Kein Zusammenhang zwischen Krebs und Erdölförderung in Rodewald

Zusammenhang zwischen Krebs und Erdölförderung bei Rodewald?

Vor gut zwei Jahren, Ende September 2015 wartete das NDR-„Verbraucherschutz“-Magazin „Markt“ mit einem Beitrag auf, der einen Zusammenhang zwischen Krebs und Erdölförderung in Rodewald nicht nur suggerierte, sondern laut Schlagzeile für gegeben ansah. Diese lautete damals: Giftiges Benzol durch Ölförderung – auffällig viele Leukämiekranke in Rodewald/Niedersachsen Die Beweisführung der Möchtegern-Verbraucher- und Umweltschützer erschien äußerst dünn, fehlerhaft sowie an den Haaren herbeigezogen. Dennoch hatte die Berichterstattung zur Folge, dass eine genauere Untersuchung anberaumt wurde. Deren Ergebnisse liegen nun vor und führen die Falschdarstellungen bzw. Unterstellungen des NDR ad absurdum.

Skandalisierung der Erdgas-Erdölgewinnung durch NDR-Magazin „Markt“

Screenshot aus dem NDR-„Markt“ Beitrag über die angebliche Vertuschung eines „Umweltskandals“

Ab 2011, mit dem Aufkommen der „Fracking“-Debatte in Deutschland, hatte es sich das Magazin „Markt“ offensichtlich zur Aufgabe gemacht, möglichst negativ über die Erdgas- und Erdölgewinnung zu berichten. Den Auftakt machte eine Reportage, welche einen vermeintlichen Umweltskandal, der vertuscht worden wäre, belegen sollte. Dumm nur, dass die dargestellten Sanierungsmaßnahmen a) nicht zu übersehen waren und b) die gezeigten Sanierungen nach einem Schadensfall Standard sind sowie c) das Baustellenschild zur Maßnahme, direkt an einer Verbindungsstraße aufgestellt,  im Bericht gezeigt wurde. Aber angeblich waren die darauf angegebenen Kontaktnummern falsch. Nun, wer das bei der reißerischen Aufmachung des Beitrages (hier bei Youtube zu sehen) glaubt, der soll dies tun.

Wir hatten bereits damals unsere Zweifel und fühlen uns durch spätere „Berichte“ zum Thema Erdöl- und insbesondere Erdgasförderung bestätigt. Diese waren gekennzeichnet durch wiederkehrende Protagonisten (meist als „Anwohner“ bezeichnet, obwohl teilweise 20 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt lebend), Wiedergabe von Messergebnissen ohne konkreten Bezug auf offizielle Vergleichswerte aus Verordnungen und Gesetzen, einer damit einhergehenden Dramatisierung und dementsprechend in der Summe von Unsachlichkeit.

Traurige Höhepunkte: Unkritische Berichterstattung über einen „Säureregen“ (Artikel von uns u.a. HIER, HIER, HIER, HIER), der während Bohrlochreinigungsarbeiten angeblich auf Beobachter der Arbeiten, allesamt aus dem Kreise der Erdgasgewinnungskritiker, niedergegangen sein soll. Zeitpunkt: Anfang April 2014, abends 20 Uhr. Seltsam nur, dass die Beobachter seelenruhig das Geschehen filmten: Youtube-Video NDR-Berichte dazu sind nicht mehr abrufbar. Außerdem stellte der medial herbeigeredete Bohrschlammskandal (unsere Serie dazu), federführend hierbei wiederum der NDR um die Autorin Alexa Höber sowie der WDR unter Leitung des „Energieexperten“ Jürgen Döschner, einen Tiefpunkt sogenannten Investigativjournalismusses dar.

Am bittersten war jedoch, dass, nachdem in der Samtgemeide Bothel erhöhte Blutkrebsraten auschließlich bei älteren Männern nachgewiesen wurden, sofort die dort stattfindende Erdgasgewinnung als Schuldiger ausgemacht wurde und die Medien darauf ansprangen. Vorneweg wieder einmal der NDR. Langzeit-Schadstoffmessungen, die diese These nicht stützen konnten, wurden von den lokalen und regionalen Gegnern komplett ignoriert und von den Medien zunächst gar nicht (Messung 2012) und später (Messungen 2015/2016) nur oberflächlich thematisiert.

Damit sind wir beim Thema Krebs und Kohlenwasserstoffgewinnung, bzw. hier speziell Krebs und Erdölförderung, angelangt.

NDR unterstellt Zusammenhang zwischen Krebs und Erdölförderung in Rodewald

Testausrüstung auf den Bohrungen Suderbruch 2001 und 2002. Juli 2016, Steven Arndt

Im September 2015 erschien bei „Markt“ ein Beitrag, der sich mit erhöhten Blutkrebserkrankungen in der Gemeinde Rodewald (Samtgemeinde Steimbke) im niedersächsischen Landkreis Nienburg befasste. Ein Schuldiger für die erhöhte Rate war schnell ausgemacht, zumindest laut Schlagzeile eines entsprechenden noch abrufbaren Textbeitrages (siehe LINK in der Einleitung). Es soll die bereits 1994 eingestellte Erdölförderung aus dem im Gebiet der Samtgemeinde befindlichen Lagerstätte Suderbruch gewesen sein.

Dass anders als in Bothel nicht ausschließlich ältere Männer betroffen waren, sondern Kinder, die zum Zeitpunkt der Einstellung der Erdölförderung noch nicht geboren waren, irritierte die „engagierte investigative Journalistin“ (Blog „Krebs und mehr“, Artikel „Rodewald-Rätsel“) Alexa Höber keineswegs. Stattdessen wurde anhand von zwei Sachverhalten ein Zusammenhang konstruiert bzw. zumindest suggeriert.

Falsche Grenzwertangaben und Verwechslung von „Emission“ und „Immission“

Zum einen soll eine Kaltgasfackel verantwortlich sein, welche bei der Erdölaufbereitung anfallende Gase ausblies. Dazu zählt auch der als krebserregend bekannte aromatische Kohlenwasserstoff Benzol.

Laut Höber-Bericht sollen mit Berufung auf eine TÜV-Prüfung aus dem Jahr 1988 „bis zu 1890 Milligramm pro Kubikmeter“ (pro Kubikmeter in Bezug auf was eigentlich?) emittiert worden sein. Angeblich wären damals nur „fünf Milligramm Benzol pro Kubikmeter Luft “ erlaubt gewesen.

An dieser Darstellung zeigt sich das Dilemma solcher Formate wie „Markt“, „Report“, „Monitor“ etc. Warum? Das soll im Folgenden erläutert werden.

Zunächst einmal ist es unwahr, dass 1988 „nur“ 5 mg Benzol pro m³ Luft erlaubt gewesen wären. Tatsächlich verhält es sich so, dass erst ab 1995 rechtsverbindliche Beurteilungswerte für das Humankanzerogen Benzol existieren. Diese lagen dann auch nicht bei 5 mg/m³ sondern 15 µg (Mikrogramm) je Kubikmeter Luft. Die engagierte investigative Journalistin Höber hat demnach einen Grenzwert frei erfunden und zudem auch noch die Einheit nicht korrekt angegeben. Im übrigen gilt erst ab 2002 ein Grenzwert von 5 µg/m³ Luft, also 13 Jahre, nachdem der Betrieb der Kaltfackel auf dem Rodewalder Betriebsplatz eingestellt wurde (Toxikologische Bewertung der Immissionsdaten zum Betrieb der ehemaligen Kaltgasfackel in Rodewald OT Neudorf). Wir empfehlen, den vorstehenden in Klammer gesetzten und verlinkten Beitrag zur vertiefenden Information zu lesen.

Zudem gelten die ab 1995 eingeführten, und seitdem nach unten angepassten Grenzwerte nicht für Emissionen, also dem Ort des Ausstoßes, sondern für Immissionen, also dem Ort des Eintrages. Höber und Team haben demnach nicht nur falsche Grenzwertangaben getätigt, sondern auch noch Emission mit Immission verwechselt.

Anm.: Die oben stehenden, jetzt durchgestrichen dargestellten Ausführungen nimmt der Verfasser hiermit zurück. Die Korrektur ist Ergebnis einer durch den NDR erfolgten Klarstellung. Tatsächlich verhält es sich so, dass der vom NDR erwähnte Emissions-Grenzwert von 5 mg/m³ zutrifft. Allerdings nicht für Luft, wie vom NDR geschrieben, sondern für den Abgasstrom. Frau Höber und Team haben diesen Grenzwert somit nicht frei erfunden und auch nicht Emission und Immission verwechselt, wie vom Verfasser behauptet. Diese ungerechtfertigten Vorwürfe bitten wir zu entschuldigen.

Dennoch bleibt offen, warum ein Emissionsgrenzwert bei der Betrachtung hinzugezogen wird. Maßgebend als Auslöser von Krankheiten  sollte doch sein, was auf den Betroffenen eingewirkt hat. Und das erlaubt einzig und allein ein Immissionswert. Schließlich wird kaum einer der Betroffenen unmittelbar neben der Kaltgasfackel gestanden und deren Abgas unverdünnt eingeatmet haben. Die erst ab 1995 geltenden Immissionsgrenzwerte (2002 verschärft) sind jedoch nach oben erwähnter Studie seinerzeit (1988) nicht überschritten worden.

Es ist also zu vermuten, dass vorsätzlich ein Grenzwert hinzugezogen worden ist, der für die Beurteilung einer Gesundheitsgefährdung nicht geeignet ist, sich aber wegen der nachgewisenen Überschreitung um den maximalen Faktor 378 hervorragend zur Stimmungsmache eignet. Somit bleibt der Vorwurf unausgewogener und skandalisierender Berichterstattung seitens des NDR bestehen. Der Verfasser hat seine Lehren gezogen und wird künftig noch sorgfältiger recherchieren und sich nicht nur auf Aussagen Dritter (hier: rechtsverbindliche Beurteilungswerte für das Humankanzerogen Benzol existieren erst seit 1995) verlassen. Es wäre wünschenswert, der NDR folgte diesem Anspruch.

Zum zweiten wird als weiterer Erklärungsversuch die Belastung des Grundwassers am ehemaligen Betriebsplatz in Rodewald-Neudorf herangezogen. Dieses war, trotz einer Sanierung in den 1990er Jahren immer noch übermäßig stark u.a. mit Benzol belastet. Laut NDR lag der Wert bei bis zu 1.200 Mikrogramm je Liter. Bereits ab 5 bis 10 µg/l wären Gegenmaßnahmen erforderlich. Und die erfolgten doch, wie es der Höber-Bericht kurz zuvor selbst erwähnt.

Diese Sanierungsmaßnahme ist übrigens Folge einer Detailuntersuchung aus dem Jahr 2013. Im Zuge dieser wurden auch die Wirkungspfade  „Boden – Mensch“, „Bodenluft – Mensch“, „Boden – Nutzpflanze“ und „Boden – Grundwasser“ untersucht und bewertet. Lediglich für den letzten Wirkungspfad bestand demnach Handlungsbedarf („Erkenntnisse zu Krebserkrankungen in Rodewald“, Niedersächsisches Gesundheitsamt).

Diese Untersuchung findet keinerlei Erwähnung im NDR-Bericht. Dazu hätte es wohl zu sehr investigativem Engagements bedurft. Zudem wäre damit der zweite Erklärungsversuch, die Betroffenen wären wegen des kontaminierten Grundwassers erkrankt, hinfällig.

Besondere Beachtung von eher irrelevanten Emissionen, Nichtbeachtung der entscheidenden (harmlosen) Immissionen sowie Hinzuziehung eines Wirkungspfades ohne Relevanz. Das ist die Quintessenz des NDR-Beitrages vom 20.09.2015. Doch es gibt aktuelle, vertrauenswürdige Erkenntnisse.

Untersuchung Rodewald findet keinen Zusammenhang zwischen Krebs und Erdölförderung

Für 1988 berechnete Benzol-Immissionswerte liegen sämtlich und deutlich unter dem erst 1995 eingeführten Grenzwert von 15 µg/m³. Quelle: Toxikologische Bewertung der Immissionsdaten zum Betrieb der ehemaligen Kaltgasfackel in Rodewald OT Neudorf

Infolge des, wie festgestellt, noch nicht einmal halbgaren NDR-„Markt“-Berichts und darauf bezugnehmender weiterer vorverurteilender Medienbeiträge (u.a. Kreiszeitung Rotenburg „Krebs im Erdöl-Fördergebiet“) sah sich das Gesundheitsamt des Landkreises Nienburg dazu veranlasst, eine Krebsclusteruntersuchung im Samtgemeindegebiet Rodewald durchzuführen. Inzwischen liegen die Ergebnisse vor. Eins vorweg und diese Feststellung schlägt sich bereits in der Teilüberschrift wieder: Die Untersuchung lieferte keine Bestätigung für die seitens des NDR erfolgte Suggestion, dass die Blutkrebsfälle mit der 1994 eingestellten Erdölförderung sowie -aufbereitung in Zusammenhang stehen. Aber auch andere Zusammenhänge sind nicht offensichtlich, so der Landkreis Nienburg laut einer Stellungnahme vom 29.09.2017.

Da insbesondere Kinder von den überdurschschnittlichen Krebserkrankungen betroffen waren, lag ein spezielles Augenmerk auf diesen Fällen. Eine „mit erheblichem Aufwand vorbereitete Befragung“ zeigte keine Hinweise auf Gemeinsamkeiten. Eine umfangreiche Befragung der Bevölkerung der Samtgemeinde Steimbke, zu der auch Rodewald gehört, wird daher als nicht zielführend erachtet. Die Stellungnahme weist in diesem Zusammenhang auf das Befragungsergebnis in der Samtgemeinde Bothel hin, welches keine Klarheit brachte. Dabei waren die Erkrankungsraten dort deutlich höher und statistisch signifikant. Trotz hoher Rücklaufquoten der Fragebögen ließen sich auslösende Faktoren nicht nachweisen.

Fazit

Zum wiederholten Male stellt sich heraus, dass eine voreingenommene, auf Skandalisierung ausgerichtete Berichterstattung zum Thema Erdöl-Erdgasgewinnung, im konkreten Fall Krebs und Erdölförderung, sich als nicht haltbar herausstellt.

Zum wiederholten Male konnten wir nachweisen, dass der NDR neben der verantwortungslosen Angstschürerei  unlautere Vergleiche anstellt.

Zum wiederholten Male wird es keine Bitte um Entschuldigung gegenüber den an den Pranger gestellten Unternehmen geben.

Und zum wiederholten Male mussten wir feststellen, dass die Entwarnung, basierend auf seriös durchgeführten Untersuchungen, keinerlei Erwähnung beim NDR findet. Immerhin gab es einen Artikel dazu im Regionalblatt „Die Harke“.

Diesbezüglich möchten wir uns bei zwei Lesern des Blogs bedanken, die uns auf diesen Beitrag inkl. eines Facebookeintrages aufmerksam machten. Via Letzterem stießen wir im Kommentarstrang auf die Stellungnahme des Landkreises Nienburg, welche ergänzend auf die Untersuchungen zum Schadstoffausstoß der verdächtigten Kaltgasfackel verwies.

Diese Untersuchungen trugen wesentlich dazu bei, dass wir den NDR abermals dahingehend überführen konnten, voreingenommen zu berichten und damit einhergehend nicht erwiesene Zusammenhänge zwischen Erdöl- oder Erdgasproduktion und auffällig erhöhten Blutkrebserkrankungen zu suggerieren. Ob bewusst oder mangels ernsthafter Recherchebemühungen unbewusst, sei dahingestellt.

 

Artikelfoto: Bohrung zur Prüfung einer Wiedererschließung der 1994 aufgegebenen Erdöllagerstätte Suderbruch unweit Rodewalds. © Steven Arndt, Februar 2016.

2 Kommentare zu Kein Zusammenhang zwischen Krebs und Erdölförderung in Rodewald

  • Hans H. Andreae sagt:

    Sehr gute Arbeit, Weiter so !

  • Peter Budweg sagt:

    Es grenzt schon an Hexenjagd, wie die öiffentlich-rechtlichen Sender eine ganze Industrie, mit etlichen tausend Mitarbeitern, an den Pranger stellen.
    Mein Sohn arbeitet bei der Exxon. Er sagte mir kürzlich, das die Firma nur noch bis 2030 in Planung ist: Soll heißen, wenn sich an der rechtlichen Situation des sogenannten Frackings nichts ändert, könnte es auch einen Rückzug aus Deutschland von Exxon geben.

  • Jetzt einen Kommentar verfassen!

    *Ihre E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht.