei Niederlausitz aktuell, wo über die Gründung der BI mit dem irreführenden Namen „Gegen Gasbohren im Oberspreewald“ berichtet wird, folgendermaßen zitiert worden:
„Für die Bürgerinitiative besteht kein Zweifel, dass die Pläne von CEP gravierende Konsequenzen haben werden, für ein sauberes Trinkwasser, die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und eine funktionierende Infrastruktur. Vor allem aber lebt die Region rund um den Schwielochsee vom Tourismus, vom Wasser, von seiner unberührten Natur. Es ist ein Schatz, wie es ihn in Deutschland nur noch selten gibt. Gerade deshalb fühlen sich die Menschen hier so wohl. Es ist ihr Zuhause, das nun auf dem Spiel steht. Ihre Heimat für das Gewinnstreben eines dubiosen kanadischen Unternehmens zu opfern, kommt für sie nicht in Frage.“
Das ist wiederum heftiger Tobak, der durch nichts belegt ist. In keiner Öl-/Gasförderregion in Deutschland gab es trotz jahrzehntelanger Produktion Probleme hinsichtlich der Reinheit sauberen Trinkwassers. Auch gesundheitliche Probleme, die auf die Erdöl-/Erdgasförderung zurückzuführen sind, sind nirgendwo in Deutschland belegt. Im Gegenteil: Bisherige Untersuchungen widerlegen diese Unterstellung.

Ferienhäuder mitten im Wald, Bootsanleger am Ufer: Soviel zum Thema „unberührte Natur“ am Schwielochsee. Bildquelle: GoogleMaps.
Zu behaupten, dass die Region rund um den Schwielochsee von seiner „unberührten Natur“ lebt, ist ziemlich dreist. Die Region lebt angeblich vom Tourismus, was logisch betrachtet nicht mit „unberührter Natur“ einhergehen kann. Tatsächlich ist das Umfeld des Sees durch eine eher langweilige von Ackerbau und Kiefernwäldern geprägte Kulturlandschaft charakterisiert. Und selbst in die angeblich „unberührte Natur“ des Sees und dessen Ufers ist durch künstliche Badestrände, Bootsanlegeplätze sowie Ferienhaussiedlungen im Wald eingegriffen worden. Solche Landschaften sind alles andere als selten, sondern der Regelfall im Jungmoränengebiet Nordostdeutschlands, welches sich von Ostholstein bis in die Niederlausitz erstreckt.
Zum „dubiosen kanadischen Unternehmen“ nur soviel: Uns gegenüber wird sich aufgrund unserer Kritik den BI gegenüber beklagt, dass wir sie diffamieren würden. Sie sollten sich bezüglich ihrer permanenten Diffamierungen udn Schimpftiraden Unternehmen und Behörden gegenüber an die ureigenste Nase packen und ihre wiederholten Ausfälle selbstkritisch reflektieren.
Unterstützung von ortsfremden BI

Ungefähr so könnte ein Förderplatz aussehen. Hier ein Beispiel aus Polen in analoger geologischer Situation. Statt zwi Bohrungen wie im Bild lassen sich auch ohne Weiterse noch mehr pro Platz zusammenfassen. Foto: Steven Arndt, Juli 2018.
Wie kaum anders zu erwarten, wird die BI „Gegen Gasbohren im Oberspreewald“ von ortsfremden Initiativen unterstützt. Bereits vor Erscheinen des LR-Artikels haben wir vermutet, dass Vertreter der um ihre Daseinsberechtigung beraubten Initiative „Bürger in Bewegung“ aus Märkisch-Bucholz sich dort engagieren. Diese opponierte gegen eine geplante Erdgasförderung aus einem bereits seit DDR-Zeiten bekannten Vorkommen.
Ein sehr rühriger Vertreter dieser BI ist Herr Altreuther, welcher recht häufig unsere Beiträge zum Projekt „Märkisch-Buchholz“ und jüngst auch zur geplanten Ölförderung in der Niederlausitz kommentierte. In einem Kommentar zu unserem kritischen Artikel zur Flyeraktion äußerte er sich wie folgt:
„Als jetzt hier nicht direkt Betroffener, obwohl ich in der Nähe von Goyatz zur Schule ging, kann ich ohne Emotionen das Thema betrachten.“
Laut LR-Artikel kann er dies offensichtlich nicht. Schließlich war er auf der Veranstaltung der BI „Gegen Gasbohren im Oberspreewald“ nicht nur anwesend, sondern gab auch Ratschläge, wie der Protest zum Erfolg führen könnte. Irritierend ist dabei, dass er wohl meinte, dass man für oder gegen die Kohlenwasserstoffgewinnung sein könne, aber die Meinung dahingehend gebildet werden sollte, dagegen zu sein.
Neben der BI „Bürger in Bewegung“ kam zudem mit Anette Hildebrand eine Vertreterin gegen eine einstmals angedachte Kohlendioxid-Sequestierung in wasserführenden Gesteinsschichten der älteren Trias (Buntsandstein) im tieferen Untergrund Ostbrandenburgs zu Wort. Ihr Statement: „Der erste wichtige Punkt ist, sich zu informieren, Fachleute zu befragen, sich zu belesen: wissen, wissen, wissen.“
Der Forderung kann man sich nur anschließen: Liebe BI, ladet doch endlich mal Fachleute ein, die sich mit den diskutierten Fragestellungen über Jahre hinweg befasst haben. Und nein: Fachfremde Aktivisten wie Herr Ebeling oder ein durch die Lande reisender Landwirt oder solche des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz sind keine Fachleute, auch wenn sie es gerne vorgeben. Sie sind auch nur Personen, die ihre Interessen durchsetzen wollen. Die beste Mischung für sachliche und ergebnisoffene Informationsveranstaltungen wäre übigens aus unserer Sicht die Einladung von Vertretern des Unternehmens, welches in den jeweiligen Regionen aktiv werden will, ein Kritiker des Vorhabens sowie ein Vertreter der zuständigen Fachbehörde. Denn nur in diesem Rahmen wäre eine sachgerechte Debatte möglich.
Zur von den Gegnern eingeforderten Ehrlichkeit gehört auch, wenn man schon eine BI gründet, eine korrekte Namensgebung. Mitnichten ist angedacht, dass im Oberspreewald nach Gas gebohrt werden soll. Die grob umrissene Bewilligung zur Förderung von Kohlenwasserstoffen erstreckt sich außerhalb des Oberspreewaldes und vor allem außerhalb des sumpfigen mit grundwassertoleranten Bäumen bestockten Gebietes, welches gemeinhin als „Spreewald“ verstanden wird. Eine ehrlichere Bezeichnung wäre „BI Gegen Öl- und Gasförderung am Schwielochsee“. Doch da kaum jemand außerhalb Brandenburgs den Schwielochsee im Gegensatz zum Spreewald kennt, hat sich die BI offensichtlich einer irreführenden Namensgebung bedient, um auch potenzielle Spreewaldtouristen für ihre Kampagne zu gewinnen.
In den Kanon der BI stimmte erwartungsgemäß noch Heide Schinowski (Bündnis90/Die Grünen), Mitglied des Landtags Brandenburg, ein. Ursprünglich sollte ihre Stellungnahme zur möglichen Ölförderung in der Niederlausitz auch in diesem Beitrag diskutiert werden. Doch um den schon umfangreichen Artikel nicht weiter aufzublähen, wird es eventuell in den nächsten Tagen einen eigenen dazu geben.
An die CEP kann nur appeliert werden, die Argumente der BI-Vertreter sich genau anzuschauen und anhand diverser Quellen, auch hier bei uns, stichhaltige Gegenargumente zu formulieren. Gerade hinsichtlich der abscheulichen Instrumentalisierung von an Blutkrebs erkrankter Menschen sollte klare Kante gezeigt werden.
Artikelfoto: Wegweiser zum Bohrplatz „Guhlen 1“ unweit von Goyatz. Foto: Steven Arndt, Juli 2018.