SPD-Politiker Frank Schwabe behauptet „Fracking ist zurzeit nicht verantwortbar“ – Kein Beleg in Studien im Auftrag der Bundesregierung
Dieser Tage machte die Meldung die Runde, dass die Niederlande für die nächsten fünf Jahre eine kommerzielle Erkundung und somit Förderung von Schiefergaslagerstätten ausschlössen. Der SPD-Politiker und Mitglied des Bundestages Frank Schwabe nahm die Entscheidung unseres Nachbarlandes zum Anlass, ein ebensolches „Moratorium“ für Deutschland einzufordern. Dazu mehr im Verlauf des Beitrages.
Doch betrachten wir zunächst einmal die Situation in den Niederlanden:
Im Mai 2014 gab die niederländische Regierung bekannt, eine „Strukturvision Schiefergas“ zu erstellen. Ziel dieser Vision sollte Folgendes sein:
Die niederländische Regierung strebt für die Energieversorgung des Landes einen optimalen Mix von Energieträgern an. Dabei bezieht sie auch Schiefergas in ihre Überlegungen ein. Im Zusammenhang mit Projekten im Ausland wurde auf mögliche Risiken der Schiefergasförderung für Mensch und Umwelt hingewiesen. Darum wird eine fundierte und ausgewogene Konzeption für die Schiefergasgewinnung in den Niederlanden entwickelt.
Diese theoretischen Überlegungen mit offenem Ergebnis deuteten deutsche Medien in konkrete Pläne um, zumindest in ihren Schlagzeilen. Zum Beispiel titelte RP-Online: „Schiefergas-Förderung ab 2015 – Niederlande planen Fracking an der Grenze zu NRW“. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden, da wir uns damit seinerzeit ausführlich im Artikel Niederlande prüfen Umweltverträglichkeit der Schiefergasgewinnung – Hysterie und Panik in Deutschland auseinandergesetzt haben.
Nun gab das niederländische Wirtschaftsministerium bekannt, dass es zunächst bis 2020 keine kommerzielle Eerkundung von Schiefergaslagerstätten und somit in logischer Konsequenz auch keine Förderung geben werde. Die Begründung dafür erscheint in ihrer Gesamtheit recht kurios:
Aufgrund noch nicht erfolgter Bohrungen sei es unklar, über welches Schiefergaspotenzial die Niederlande tatsächlich verfügen und ob eine wirtschaftliche Förderung möglich ist. Das ist logisch nachvollziehbar, sollte aber kein Argument gegen, sondern für Erkundungen sein, egal ob durch Unternehmen selbst oder im Auftrag der Regierung. Zudem heißt es in dem Dokument:
Die Studien zeigen außerdem, dass noch erhebliche Unklarheit über die Auswirkungen der Bohrungen nach Schiefergas im tiefen Untergrund besteht.
Diese Aussage ist es, die die Begründung für das Moratorium so kurios erscheinen lässt. Dass es ohne praktische Arbeiten zu keinem Erkenntnisgewinn kommen konnte, ist logisch. Doch so verhielt es sich auch bei Tiefbohrungen, die vor Jahrzehnten in Gesteinsformationen abgeteuft worden sind, wo es überhaupt keine Kenntnisse über die Verhältnisse im Untergrund gab. Seinerzeit stand noch mutiger Pioniergeist im Vordergrund und nicht lähmendes Bedenkenträgertum, was von den Niederländern aus Sicht des Verfassers nicht zu erwarten war.
Im Gegensatz zur damaligen Zeit gibt es jedoch Erkenntnisse über die potenziellen Schiefergaslagerstätten. In Deutschland, dass auf 150 Jahre Erdöl- und Erdgasexploration zurückblickt, sind die gasführenden Tongesteine des Wealden und des Lias mehrfach durchteuft und beprobt worden. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass die ersten Erkundungsbohrungen, die ab 2008 von der Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt durchgeführt worden sind, sich in Gebieten befanden, die bereits vor Jahrzehnten mit dem Ziel, Erdöl und Erdgas zu finden, intensiv exploriert worden sind. So befand sich der Ansatzpunkt der Schiefergasexplorationsbohrung „Schlahe 1“ unmittelbar neben der seit Jahrzehnten produzierenden Erdgasbohrung „Barenburg Z1“.
Die Niederlande sind nach dem Sensationsfund der Lagerstätte „Groningen“, der zehntgrößten der Welt und größten Europas, ebenfalls intensiv hinsichtlich weiterer Erdgasvorkommen erkundet worden. Dabei sind ebenso wie in Deutschland die potenziellen Schiefergaslagerstätten durchörtert worden, so dass dadurch bereits Erkenntnisse vorliegen. Es handelt sich somit nicht um terra incognita, wie bei den vor Jahrzehnten mit Pioniergeist durchgeführten Bohrungen.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Zurückhaltung in der Politik noch fragwürdiger, insbesondere in Deutschland, da dieses sich nicht in der bequemen Situation befindet, über ausreichend Erdgas in konventionellen Lagerstätten zu verfügen und mittlerweile zu 90 Prozent von Importen abhängig ist. Die Niederlande sind stattdessen (noch) Erdgasexporteur und stehen bislang nicht unter Zugzwang.
Die Entscheidung der Niederlande wurde von inländischen „Fracking“-Gegnern und Kritikern begrüßt, so z.B. vom SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe, wie aus der unten stehenden Pressemitteilung hervorgeht. Diese wurde u.a. vom WDR-Journalisten Jürgen Döschner verbreitet, der den „Fracking“-Gegnern nahesteht und nicht davor zurückschreckte, Gutachter und Wissenschaftler sowie zuletzt Kollegen zu diffamieren und dabei mit beachtenswerter Ahnungslosigkeit aufwartete (Ein zweifelhafter „Freispruch“ für Fracking), die im Hydraulic Fracturing keine Risikotechnologie sehen. Der Verfasser schrieb dazu diesen Beitrag für die Kollegen des ScienceSkeptical-Blogs: „Öffentlich-rechtliche Diffamierung von Wissenschaftlern“.
"#Fracking zurzeit nicht verantwortbar" #SPD-Berichterstatter @FrankSchwabe fordert Moratorium nach niederl Vorbild pic.twitter.com/S2RBJL2loP
— Jürgen Döschner (@jdoeschner) July 15, 2015
Doch nun zur Pressemitteilung von Herrn Schwabe:
Allein die Überschrift entbehrt jeglicher Grundlage und ist aus keiner der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studien ableitbar. Im Gegenteil: Der Chefgutachter der zweiten Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) Uwe Dannwolf sieht im „Fracking“ keine Risikotechnologie. Er widersprach sogar öffentlich der Präsidentin des UBA und Parteifreundin von Frank Schwabe, Frau Maria Krautzberger, die eben in Bezug auf die Studie in der „etablierten Standardmethode“ (Prof. Dr. Amro, TU Bergakademie Freiberg) eine „Risikotechnologie“ sehen will.
Noch deutlicher wird die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Diese hält den Einsatz von Hydraulic Fracturing bei Einhaltung der gegenwärtig existierenden Vorschriften für beherrschbar, was der Darstellung Schwabes als „unverantwortbar“ diametral gegenübersteht („Fracking: „Die Skepsis ist unbegründet“ – Interview mit Dr. Kümpel im Handelsblatt“). Im verlinkten Interview äußert sich der Präsident der BGR Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, ein Fachmann und kein Politiker wie dessen Kollegin Krautzberger vom UBA:
Ich sage Ihnen, es kostet Mühe, wissenschaftliche Argumente zu finden, die gegen das Fracking sprechen. Mit dieser Sichtweise stehe ich keineswegs allein. Die 16 geologischen Dienste in Deutschland und alle geologischen Dienste in der EU – alles staatliche, interessensneutrale Fachbehörden – sehen das ebenso.
Nur die politischen Entscheidungsträger wie Schwabe offenbar nicht.
Insofern ist es in Frage zu stellen, ob die Niederlande mit dem beschlossenen Moratorium tatsächlich klug handeln, wie es Schwabe in seiner Pressemitteilung ausdrückt. Aus Sicht des Verfassers hat es überhaupt nichts mit Klugheit zu tun, höchstens im Sinne der Pöstchensicherung, wissenschaftliche Erkenntnisse konsequent zu ignorieren und stattdessen sein Fähnlein am Protest von Bürgerinitiativen, „ökologischen“ Non Government Organisations oder Stimmungsmachern („Campaignern“) aus dem politisch linken Lager, wie beispielsweise Campact!, auszurichten.
Doch genau das tut Frank Schwabe, wie dieser Tweet
Danke für die Unterstützung durch
@campact gegen#Fracking ! Mehr als 503.000 Namen. https://www.campact.de/fracking/
beweist. Schwabe steht auf dem Foto direkt neben Hubertus Zdebel von „Die Linke“, der in einem Vortrag in Lüneburg im vergangenen Oktober eine Reihe unbelegter Aussagen traf und uns von Erdöl und Erdgas in Deutschland der anschließenden Diskussionsrunde nicht zu Wort lassen kommen wollte. Der Moderator war nicht der Ansicht Zdebels und ließ uns zu Wort kommen. Mehr dazu: In der Höhle des Löwen – Zu Besuch bei einer Anti-Fracking-Veranstaltung von Die Linke (Teil II).
Es ist kritisch zu hinterfragen, warum ausgerechnet die Niederlande, ein Land das schätzungsweise noch bis 2030 über ausreichend eigene Erdgasvorkommen verfügt als Vorbild dienen soll. Warum nicht etwa Polen, dass ähnlich wie Deutschland stark abhängig vom Ausland, insbesondere Russland ist? In Polen wurden kommerziell durchgeführte Explorationsbohrungen wissenschaftlich begleitet. Das Ergebnis dieser Begleitung dürfte denjenigen, die vor Hydraulic Fracturing in Schiefergestein unverantwortlich Ängste schüren, nicht schmecken. Denn die Exploration wurde als sicher eingestuft: Shale gas exploration in Poland declared safe: English translation
In der deutschen Medienlandschaft ist von dieser Einschätzung nichts zu lesen oder zu hören gewesen, während die Entscheidung der niederländischen Regirung vergleichsweise breiten Niederschlag fand.
Es ist nicht nachzuvollziehen, woher Schwabes Vorschlag herrührt, dass es nur zwei Probebohrungen geben dürfe.Wenn diese einem umfassenden Erkenntnisgewinn zur Abschätzung der unterstellten Risiken dienen sollen, dann ist zu festzustellen, dass das eindeutig zu wenig wäre. Abgesehen davon, dass diese unterstellten Risiken kaum existieren, was 3 Millionen Fracoperationen weltweit, davon inzwischen mehrere hunderttausend in Ton-(schiefer)gesteinen, eindrucksvoll belegt haben. Es ist weder zu umfassenden Beeinträchtigungen von Gewässern gekommen, wie jüngst die US-Umweltschutzbehörde mitteilte, noch zu einer besorgniserregenden Anzahl spürbarer Erdbeben.
Aber auch eine Abschätzung tatsächlich vorhandenen Erdgaspotenzials ist mit zwei Bohrungen nicht möglich. Bislang sind in Deutschland zwischen 2008 und 2011 sechs Bohrungen zur Erkundung des Schiefergaspotenzials abgeteuft worden. Drei davon waren reine Kernbohrungen, also Bohrungen, bei denen Gesteinskerne zur Untersuchung im Labor gezogen worden sind. In einer der Bohrungen, Damme 3, wurden in drei Niveaus Fracmaßnahmen durchgeführt. Weitere Erkundungsbohrungen waren geplant, konnten aber aufgrund der aufgekeimten Debatte nicht mehr umgesetzt werden.
Warum die von Schwabe angedachten maximal zwei Bohrungen bei entsprechenden positiven Ergebnissen nicht kommerziell nachgenutzt werden dürfen, ist ebenfalls nicht zu verstehen und wird vorsichtshalber auch nicht begründet. Schwabe schweben übrigens zwei Wege zur Umsetzung der Bohrungen vor:
- Option 1: der Staat finanziert die Bohrungen
- Option 2: die Bohrungen werden durch ein Exploratrionsunternehmen bezahlt
Dabei ist es für beide Optionen sinnvoll, diese im Erfolgsfall kommerziell zu nutzen, da investierte Mittel des Staates an diesen zurückflößen bzw. da das Explorationsunternehmen einen höheren Anreiz hätte, in die Bohrungen überhaupt zu investieren. Außerdem dürfte es sich juristisch schwierig gestalten, einem Unternehmen Investitionen aufzuerlegen bei gleichzeitiger Untersagung von der Investition zu profitieren.
Offenbar ist es das Anliegen der SPD, unter dem Deckmantel der Ermöglichung von Forschung genau diese zu unterbinden. Denn der Staat wird unter dem Druck von NGO und BI kaum in Forschungsbohrungen investieren, genauswoenig wie die interessierte Industrie unter den angedachten Rahmenbedingungen. Zudem hat sich die Koalition die „Energiewende“ und den „Klimaschutz“ auf die schwarz-rot-goldene Fahne geschrieben. Und in dieses Konzept passen fossile Energieträger nicht, schon gar nicht, wenn sie auch noch auf eigenem Boden gewonnen werden sollen. Stattdessen wird es in Kauf genommen, dass diese Energieträger unter hohem energetischen Aufwand teilweise um den halben Globus transportiert werden.
„Der Bundestag muss immer das letzte Wort haben“, schreibt Schwabe zum Ende seiner inhaltlich dünnen Pressemitteilung. Dem Verfasser ist es unbekannt, dass bei der Implementierung anderer Technologien ein solches politisches Drama veranstaltet wurde wie beim Hydraulic Fracturing. Zumal es sich hierbei nicht um eine absolute Neuimplementierung handelt, sondern lediglich bislang nicht erschließbare Erdgasvorkommen in besonders dichten Gesteinen (und nicht „besonders tiefen“ wie häufig in der Presse zu lesen, die Tiefe ist irrelevant) möglicherweise genutzt werden können. Ob das technisch und wirtschaftlich möglich ist, ist gegenwärtig nicht bekannt, da die Erkundung bereits in der Frühphase politisch bedingt abgewürgt wurde.
Umso weniger ist das Theater der Schauspielgruppen BI, NGO und Politiker sowie grünlackierter Journalisten zu verstehen, die mit aller Macht eine kommerzielle Gewinnung von Schiefergas unter fadenscheinigen oder gar nicht vorhandenen Begründungen verhindern wollen. So wird die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft (SPD), in einem WDR-Artikel im Zusammenhang mit dem „Moratorium“ der Niederlande folgendermaßen zitiert:
„Für mich ist völlig klar, dass Fracking mit gravierenden Folgen in unseren dicht besiedelten Regionen nicht verantwortbar wäre“
Erstaunlich, dass Frau Kraft ohne Durchführung eines Testbetriebes bereits weiß, dass „Fracking“ nicht verantwortbar wäre. Mit „Fracking“ ist sicherlich die Förderung von Schiefergas gemeint. Das wird unsinnigerweise gerne von den genannten Gruppierungen gleichgesetzt, obwohl der Fracprozess nur einen kleinen, allerdings unabdingbaren Teil des Gesamtprozesses einnimmt. Nämlich den fördervorbereitenden nach Abschluss der Bohrarbeiten.
In einem weitestgehend von Erdgasimporten abhängigen Land wäre mehr politischer Mut zur Erschließung oder zumindest vorerst zur Erkundung bislang unerschlossener Erdgaspotenziale wünschenswert. Polen hat es vorgemacht, wenn auch bislang ohne den erhofften wirtschaftlichen Erfolg. Trotz beschlossener „Energiewende“ wird Erdgas noch für Jahrzehnte benötigt, da sich die Energiewende vorwiegend auf dem Gebiet der Stromerzeugung abspielt, Erdgas hingegen vorweigend zum Beheizen von ca. 50 Prozent der deutschen Haushalte sowie als Brennstoff zur Erzeugung von Prozesswärme und darüber hinaus als Grundstoff der chemischen Industrie verwendet wird.
Es ist also Mut und Entschlossenheit gefragt und keine weitere Blockade über weitere fünf Jahre!