Viel heiße Luft um Lagerstättenwasser-Versenkprojekt „Siedenburg Z11“ – Teil 2

In Deutschland darf zukünftig bei der Erdgasgewinnung mitgefördertes Wasser aus der Lagerstätte, also Lagerstättenwasser, nur noch in ehemalige Erdöl- und Erdgaslagerstätten verbracht werden. Bislang war es auch gestattet, das nicht verwertbare Beiprodukt in wasserleitende Formationen einzubringen, deren Wässer wegen Versalzung nicht nutzbar sind. Um den gesetzlichen Anforderung gerecht zu werden, plant die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) die derzeit noch produktive Erdgasfördersonde „Siedenburg Z11“ zu einer Lagerstättenwasser-Versenkbohrung umzurüsten. Über dieses Vorhaben wollte der Ortsverband von Bündnis90/Die Grünen (Grüne) im Rahmen einer Vortragsveranstaltung informieren und lud dazu als Referenten einen bekannten Gegner der inländischen Erdgasförderung ein. Während viel Nebensächliches vorgetragen wurde, womit sich Teil 1 dieses bBerichtes beschäftigte, ging es tatsächlich auch um das Projekt an sich, worüber dieser Teil berichten wird.

Fakten zum Projekt anhand von EMPG-Material dargelegt

Werbeplakat zur Veranstaltung

Nachdem der Vortragende zunächst und auch immer wieder zwischendrin irgendwelche Nebenschauplätze aufbaute, die weder mit der Thematik „Lagerstättenwasser“ allgemein noch mit dem Vorhaben „Siedenburg Z11“. Doch tatsächlich äußerte sich der Referent auch zum Projekt selbst und bediente sich dabei vornehmlich an Informationen in Bild und Text, die der eigens eingerichteten Informationsseite „Versenkbohrung Siedenburg Z11“ der EMPG entnommen worden sind. Diese Tatsache führt die Unterstellung der Veranstalter, das Projekt würde angeblich „still und heimlich“ an der Bevölkerung vorbei vorangetrieben, ad absurdum (siehe nebenstehende Abbildung des Veranstaltungsplakates). Dazu noch eine Anmerkung: Als die Bergbehörde Nordrhein-Westfalens, angesiedelt bei der Bezirksregierung Arnsberg, im Zuge der aufkeimenden „Fracking“-Debatte Ende 2010/2011 Informationsmaterial der Industrie verwendete, gab es seitens der Anti-Erdgasförderungs-Bürgerinitiativen schwere Vorwürfe.

Doch die Fakten wurden teilweise falsch wiedergegeben oder es wurden spekulative Vorstellungen hinsichtlich lagerstättenkundlicher Gegebenheiten durch mangelnden Sachverstand erwähnt. So wurde behauptet, dass der Vorhabensträger nicht wisse, ob eine dynamische Verbindung zwischen dem unteren Speicher sowie dem oberen Speicher des Staßfurtkarbonats bestünde. Im Bereich der Bohrung verhält es sich so, dass das Staßfurtkarbonat (Ca2) zweimal übereinanderliegend angetroffen wurde, was mit salztektonischen Prozessen zu erklären ist. Im Nord-Süd-Profil der Lagerstätte sieht es so aus, als wären die beiden Ca2-Schichten vollständig voneinander getrennt. Doch dem ist nicht so: Tatsächlich liegen sie im Ostteil der Lagerstätte unmittelbar aufeinander und stehen in gasdynamischer Verbindung: „Östlich der Bohrung Siedenburg Z11 liegen diese Schichten direkt aufeinander, sodass für Gase und Flüssigkeiten gute Fließwege zwischen dem oberen und unteren Lagerstättenteil bestehen. Diese hydraulische Verbindung der Lagerstättenteile konnte anhand des Druckverlaufes der Siedenburg Z11 und der Bohrungen, die aus dem unteren Lagerstättenteil produzieren, nachgewiesen werden.“ („Versenkbohrung Siedenburg Z11“).

Ferner spekulierte der Referent über eine gasdynamische bzw. hydraulische Verbindung zwischen der Ca2-Lagerstätte sowie einer weiteren Lagerstätte in Sandsteinen der Unteren Trias. Schließlich entstamme das Erdgas in beiden Fällen dem geologisch älteren Karbon oder exakter darin enthaltenen Steinkohleflözen. Dass eine Verbindung zwischen diesen Lagerstätten besteht, wenngleich sie zum Teil übereinander liegen, kann deshalb ausgeschlossen werden, weil aus dem Ca2 schwefelwasserstofführendes Erdgas gewonnen wird, während das Erdgas aus der Unteren Trias schwefelwasserstofffrei ist.

Darstellung von Risiken bei der Versenkung von Lagerstättenwasser

Darstellung der geologischen Situation im Bereich der Bohrung „Siedenburg Z11“. Quelle: ExxonMobil

Der Referent kam im weiteren Verlauf seines Vortrages auf Risiken zu sprechen, die mit der Versenkung des Lagerstättenwassers einhergehen könnten. Untergliedert wurden diese in obertägige, solche bei Arbeiten an der Bohrung sowie untertägige.

Zu den obertägigen Risiken ist zu sagen, dass diese quasi identisch sind mit denen, die von einer Biogasanlage ausgehen können. Dazu ist zu sagen, dass eine solche Anlage sich näher an der Wohnbebauung befindet, als die geplante Anlage zur Vesenkung von Lagerstättenwasser. Zu den obertägigen Risiken zählte, sofern ich mich recht entsinne, auch der Antransport des Lagerstättenwassers per LKW. Tatsächlich fuhr während des fast zweistündigen Vortrags ein Tanklastzug zum Transport von Lagerstättenwasser am Veranstaltungsort vorbei, und wieder zurück, was den Referenten dazu veranlasste, darüber zu feixen. Dass im selben Zeitraum drei Mal so häufig ein Traktor mit angehängtem Güllefass vorbeifuhr, wurde jedoch kommentarlos hingenommen. Allerdings wies im Laufe des Abends ein fachkundiger Zuhörer darauf hin, dass es häufiger zu Fehlarlarmen an Gasalarmanlagen auf Förderplätzen kommt, wenn ein Landwirt Gülle ausbringt, während von der Erdgasförderanlage selbst kein Alarm ausgelöst wurde.

Zu den Risiken während Arbeiten an der Bohrung hob der Referent einen möglichen Ausbruch von Sauergas hervor. Dazu ist zu sagen, dass mit dem Einpumpen von Lagerstättenwasser, was ja im Wesentlichen Sole ist, ein Totpumpeffekt erzeugt wird. Das heißt: Auf dem wenigen noch vorhandenen Gas in der quasi ausgeförderten Lagerstätte lastet eine Wassersäule, die den Aufstieg von Erdgas verhindert. Ein Sauergasausbruch ist aus der ohnehin druckabgesenkten Lagerstätte nicht mehr möglich, zumal die Bohrung vor Umrüstung zur Versenkbohrung ohnehin totgepumpt würde. Solche wichtigen Details verschwieg der Vortragende jedoch, wobei sich die Frage stellt, ob es bewusst geschah oder fehlende Kenntnissen bezüglich Arbeiten an Tiefbohrungen der Grund waren. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass Umrüstungen von Bohrungen, Reparaturarbeiten, Reinigungsarbeiten sowie weitere Maßnahmen „State of the Art“, also Standardverfahren sind und deshalb zwar kein Nullrisiko besteht, schwere Unfälle aber absoluten Seltenheitswert haben. Ein seriöser Referent hätte einen solchen Fakt klargestellt.

Was die untertägigen Risiken betrifft, konzentrierte sich der Vortragende hauptsächlich auf eine vermeintliche Erdbebengefahr. Dazu holte er weit aus bis nach Nordamerika und dabei speziell nach Oklahoma. Gezeigt wurde ein Diagramm, welches den nicht zu leugnenden Anstieg von Erdbeben in diesem Bundesstaat im Zusammenhang mit der Versenktätigkeit von Produktionsabwässern aus der Erdöl- und Erdgasgewinnung darstellte. Doch auch hier wurden abermals wichtige Informationen weggelassen, was insofern kurios erscheint, als dass Gegner der inländischen Erdgasförderung, zu denen auch der Referent zählt, sich gerne über (vermeintlich) lückenhafte Informationen der Industrie mokieren. Fakt ist: Nur ein kleiner Teil der Versenkbohrungen in Oklahoma weist seismische Aktivitäten auf. Fakt ist weiterhin, dass die Erdbebenaktivität zurückgegangen ist, nachdem auslösende Bohrungen aufgegeben worden sind. Fakt ist weiterhin, dass jahrzehntelange Versenktätigkeiten in Deutschland nicht zu Erdbeben geführt haben. Dazu siehe auch: Induzierte Erdbeben in Deutschland als Folge der Erdgasförderung? auf diesem Blog.

Keine sachgerechte Einordnung der angeblichen Gefahren bei der Versenkung von Lagerstättenwasser

Künftige Versenkbohrung für Lagerstättenwasser "Siedenburg Z11"

Bohrung „Siedenburg Z11“. Foto: Steven Arndt, 29.04.2018.

Was insgesamt auffiel war, dass eine sachgerechte Einordnung der Risiken ausblieb. Unmutsäußerungen sowie Versuche der Richtigstellung aus dem Teil des Publikums, welcher in der Branche tätig ist oder Bekanntschaften dahin pflegt, wurden von einigen der Zuhörer sowie vom Veranstalter selbst teils aggressiv abgewürgt.

Damit war die im Anschluss angedachte Diskussionsrunde zum Scheitern verurteilt. Ein Gast aus den Reihen der Fachleute gab ein ausführliches Statement ab, wurde aber einmal noch vergleichsweise freundlich von einer Zuhörerin daruf hingewiesen, dass das keine Frage wäre. Dabei ist es im Anschluss solcher Vorträge durchaus üblich, dass man nicht nur Fragen an den Referenten stellt, sondern auch Kritik übt. Doch das war offensichtlich von einigen nicht gewünscht. So ließ ein schon älterer Zuhörer eine Schimpftirade gegenüber den mutmaßlichen wie tatsächlichen Mitarbeitern der EMPG sowie der Branche insgesamt ab und verließ zeitweise, vor Zorn puterrot, den Raum. Es schließlich keinen Sinn hätte, mit diesen Leuten eine Diskussion zu führen. Er offenbarte damit eine insebsondere unter Grünen bzw. deren Anhängern verbreitete fragwürdige Einstellung zum Diskurs.

Ein anderer polemisierte, dass die EMPG ihre Mitarbeiter geschickt hätte, um Stimmung zu machen. Dass Mitarbeiter der Branche sich für ihr Unternehemen und ihre Arbeitsplätze aus freien Stücken einsetzen und das Feld nicht Personen, die mit teils bewusster Desinformation durch die Lande ziehen, um gegen die Erdöl-Erdgas-Industrie Stimmung zu machen, überlassen wollen, kam und kommt diesen Schreihälsen nicht in den Sinn.

Kurzzeitig gab es dann doch noch einen Gedankenaustausch zwischen einem zivilisiert auftretenden Kritiker sowie Personen aus dem Kreise der Zuhörer, die etwas von der Materie verstehen. Dieser Austausch verebbte jedoch mangels Moderation sowie allgemeiner Aufbruchsstimmung. Insgesamt blieb jedoch der Gesamteindruck, dass eine sachliche und fachlich fundierte Informationsveranstaltung nicht gewünscht bzw. nicht vorgesehen war. Denn dann hätte man auch tatsächliche Fachleute als Vortragende zu Wort kommen lassen und nicht nur einen Referenten, der einen mit Polemik, unvollständigen und spekulativen Informationen sowie themenfremden Punkten gespickten Vortrag zum Besten gab.

Aber immerhin gestand der Vortragende nach Ende der Veranstaltung im persönlichen Gespräch ein, mit dem Ankündigungsplakat und dessen Unterstellung, das Vorhaben würde „still und heimlich“ durchgedrückt, nicht einverstanden sei. Mir bot sich dabei die Gelegenheit ihn darauf hinzuweisen, dass er es versäumt hätte, die vermeintlichen Gefahren des Projektes sachlich einzuordnen, womit ich explizit nicht statistische Berechnungen meinte, sondern lediglich die Klarstellung, dass die von ihm erwähnten Gefährdungen a) lediglich theoretischer Natur seien, es sich b) um Einzelfälle handelte, die prominent hervorgehoben worden sind sowie c) mit den hiesigen Verhältnissen nichts zu tun hätten.

Ein besonderer Gruß an dieser Stelle gilt den anwesenden kompetenten Branchenmitarbeitern sowie deren Unterstützern aus Familie und Freundeskreis.

Ein spezieller Gruß richtet sich an die beiden Damen aus Wagenfeld, die sich unter Nennung meines Namens von mir verabschiedeten, obwohl ich mich ihnen nicht vorgestellt habe. Die Namensnennung sollte wohl meiner Verunsicherung dienen getreu dem Motto: Wir wissen, wer Sie sind! Aber, werte Frau L. und Frau S., ich weiß auch wer Sie sind und muss mich nicht solch infantiler Verhaltensweisen bedienen.

 

Artikelfoto: Sicherheitsfackel auf Kompressorstation Siedenburg-Ost. Foto: Steven Arndt, April 2018.

 

3 Kommentare zu Viel heiße Luft um Lagerstättenwasser-Versenkprojekt „Siedenburg Z11“ – Teil 2

  • Karen sagt:

    Ziemlich blamabel, wie einseitig sie hier Bericht erstatten. Sie behindern Bürger und Bürgerinnen darin, sich zu dem Thema Lagerstättenwasser ein objektives Bild zu machen. Sie deklassieren sich damit selbst.

    1. SAR sagt:

      Dieser Bericht gibt MEINEN Eindruck von dieser Veranstaltung wieder und ist somit logischerweise von einem gewissen Maß an Subjektivität geprägt. Insofern sind Ihre Vorwürfe nicht nachvollziehbar und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie nichts weiter zum Ziel hatten, als hier ein wenig Dampf abzulassen.

      Denn wenn Sie interessiert an Informationen wären, hätten Sie die Möglichkeit gehabt, danach zu fragen statt beleidigend rumzupoltern.

  • Dirk Weißenborn sagt:

    „Dass eine Verbindung zwischen diesen Lagerstätten besteht, wenngleich sie zum Teil übereinander liegen, kann deshalb ausgeschlossen werden, weil aus dem Ca2 schwefelwasserstofführendes Erdgas gewonnen wird, während das Erdgas aus der Unteren Trias schwefelwasserstofffrei ist.“

    Nicht nur das. Im Gegensatz zu Oberkarbongasen (und auch solchen aus dem Rotliegend) verfügt das Ca2 i.A. auch über höhere Anteile der homologen Alkane, wie Äthan, Propan, Butan, usw. .Einschließlich der Isomere ab Propan. Stichwort: Nasse Gase.

    Die Gase des mittleren Buntsandsteins verfügen andererseits über meist deutlich höhere N2-Gehalte als die des Ca2.

    Sollte also zu irgendeiner Zeit eine hydraulisch bedeutsame Verbindung zwischen Ca2 und den Erdgasträgern des mittleren Buntsandsteins bestanden haben, müssten dort lokal niedrigere N2-Gehalte bei gleichzeitig erhöhten Anteilen „höherer Kohlenwasserstoffe“ in den Buntsandsteingasen nachzuweisen sein.

    Diesen Nachweis konnte der Referent sicher nicht erbringen. Aber selbst wenn die Betreiberseite einen – wahrscheinlich negativen – Nachweis erbrächte, würde dies bei den „Aktivisten“ niemanden interessieren.

    Getreu dem Motto: Only bad news are good news.

    Außerdem: Selbst wenn Gase und Flüssigkeiten über Wegsamkeiten in den mittleren Buntsandstein im Zuge der Versenkung von Lagerstättenwasser migrieren würden (Konjunktiv!), wären diese immer noch durch knapp 2500m Deckgebirge mit zahlreichen impermeablen Sedimenten von der Biosphäre getrennt. Und darauf kommt es letztendlich an.

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