Weser Kurier in Sachen Erdgas auf Relotius-Pfaden

Wieder einmal befast sich ein Zeitungsartikel, dieses Mal vom „Weser-Kurier“ mit Datum 17.01.2019, mit den überdurchschnittlich hohen Blutkrebserkrankungen bei älteren Männern in der niedersächsischen Samtgemeinde Bothel. Wieder einmal wird mehr oder weniger subtil ein Zusammenhang zur Erdgasförderung hergestellt. Denn einzig und allein wird die Erdgasproduktion als einzige mögliche Ursache diskutiert und gleichzeitig ausgeblendet, dass es diese Auffälligkeiten in anderen Förderregionen in Deutschland nicht auftritt. Was zusätzlich am Artikel auffällt ist, dass der noch recht junge Autor sich passagenweise an einem fast drei Jahre alten „Welt“-Artikel zum gleichen Thema bedient hat. Zudem sind einige Punkte in bester Relotius-Manier frei erfunden oder zeugen von mangelndem technischen Verständnis der Erdgasproduktion insgesamt.

Hinzudichtungen zu Fakten Marke Relotius

Das ist ein Eruptionskreuz und kein Bohrturm. Erdgasförderbohrung „Preyersmühle-Süd Z1“ im Landkreis Rotenburg. Foto: Steven Arndt, April 2017.

Vor einigen Wochen gab das einst honorige Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bekannt, dass einer ihrer Autoren, Claas Relotius, in seinen Artikeln zu den Tatsachen vermeintliche Fakten hinzugedichtet zu haben. Diese Vorgehensweise hatte zum Ziel, seinen Beiträgen mehr Dramatik und somit mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Und so verhält es sich auch mit dem Artikel von Nico Schnurr, dem recht jungen Autor des „Weser-Kurier“-Artikels.

Schnurr schreibt beispielsweise „Zwischen den Dörfern [im Landkreis Rotenburg, der Verfasser] steigen entlang der schmalen Straßen immer wieder Bohrtürme auf, eingezäunt auf einem Boden aus Beton. Sie heißen Z 6, Z 11 oder Z 18, und sie gehören dem US-amerikanischen Großkonzern Exxon-Mobil. “ .

Um seinen Artikel zu schreiben, war Nico Schnurr anscheinend nicht in der Förderregion unterwegs. Denn zu dem Zeitpunkt stand dort kein einziger Bohrturm. Und auch in den letzten Jahren standen selten Bohranlagen im Landkreis. Und wenn dies doch der Fall war, dann dienten sie fast ausschließlich entweder Workoverarbeiten (Instandsetzung) oder der Verfüllung nicht mehr benötigter Bohrungen. Die letzte durchgeführte Bohrung datiert ins Jahr 2013. Es handelte sich dabei um die Bohrung „Worth Z1a“ aus der bestehenden Bohrung „Worth Z1“. heraus. Die Bohrung war technisch fehl und ist, wie auch die Stammbohrung, unmittelbar im anschluss verfüllt worden.

Offensichtlich meint Herr Schnurr mit „Bohrtürmen“ jedoch mit einem etwa mannshohen Eruptionskreuz ausgestattete Förderbohrungen. Doch trägt keine von denen die Nummerierung „Z18“. Die höchste Nummerierung im Feld „Söhlingen“ ist Z16, im Feld „Bötersen“ Z11. In allen anderen Feldern und Teilfeldern im Landkreis Rotenburg ist die laufende Nummer „Z6“ nicht überschritten worden. Das jedoch ist eine Kleinigkeit gegenüber der Behauptung, dass die Förderbohrungen im Landkreis Rotenburg allesamt dem US- „Großkonzern“ ExxonMobil gehörten. Tatsächlich werden einige Bohrungen von der Deutschen Erdöl AG (DEA) betriebn, wie z.B. sämtliche sechs Sonden im Teilfeld „Hemsbünde“. Doch mit Recherche wollte sich der junge Autor nicht aufhalten. Der vermeintliche US-Großkonzern ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) ist übrigens beim Amtsgericht Hannover unter HRB 60424 eingetragen.

In Relotius-Manier nicht getätigte Aussagen erfunden

Und das ist eine Bohranlage der ITAG, oder auch fachlich nicht ganz korrekt, ein Bohrturm auf der Bohrung „Goldenstedt Z23. Foto: Markus Stahmann.

Der Artikel von Herrn Schnurr befasst sich, wie einleitend erwähnt, mit den erhöhten Blutkrebserkrankungen bei Männern in der Samtgemeinde Bothel. Für diese wird, insbesondere von Bürgerinitiativlern und Grünen,  die regionale Erdgasförderung verantwortlich gemacht. Doch außer einer sehr schwachen räumlichen Korrelation gibt es keinerlei sonstige Hinweise auf einen Zusammenhang. Insbesondere ein kausaler Zusammenhang konnte nicht nachgewiesen werden.

Das bestätigt auch eine weitergehende Untersuchung im Auftrag des niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, die im Dezember 2018 veröffentlicht wurde. Im Ergebnis der Untersuchungen wurden diese auf 15 weitere niedersächsische Landkreise mit historischer wie aktueller signifikanter Erdöl- und Erdgasförderung ausgedehnt. Ergebnis: „Zusammenfassend konnte diese Studie die für einzelne Gemeinden im Vorfeld gefundenen Auffälligkeiten für den Landkreis Rotenburg bestätigen; für die Gesamtstudienregion zeigten sich diese aber nicht.“ (Quelle:Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben
„Zusammenhang von hämatologischen Krebserkrankungen und der wohnlichen Nähe zu Schlammgruben(verdachtsflächen) und zu Anlagen der Kohlenwasserstoffförderung in Niedersachsen“) sowie: Auch zeigten sich hierbei weder zwischen Frauen und Männern Unterschiede, noch fielen einzelne Unterdiagnosegruppen wie Leukämien oder Multiple Myelome auf, wie es in der Samtgemeinde Bothel der Fall ist. (Quelle: Pressemitteilung zur Studie).

Doch was macht Schnurr daraus? „In den 14 anderen Landkreisen, die untersucht wurden, fallen die Werte weniger auf. Falsch! Es gab nicht weniger, sondern keine entsprechenden Auffälligkeiten. Hinzudichten von nicht getroffenen Aussagen sowie Tatsachenverdrehung in bester Relotius-Manier.

Mangelnde Kenntnis zu Fördertechnik und Produktionsgeschichte

So sieht’s aus, wenn eine Erdgasbohrung gefract wird. Hier: „Söhlingen Z15“. Bildquelle: BVEG

Neben den unfundierten „Ergänzungen“ ist der Artikel von Nico Schnurr auch durch ein mangelhaftes Wissen über Fördertechniken sowie die Erdgasproduktionshistorie im Landkreis Rotenburg charakterisiert.

So schreibt er: „Seit etwa 30 Jahren fördert das Unternehmen (EMPG, der Verfasser) Erdgas in der Region. Lange auch per Fracking.“

Die Erdgaslagerstätte „Söhlingen“ ist bereits 1980, also vor etwa 40 Jahren, aufgeschlossen worden. Die Förderung begann nur zwei Jahre später, also vor 37 Jahren, ergo auch eher vor 40 als vor 30 Jahren. Doch auch das ist eher eine Kleinigkeit gegenüber der Behauptung, dass lange auch per „Fracking“ gefördert wird und dem offensichtlichen Nichtverständnisses des Verfahrens, was sich hier zeigt: „Ein Prinzip, bei dem ein chemischer Wasser-Steinchen-Mix unter Hochdruck in das Gasfeld gepumpt wird. Dabei strömt nicht nur Gas aus dem Boden, auch Chemikalien steigen wieder auf, aus großer Tiefe, zusammen mit Lagerstättenwasser, das hochgifte Stoffe enthält.“

Man muss es anscheinend immer wieder erklären und es kommt bei den Redaktionsstuben dennoch nicht an, obwohl wir wissen, dass unsere Artikel dort gelesen werden: „Fracking“, eigentlich Hydraulic Fracturing, ist ein Verfahren, bei dem mittels Druckübertragung durch eine Flüssigkeit (Hydraulik) Risse (engl. fractures) im wenig durchlässigen Speichergestein erzeugt werden. Erst nach Abschluss des Fracjobs, und nicht wie dargestellt dabei, kann das Erdgas zum Bohrloch strömen. Die Mitförderung von Lagerstättenwasser im Zuge der Gasgewinnung hat mit der Anwendung des Fracverfahrens rein gar nichts zu tun.

Weiter oben haben wir bereits darauf hingewiesen, dass Herr Schnurr offensichtlich etwa mannshohe Eruptionskreuze als obertägigen Abschluss von Erdgasbohrungen mit Bohrtürmen verwechselt hat. Doch hat er das tatsächlich? Oder hat er vielmehr vom in der Einleitung erwähnten „Welt“-Artikel abgekupfert?

Darstellungen kommen bekannt vor

Hier wiederum ein Eruptionskreuz, kein Bohrturm, sowie angeschlossene Aufbereitungsanlagen in der Förderphase, nachdem „Fracking“ vollzogen wurde. Erdgasförderbohrung „Goldenstedt Z23“. Foto: Markus Stahmann

Was Claas Relotius zu Recht vorgeworfen wird, ist das Erfinden von Behauptungen, um mehr Aufmerksamkeit für seine Artikel, Berichte, Reportagen zu erhaschen. Doch dass Relotius von Kollegen abgekupfert hat, um seine Beiträge aufzufüllen, ist uns nicht bekannt. Bei Herrn Schnurr verhält es sich jedoch anders. Hier fallen Parallelen auf, die sich nur marginal von Darstellungen im erwähnten, knapp drei Jahre alten „Welt“-Artikel unterscheiden:

Was fällt auf (Hervorhebungen jeweils durch Verfasser)?

Im Artikel der „Welt“ war seinerzeit zu lesen:

„Wer durch das flache Land fährt, sieht immer wieder Türme in den Himmel ragen, Gebilde aus Rohren und Tanks, eingezäunt auf einem Boden aus Beton: Bohrtürme des amerikanischen Konzerns ExxonMobil.“

Bei Herrn Schnurr liest sich das so:

„Zwischen den Dörfern steigen entlang der schmalen Straßen immer wieder Bohrtürme auf, eingezäunt auf einem Boden aus Beton. Sie heißen Z 6, Z 11 oder Z 18, und sie gehören dem US-amerikanischen Großkonzern Exxon-Mobil.“

Teilweise sind Formulierungen 1:1 übernommen worden. Doch damit nicht genug. Die EMPG betreibt selbst keine eigenen Bohranlagen. Stattdessen werden Kontraktoren für Arbeiten, die eine Bohranlage erfordern, beauftragt. Dass offensichtlich in beiden Artikeln aus mehreren Ventilen, Absperrhähnen und Manometern bestehende Bohrlochabschlüsse (Eruptionskreuze) zu Bohrtürmen deklariert werden, haben wir weiter oben bereits erwähnt. Im Falle des „Welt“-Artikels dürfte es Unwissen geschuldet sein, im Falle des „Weser-Kurier“-Beitrages Abkupferei in Verbindung mit Unwissen.

„Das Bundesland gilt als die Erdgaskammer der Republik, etwa 95 Prozent der gesamten deutschen Produktionsmenge werden hier gefördert. „

heißt es im „Welt“-Artikel. Quasi findet sich die Formulierung im drei Jahre jüngeren „Weser-Kurier“-Beitrag von Herrn Schnurr wieder.

„Niedersachsen gilt als Erdgaskammer der Republik, etwa 95 Prozent der deutschen Produktionsmenge werden hier gefördert.“

In der Wissenschaft würde man dies, da ohne Quellenangabe, als Plagiat bewerten. Im Journalismus wird solche Unkreativität anscheinend akzeptiert.

Fazit: Der Artikel des „Weser-Kurier“ bringt keine neuen Erkenntnisse. Stattdessen gibt er nur die Unterstellungen/Mutmaßungen zu den überdurchschnittlichen Blutkrebserkrankungen in der Samtgemeinde Bothel wider, die seit nunehr fast 5 Jahren durch die Medienlandschaft geistern. Doch damit nicht genug zeugt er er von Unzulänglichkeiten hinsichtlich der technischen Aspekte der Erdgasproduktion sowie, und das ist eigentlich das fatale, von freien Erfindungen im Stile von Claas Relotius, um den Artikel noch dramatischer als notwendig erscheinen zu lassen.

 

Artikelfoto: Bohranlage (für „Weser-Kurier“-Schreiber auch „Bohrturm“) auf Erdgasbohrung „Söhlingen Z9a“ im Workovereinsatz. Foto: Steven Arndt, Mai 2013.

3 Kommentare zu Weser Kurier in Sachen Erdgas auf Relotius-Pfaden

  • Sven Friedrich sagt:

    …und wie sie wieder rumgiften… man spürt regelrecht die Wut in ihnen … toll, das gefällt mir, wenn sie sich wirklich ärgern – sie spüren, der Wind hat sich längst gedreht und bläst diesen Umweltschweinen von Exxon, DEA etc. ins Gesicht…

    1. SAR sagt:

      Sie finden es also OK, wenn ein Journalist nicht getroffene Aussagen hinzuerfindet, einen Bohrlochverschluss bzw. eine Erdgasförderanlage insgesamt nicht von einer Bohranlage unterscheiden kann und das wiederum allein der Tatsache geschuldet ist, dass er von einem drei Jahre alten Artikel eines Kollegen nahezu wortidentisch abgekupfert hat?

      Der Einzige, der hier rumgiftet, sind Sie, wie Ihr Kommentar unschwer erkennen lässt. Ausnahmsweise wird er freigeschaltet, damit auch Leser sehen, wie Anti-Gasbohr-Aktivisten so ticken. Glück Auf! an den Schwielochsee

    2. Walter Stephan sagt:

      Ach Herr Friedrich,
      Sie tun mir wirklich leid, was sind Sie nur für ein komischer Mensch! Ihnen ist nicht nur der inhaltliche Sachverhalt dieses Artikels verschlossen geblieben (ein junger Zeitungsmitar­beiter schreibt bei der großen Zeitung „Die Welt“ ab, schreibt Fehler ab, schreibt über Din­ge, die er nicht selbst gesehen und erlebt hat und von denen er – zufälliger (?) Weise – keine Ahnung hat und versucht, als Trittbettfahrer auf einen Zug aufzuspringen, der nach Ihrer Meinung in die richtige Richtung fährt, und bemüht dabei Geister, deren Existenz von der wirklichen Fachwelt als erfundene Erscheinung eingestuft wurde). So leid es Ihnen tun mag, es gibt nun mal keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Häufung der Krebs­erkrankungen älterer Männer (warum nicht auch älterer Frauen, die dort wohnen oder an­derer Personen, die seit Jahrzehnten dort in der Erdgasförderung beschäftigt sind ?) in der Samtgemeinde Bothel und der Erdgasförderung, egal jetzt, durch welche von Ihnen so hochqualifiziert als „Umweltschweine“ bezeichneten Firmen. Da Sie außerdem, wie Ihr Beitrag zeigt, erhebliche Probleme sowohl mit der deutschen Sprache und Rechtschrei­bung als auch mit einem Mindestmaß an höflichem und korrekten Veralten in sachlichen Auseinandersetzungen über durchaus zulässige Meinungsverschiedenheiten haben, wür­de ich es begrüßen, wenn Steven Arndt all Ihre primitiven und haltlosen Zuschriften stets veröffentlicht, damit alle Leser dieses blogs sehen, dass Ihnen jeglicher Respekt vor an­deren Auffassungen fehlt und Ihnen die Kultur eines offenen Meinungsstreits völlig fremd ist. Damit würden Sie sich endlich vor aller Welt als das bzw. der zeigen, was bzw. wer Sie wirklich sind. Ein unglücklicher Mensch, der sein Heil in der Verunglimpfung von Auffassungen und Menschen sucht, die seiner vorgefassten Meinung nicht folgen wollen. Gleichzeitig könnten Sie damit auch offen zeigen, wes Geistes Kind Sie und andere „Bürgerlichen Initiativkader“ sind, die immer und überall gegen alles sind, was um sie herum geschieht und „sicherheitshalber“ erst einmal mit einer Bürgerinitiative bekämpft werden muss. Nochmal, Herr Friedrich, Sie tun mir leid, und versuchen Sie nicht wieder, einen alten Rentner als Gehaltsempfänger der Öl- und Gasindustrie hinzustellen, Sie machen sich nur lächerlich damit.

      Walter Stephan

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