Zukunftsweisende Konzepte der Erdgasproduktion in Deutschland Teil II
Im ersten Teil des Beitrages haben wir uns mit Konzepten befasst, die die Nutzung von Erdgaslagerstätten im Fokus haben, welche aufgrund ihrer Lage sowie der Zusammensetzung der Erdgase innovative Gewinnungs- und Aufbereitungs- sowie Verwertungsstrategien erfordern. Im zweiten Teil betrachten wir die Vorstellungen einer raum- sowie ressourcenschonenden Erschließung einheimischer Schiefergaslagerstätten, die eine Zukunft der Erdgasproduktion in Deutschland ermöglichen kann.
Im Jahr 2008 begann, von der Öffentlichkeit kaum registriert, die aktive Erkundung potenzieller Schiefergaslagerstätten in den geologischen Formationen des jurassischen Posidonienschiefers sowie des kretazischen Wealden. Aktive Erkundung bedeutet, dass erste Explorationsbohrungen abgeteuft wurden. Einige dienten lediglich dem Zweck der Gewinnung von Gesteinskernen, wie die Bohrung „Schlahe 1“ bei Sulingen, in anderen sollten bzw. wurden weiterführende technische Maßnahmen durchgeführt. Beispielsweise sind in der Bohrung „Damme 3“ im Landkreis Vechta in unterschiedlichen Teufenniveaus insgesamt drei Fracbehandlungen durchgeführt worden.
Doch bereits wenige Jahre später kam die Exploration, die von der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) vollzogen wurde, wieder zum Erliegen. Grund dafür sind nicht etwa ernüchternde Explorationsergebnisse gewesen, sondern aufkeimender Protest gegen eine eventuelle (!) spätere Förderung. Ursächlich verantwortlich für die Ablehnung dürfte der Film „Gasland“ gewesen sein, deren in wesentlichen Teilen wahrheitswidrige Darstellungen unkritisch aufgenommen und verbreitet worden sind. U.a. auch durch die öffentlich-rechtlichen Medien, die diesbezüglich ihren Fehler erst 2014 erkannten und von der Ausstrahlung der Pseudodokumentation absahen (Fracking und die Öffentlich-rechtlichen: Erst diffamieren dann leise verdrücken).
Einer der wesentlichen Kritikpunkte in der „Fracking“-Debatte ist der vermeintlich immense Landschaftsverbrauch durch die Erschließung von Schiefergaslagerstätten. Um das zu unterstreichen, werden von „Fracking“-Gegnern gerne Luftbilder aus einer Halbwüstenregion in Wyoming hinzugezogen die die Lagerstätten Pinedale und/oder Jonah zeigen, auf denen sich Förderplatz an Förderplatz reiht.
Bei diesen Abbildungen wird jedoch nicht die Erdgasproduktion aus Schiefergasfeldern, sondern die aus sogenannten Tightgaslagerstätten (USGS 2009) dargestellt. Aufgrund der dortigen geologischen Voraussetzungen können in diesen Lagerstätten kaum bis in die Horizontale abgelenkte Bohrungen abgeteuft werden (Brown: Finding the Right Balance at Pinedale), wie es für die wirtschaftliche Erschließung von Schiefergaslagerstätten unabdingbar ist. Die Verwendung dieser Bilder als Beleg für den Landschaftsverbrauch im Zusammenhang mit der Schiefergasproduktion ist demnach irreführend. Ob bewusst oder unbewusst sei an dieser Stelle dahingestellt. Die beabsichtigte Wirkung wird jedenfalls im Rahmen von Vorträgen selbsternannter „Fracking“-Experten erreicht, wie wir es selbst auf einer Veranstaltung in Lüneburg im Herbst 2014 erleben durften (In der Höhle des Löwen – Zu Besuch bei einer Anti-Fracking-Veranstaltung von Die Linke (Teil I).
.
Der Vorteil der Erschließung einer Lagerstätte mittels horizontal geführter Bohrungen innerhalb des Speichergesteins ist, dass eine erheblich geringere Anzahl an Bohrungen erforderlich ist. Dadurch lässt sich der oberirdische Flächenverbrauch für Bohr- bzw. spätere Förderplätze minimieren. Zwar sind für die Erschließung von Schiefergasvorkommen generell mehr Bohrungen erforderlich als für andere Lagerstättentypen, jedoch lassen sich für den flächenhaften Aufschluss des Speichers mehrere Bohrungen von einem einzigen Platz niederbringen. Solche Plätze werden in der Fachsprache als „Clusterplätze“ bezeichnet. Dieses Konzept der flächenhaften Erschließung von Clusterplätzen aus möchten wir an dieser Stelle nun vorstellen. Wir berufen uns dabei auf Material der EMPG.
Prinzipiell sind Clusterplätze keine Innovation. Bereits in den 1950er Jahren begann das Unternehmen Wintershall damit, Erdöllagerstätten unter Verwendung von Mehrfachbohrplätzen zu erschließen. Ein Beispiel dafür wäre das Teilfeld „Rühlertwist“ (heute von GDF-Suez betrieben) der Lagerstätte „Rühle“ westlich der Ems. Zur landseitigen Erschließung der Offshore-Lagerstätte „Mittelplate“ unter dem schleswig-holsteinischen Wattenmeer wurde ebenfalls ein Clusterplatz eingerichtet. Genau genommen stellt die Bohr- und Förderinsel „Mittelplate A-1“ selbst einen solchen Clusterplatz dar, von dem bislang über 20 Bohrungen abgeteuft worden sind.
Neu hingegen ist, bezogen auf Deutschland, die Verwendung von solchen Plätzen mit mehr als zwei eng beieinander (< 10 m) liegenden Bohransatzpunkten im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung. Laut einer Präsentation der EMPG ist vorgesehen, bis zu 20 Bohrungen von einem Platz aus abzuteufen. Der Platzbedarf dafür soll ca. 0,9 Hektar (ha) betragen, was dem Flächenbedarf eines gegenwärtigen Förderplatzes mit nur einer Bohrung entspricht. Temporär müssen zusätzliche 0,25 ha beansprucht werden.
Da von einem solchen Platz ein Lagerstättenbereich flächenhaft erschlossen werden soll, sind die bis zu 10 je Erdgasfeld erforderlichen Clusterplätze quasi regelmäßig in der Landschaft verteilt. Bei konventionellen Lagerstätten ist das nicht möglich, da mit den jeweiligen Bohrungen einzelne Lagerstättenbereiche, sogenannte „Compartments“, erreicht werden sollen. Anhand der nebenstehenden Abbildung, bei der das rasterartige Erschließungsmodell über die Bohrpunkte der bestehenden Lagerstätte „Söhlingen“ gelegt wurde, wird deutlich, dass der landschaftliche Impact geringer ausfällt, als bei der Erdgasproduktion aus konventionellen Lagerstätten.
Die Zusammenfassung von 20 Bohrungen auf einem Platz verringert auch die Beeinträchtigung der über der Lagerstätte lebenden Bevölkerung. Zum Beispiel verteilt sich der notwendige LKW-Verkehr nicht in der Fläche, sondern konzentriert sich auf einen Bereich. Durch eine geschickte räumliche Verteilung der Plätze möglichst weit entfernt von Wohnbebauung lassen sich weitere Beeinträchtigungen durch betriebsbedingten Verkehr sowie die Bohr- und Fracarbeiten weiter minimieren. An dieser Stelle bietet sich die Überleitung zu einem weiteren Konzept an, nämlich das der Umsetzung der Bohrarbeiten.
Bei der bisherigen Erschließung von Erdgaslagerstätten war es unvermeidbar, dass nach Abschluss jeder Bohrung die Bohranlage demontiert und zum nächsten Bohransatzpunkt transportiert werden musste. Das führte tageweise zu intensivem Schwerlastverkehr. Doch für das Abbohren von Schiefergaslagerstätten ist vorgesehen, dass die Bohranlage von Bohrloch zu Bohrloch verschoben wird (weitere Präsentation der EMPG). Dieses „Skidding“ genannte Verfahren ist zwar ebenfalls nicht neu, wurde aber in diesem Umfang in Deutschland bislang nicht angewendet. Allerdings dürfte das von der deutschen Firma Bentec (Bad Bentheim) entwickelte „Walking System“ neu sein.
Mit diesem „Walking System“ kann das sogenannte Batch-Drilling Konzept realisiert werden. Das bedeutet, dass eine Bohrung nicht komplett fertig gestell wird, sondern es wird beispielsweise Abschnitt 1 von 10 Bohrungen in einer Reihe abgeteuft. Dansch folgen jeweils bis zur Fertigstellung die weiteren Abschnitte. Anschließend kann die Bohranlage dann auf die zweite Bohrreihe umgesetzt werden. Vorteile dieses Verfahrens sollen laut ExxonMobil folgende sein:
- verkürzte Bohrzeit
- effizientere Materialversorgung
- weniger Energieverbrauch
- weniger Transporte
Ferner ist angedacht, sowohl die Bohranlage als auch Module zur Energieversorgung und Spülpumpen sowie Spülungsaufbereitung und -lagerung einzuhausen (siehe nebenstehende Abbildung). Dadurch werden sowohl Licht- als auch Geräuschemissionen reduziert.
Zusammenfassend lässt sich für beide Artikel, die sich mit innovativen Konzepten der Erdgasgewinnung befassen, feststellen, dass Ideen entwickelt worden sind, die den Anforderungen an eine landschafts- sowie ressourcenschonende Förderung von Erdgas genügen. Leider werden diese von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, da sie keinen Niederschlag in den zur Meinungsbildung beitragenden Massenmedien finden.