Schadstoffuntersuchungen an 200 Erdgasförderplätzen in Niedersachsen – Erste Ergebnisse entwarnend
Im Frühjahr 2014 führte der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) im Bereich der Erdgaslagerstätte „Söhlingen/-Ost“ Bodenbeprobungen durch. Dabei wurden im Umfeld der Betriebsplätze „Söhlingen Z6“ sowie „Söhlingen-Ost Z1“ in zwei Bodenproben Quecksilberwerte von 4,2 und 6,7 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Boden festgestellt. Diese Feststellung ohne fach- und somit sachgerechter Einordnung fand mit der halbwahren Beurteilung durch den NABU relativ breiten Niederschlag in lokalen bis überregionalen Medien. Die Ergebnis und insbesondere der durch die teilweise sensationslüsterne Berichterstattung erzeugte Druck sorgten für weitere, nun offizielle Schadstoffuntersuchungen des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG).
Diese umfangreicheren Probenahmen bestätigten teilweise die Ergebnisse des NABU bezüglich der beiden vorgenannten Betriebsplätze der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG). Beiden Betriebsplätzen ist gemein, dass auf ihnen ausgemusterte Anlagenteile der Erdgasproduktion bzw. -aufbereitung von Kontaminanten gereinigt worden sind. Zu diesen Stoffen zählt beispielsweise auch Quecksilber, welches im in der Region Rotenburg geförderten Erdgas in vergleichsweise sehr hohen Konzentrationen enthalten ist. Durch eine unzureichende Platzentwässerung (Söhlingen-Ost Z1) bzw. zu dichte Lagerung am Rand des Betriebsplatzes (Söhlingen Z6) konnte Quecksilber in die Umwelt gelangen (Einschätzung des Betreibers EMPG). Bezüglich des erstgenannten Betriebsgeländes wurden sogar Prüfwerte für Industrie-/Gewerbeflächen überschritten.
An anderen Plätzen, die bereits mehrere Jahre vor den NABU-Untersuchungen beprobt worden sind, gab es mit Ausnahme des Sondenplatzes „Munster-Nord Z1“ keine Auffälligkeiten. Beim genannten Platz wurde teilweise der Maßnahmewert für Grünflächen in Höhe von 2 mg/kg Boden leicht überschritten worden ist, so dass die Nutzung in Form von Beweidung durch Schafe eingestellt werden musste. Der NABU berief sich übrigens in seiner Beurteilung lediglich auf den Beurteilungswert mit den maximalsten Anforderungen an den Bodenschutz, den sogenannten Vorsorgewert, der je nach Bodenart von 0,1 mg/kg Boden (Sand), 0,5 mg/kg Boden (Lehm/Schluff) sowie 1 mg/kg Boden (Ton) beträgt.
In der dramatischen Einschätzung seiner Quecksilberfunde berief sich der NABU hier wiederum auf den niedigsten Wert. Demzufolge kamen mit Bezug auf die in der Einleitung genannten Werte die in den Medien nachzulesenden „40 bis 70-fachen Erhöhungen“ der Quecksilberkonzentration zu Stande. Die für den Umwelt- und Gesundheitschutz relevanten Prüf- bzw. Maßnahmewerte in Abhängigkeit der Nutzungsart des jeweiligen Fundortes (nach Bundesbodenschutzverordnung) unterschlug der NABU jedoch. Journalisten hielten es zudem offenbar nicht für erforderlich, eigene Recherchen anzustellen sondern vertrauten den Ausführungen des NABU blind.
Zusätzlich stellte sich in Folge von Untersuchungen des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsens (EKN) heraus, dass in der Samtgemeinde Bothel, auf dessen Gebietes sich Teile der Erdgaslagerstätten „Hemsbünde“ und „Söhlingen“ befinden, überdurchschnittlich viele ältere Männer von leukämien/Lymphomen, also Blutkrebserkrankungen, betroffen sind. Umgehend wurde von Bürgerinitiativen (BI) ein Zusammenhang mit der Erdgasförderung hergestellt. Einige Medien, allen voran der NDR, suggerierten gar einen Zusammenhang zwischen den lokal begrenzten Quecksilberkontaminationen und den Erkrankungen. Dabei gilt Quecksilber, selbst nach Aussage des Kieler Toxikologen Dr. Hermann Kruse, NICHT als krebserregend (siehe Interview des WDR mit Dr. Kruse, auch hier behauptet die Interviewerin im „ich weiß Bescheid“-Ton, dass Quecksilber krebserzeugend sei, Dr. Kruse widerspricht ihr jedoch).
Das Ergebnis des EKN, die daraus, obwohl nicht möglich, abgeleiteten Befürchtungen einiger Anwohner sowie die verantwortungslose Berichterstattung aufgrund nicht haltbarer Suggestion sorgten dafür, dass das LBEG in Abstimmung mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz ein umfangreiches Programm bezüglich Schadstoffuntersuchungen an ca. 200 Erdgasförderplätzen in Niedersachsen anberaumte und dieses seit mehreren Monaten durchführt.
Im Rahmen des Programms werden Bodenprben entnommen und diese auf Schadstoffe, insbesondere auf Schwermetalle wie Quecksilber, sowie auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) hin untersucht. Bislang wurden über 500 Boden- und Sedimentproben an 50 Erdgasförderplätzen in den Landkreisen Rotenburg/Wümme, Heidekreis und Verden genommen. Für 12 der Plätze im Landkreis Rotenburg liegen inzwischen auf Grundlage von 120 Proben die Ergebnisse vor. Das LBEG kommt zu der Einschätzung:
Bei diesen Untersuchungen wurden keine Bodenbelastungen durch Schwermetalle oder Kohlenwasserstoffe festgestellt. Alle Ergebnisse der Bodenuntersuchungen unterschreiten die Prüfwerte der Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV). Damit geht von den Böden im Umfeld dieser untersuchten Erdgasförderplätze keine Gefährdung für Mensch und Umwelt aus.
Lediglich in zwei Sedimentproben aus Entwässerungsgräben im Bereich der Erdgasförderplätze Hemsbünde Z1 und Bötersen Z1 sind bislan im Rahmen der Schadstoffuntersuchungen auffällige Quecksilberwerte dokumentiert worden, die Anlass zu Folgeuntersuchungen geben. Nach Auswertung der im Geographischen Informationssystems (GIS) des LBEG hinterlegten Daten erfolgte jedoch im Bereich der Bötersen Z2 und nicht der Z1 die Feststellung des auffälligen Wertes. Die Untersuchungsergebnisse sind im GIS als eigener Layer hinterlegt. Nach erster Einschätzung besteht auf Grund der ermittelten Quecksilberkonzentrationen keine akute Gefährdung für Mensch und Umwelt.
Die hier wiedergegebenen Ergebnisse der Schadstoffuntersuchungen entstammen einer Pressemitteilung des LBEG vom 17.11.2015. Beim LBEG handelt es sich immerhin um eine Landesbehörde, die neben Niedersachsen auch für Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein zuständig ist. Obwohl es sich um eine Institution des öffentlichen Rechts handelt, fand die Pressemitteilung keinen Niederschlag beim ebenfalls öffentlich-rechtlichen NDR. Auch andere Medien, die sofort zur Stelle sind, wenn es etwas (vermeintlich) Negatives über die Erdgasförderung zu berichten gibt (z.B. der Weser-Kurier) hielten es ebenfalss nicht für nötig, die insgesamt entwarnende Mitteilung zu übernehmen und eine breitere Masse darüber zu informieren.
Lediglich bei der Kreiszeitung fand die Mitteilung Einzug in die Nachrichten. verantwortlich für den Artikel „Landesbergamt gibt erste Ergebnisse von Bodenanalysen bekannt / Quecksilber in Gräben – Keine Belastungen an Gasförderplätzen“ ist Michael Krüger. Nach unserer Einschätzung steht Krüger den erdgasförderungskritischen BI nahe. Entsprechend lässt sich auch der abschließende Satz seines Artikels zu den Ergebnissen der Schadstoffuntersuchungen erklären:
Kritiker bemängeln allerdings, dass es keine Analyse von Luftwerten, Wasserwerten oder eine Suche nach Schadstoffen in den Pflanzen der Umgebung gibt.
Es war nicht anders zu erwarten, dass es von Seiten der BI etwas zu bemängeln gibt, sofern entwarnende Ergebnisse aus dem Untersuchungsprogramm vorliegen. Nur werden zumindest im Bereich des Erdgasfeldes „Söhlingen“ im Zuge des Programms auch längerfristige Luftuntersuchungen durchgeführt. Zudem gab es bereits Immissionsmessungen an einer Erdgasstation im Landkreis Rotenburg (Wümme) durch das LBEG. Seinerzeit konnten bei Schadstoffuntersuchungen keine schädlichen Konzentrationen dokumentiert werden. Allerdings fanden die entwarnenden Ergebnisse keine Erwähnung in den Massenmedien, sondern ausschließlich bei uns:Das Verschweigen der Entwarnung.
Leider verhält es sich gegenwärtig einmal mehr so, was an der Unvoreingenommenheit und Seriösität der Medienwelt bezüglich des Themas Erdgasgewinnung erneut zweifeln lässt.
Artikelfoto: ITAG-Rig 30 bei einem Workovereinsatz auf der Erdgasförderbohrung Söhlingen Z9a, ©chef79