Erneut Aufruhr wegen geplanter Erdgasförderung auf Usedom
Bereits Anfang der 1980er Jahre ist die Lagerstätte Heringsdorf vor Deutschlands östlichster Insel entdeckt worden. Zur Erdgasförderung auf Usedom kam es aufgrund Mangels an geeignetem Material zu DDR-Zeiten jedoch nicht. Erst nachdem die Treuhand das Bergwerksfeld in den 90er Jahren an Gaz de France bzw. an dessen Tochter Erdöl-Erdgas Gommern GmbH (EEG) veräußert hatte, gab es erneute Bestrebungen zur Förderaufnahme. Trotz innovativer Konzepte, die zudem optimiert wurden (Vor-Ort-Verstromung zu Verstromung plus Trinkwassergewinnung aus Meerwasser) konnten weder Kritiker vor Ort noch Politik überzeugt werden.
Erdgasförderung auf Usedom nicht mit Tourismus vereinbar
Selbst das verbesserte Konzept, das neben der Vor-Ort-Stromerzeugung auch noch die Trinkwassergewinnung mittels energieintensiver Meerwasserentsalzungsanlage vorsah, stieß auf taube Ohren. Ebensowenig ließ sich die Landespolitik überzeugen, so dass die EEG zunächst klein beigab.
In den letzten Jahren trat der Bergfeldeigentümer, inzwischen unter GDF-Suez E&P Deutschland GmbH firmierend (und nunmehr zu ENGIE E&P Deutschland GmbH umbenannt) erneut auf den Plan. Und zwar mit einem neuen Konzept: Das gewonnene Erdgas sollte nun nicht mehr verstromt, sondern nach Aufbereitung ins Regionalnetz eingespeist werden. Leider hatte sich die Stimmung zu Ungunsten der gesamten Explorations- und Produktionsindustrie (E&P Industrie) in Gesamtdeutschland verschlechtert. Quasi jedes Anliegen, neue Erdöl- und Erdgaslagerstätten zu erkunden bzw. bereits bekannte zu erschließen wurde aus einem unglaublich emotionalisierten, oftmals auf reinen Spekulationen bishin zu boshaften Unterstellungen basierenden Dreiklang aus Bürgerinitiativen (BI), den unvermeidlichen Umweltlobby-Gruppierungen sowie unausgegorenen Medienberichten torpediert. Eine sachliche Diskussion war nur noch in seltenen Ausnahmefällen möglich. Selbstverständlich war auch das ENGIE-Projekt „Heringsdorf“ betroffen.
Kompromiss – Was ist das?
In der emotional geführten Debatte verhielten und verhalten sich die Gegner absolut kompromisslos. Das zeigte sich bereits in den 1990er sowie frühen 2000er Jahren, als die innovativen Konzepte konsequent abgelehnt wurden. Keine Initiative des Entgegenkommens seitens der EEG gegenüber den Anwohnern sowie der Tourismuswirtschaft fand eine Würdigung. Man beharrte auf dem Standpunkt: Erdgasförderung auf Usedom ist nicht möglich. Basta!
Dabei befand sich der vorgesehene Betriebsplatz (und es geht auch heute nur um einen einzigen!) im touristischen Niemandsland in einer Senke auf einer Brache am Schloonsee. In Verbindung mit dem Konzept eines camouflierten Gebäudekomplexes wäre maximal aus unmittelbarer Nähe zu erkennen gewesen, dass am Standort Erdgas gewonnen, aufbereitet und genutzt wird. Gegen die Bilder aus den 1980er Jahren sowie die innere ablehnende Überzeugung half offenbar nichts.
Das wurde besonders deutlich in der seit wenigen Jahren erneut aufgekommenen Debatte. GDF-Suez bzw. ENGIE versuchten den Kritikern in Umweltlobbyverbänden, BI, der Kommunalpolitik sowie der Tourismuswirtschaft noch weiter entgegen zu kommen. So wurde vorgeschlagen, einen alternativen Standort zum Areal am Schloonsee zu finden. Ins Auge gefasst wurden dabei ein Standort auf dem Gelände einer einstigen Kaserne der Sowjetarmee sowie ein Gelände weiter im Hinterland auf dem Gebiet der Gemeinde Korswandt. Doch auch hier folgte den Vorschlägen von ENGIE kein Entgegenkommen. Es herrscht die totale Ablehnung, einhergehend mit schwersten Vorwürfen gegenüber dem französischen Unternehmen.
Vorwürfe teilweise auf niedrigstem Niveau
In der seit fast sieben Jahren anhaltenden Debatte um die Erdgasgewinnung in Deutschland sind zahlreiche verbale Entgleisungen gegenüber den E&P – Unternehmen sowie den Genehmigungsbehörden zu beobachten gewesen. Auch vor an den Haaren herbeigezogenen Argumenten scheut die Gegnerschaft nicht zurück. Nicht anders verhält es sich beim Vorhaben der Erdgasförderung auf Usedom.
Wirtschaftlichkeit des Vorhabens
Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit scheiden sich die Geister in den Reihen der Gegnerschaft. So ist dem Artikel „Erdgasgegner machen mobil: Anwaltliche Hilfe und Demo“ der Ostsee Zeitung (OZ) zu entnehmen, dass die Wirtschaftlichkeit angezweifelt wird. Als Begründung führt Wolfram Wirth, Leiter der Arbeitsgruppe „Erdgas“ in den sogenannten „Kaiserbädern“ die russischen Erdgasmengen an, welche via Nordstream im vorpommerschen Lubmin angelandet werden. Deshalb dürfe sich die Erdgasförderung vor Usedom nicht lohnen. Und: Vor allem dann nicht, wenn man die hohen Investitionskosten des Vorhabens dazurechnet.
Diese Einschätzung entbehrt jeglicher Logik. Denn die gegenwärtig über Nordstream angelandeten Mengen decken nicht ansatzweise den Bedarf Deutschlands und werden zudem noch über mehrere europäische Staaten verteilt. Im Übrigen erfolgt vor einer Investitionsentscheidung eine Kosten-Nutzen-Abwägung. Schließlich will ein privatwirtschaftliches Unternehmen Gewinne einfahren. Und damit wären wir beim nächsten Punkt in Sachen Wirtschaftlichkeit, nämlich dem gängigen und mittlerweile ausgelutschten Vorwurf der „Profitgier“.
Mit „Korswandt: Korswandter werfen Engie reine Profitgier vor“ ist ein weiterer Artikel der OZ vom 28.10.2017 überschrieben. Ob dieser Vorwurf tatsächlich von einem Korswandter kommt oder nicht vielleicht doch eher von der auf der Einwohnerfragestunde anwesenden BI „Lebensraum Vorpommern“, sei dahingestellt. Der Stil spricht für letztere. Dabei ist anzumerken, dass die BI ihren Kern im Norden der Insel hat und ihre Vorsitzende Christa Labouvie (Mitglied DIE LINKE) im 60 Kilometer entfernten Loitz zu Hause ist. Die BI ist von dem Vorhaben also nicht betroffen, maßt sich aber dennoch an, gegen die Erdgasförderung auf Usedom im südlichen Teil der Insel Stimmung zu machen.
Selbstverständlich ist es Sinn und Zweck eines Unternehmens, Gewinne (also Profite) zu erzielen. Insofern ist der Vorwurf der „Profitgier“ subtsanzlos. Die Allgemeinheit wird in Deutschland über Förderabgaben, Synergieeffekte (Investitionen vor Ort, vergleichsweise hohe Löhne und Gehälter und somit höhere Kaufkraft sowie Einkommenssteuer…) und Gewerbesteuereinnahmen an den Profiten beteiligt.
Zweifel an Gewerbesteuereinnahmen
Laut des zweiterwähnten OZ-Artikels zweifeln Kritiker an, dass ENGIE vor Ort wie angekündigt Gewerbesteuern entrichten wird. Der Zweifel dürfte darauf beruhen, dass bei vielen Mitbürgern die Vorstellung verankert ist, international agierende Konzerne könnten sich um Steuerzahlungen drücken. Dies belegt einmal mehr, dass die sich oftmals als allwissend gebenden Gegner der inländischen Erdgasproduktion doch erhebliche Kenntnisdefizite aufweisen.
Der Verfasser dieser Zeilen kann bezüglich Gewerbesteuern, Erdgasproduktion und speziell ENGIE ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Schließlich lebte er in der einstmals reichsten Gemeinde Sachsen-Anhalts, der Gemeinde Steinitz (2011 in die Kreisstadt Salzwedel eingegliedert). Auf dem einstigen Gemeindegebiet befindet sich die Zentralstation der von ENGIE betriebenen Erdgaslagerstätte „Altmark“, der zweitgrößten in Mittel-/Westeuropa. Und dieser Sachverhalt spülte enorme Geldmengen in die Kasse der kleinen Gemeinde.
Ein anderes Beispiel, dass eine Gemeinde von Gewerbesteuereinnahmen aus der Erdgasproduktion enorm profitiert, ist der niedersächsische Ort Großenkneten. Hier betreibt der „US_Multi“ ExxonMobil eine Station, die in der Region produziertes Erdgas zum vertriebsfähigen Endprodukt aufbereitet (Gewerbesteuer sprudelt noch). Diese zwei Beispiel verdeutlichen, dass entgegen der Behauptungen der Kritiker die Förderfirmen durchaus zum Wohle der Gemeinschaft beitragen.
Zweifel an Zusage kein „Fracking“ zur Erdgasförderung auf Usedom anzuwenden
Wie kaum anders zu erwarten, wird ENGIEs Zusicherung, das Hydraulic-Fracturing-Verfahren (umgangssprachlich „Fracking“) nicht anzuwenden, in Frage gestellt. Leider können die Kritiker regelmäßig nicht begründen, warum sie solche Aussagen anzweifeln. Dabei ist es Tatsache, dass in erdgasführenden Sedimenten des Stassfurtkarbonats, an welche auch die Lagerstätte Heringsdorf geknüpft ist, in Deutschland bislang keine Fracmaßnahmen erforderlich waren. Porosität und Permeabilität haben dieses Verfahren zur Verbesserung von Fließbedingungen einfach nicht erfordert. Und selbst wenn: Bis heute konnte die Gegnerschaft nicht plausibel vortragen, worin ihre kompromisslose Ablehnung gegen dieses Standardverfahren begründet ist.
Unvereinbarkeit geplanter Erdgasförderung auf Usedom mit Tourismus
Wie bereits im ersten Teil des Artikels dargelegt, ist das Hauptargument der Kritiker sowie einharten Gegner, dass sich die Gewinnung und Aufbereitung von Erdgas nicht mit dem Inseltourismus vereinbaren ließe. Hinsichtlich dieses Hauptkritikpunktes möchten wir nicht in die Tiefe gehen. Denn das haben wir bereits in unserem Artikel Erdgasförderung und Tourismus auf Usedom vereinbar? Wir meinen Ja! begründet dargelegt.
Ergänzend dazu nur soviel: Die Fläche der Insel Usedom beträgt 445 km². Für die Anlage zur Produktion und Aufbereitung des Erdgases aus der Lagerstätte Heringsdorf ist eine Fläche von etwa 3 Hektar vorgesehen. Dies entspricht sage und schreibe 0,0067 Prozent (!) der Gesamtfläche Usedoms. Wie durch eine solche kleine Anlage, deren Gebäude niedriger ausfallen würden als umgebende Bäume, der Tourismus auf der Insel nachhaltig gestört werden soll, bleibt das Geheimnis der Gegnerschaft.
Diese beruft sich zusätzlich jedoch auch noch auf einen Imageschaden, wenn Besucher davon erfahren, das die Insel auch Erdgasfördergebiet ist. Dazu sei anzumerken: Wenn die Gegnerschaft nicht so einen Bohei gegen das Vorhaben der Erdgasförderung auf Usedom machen würde, wüsste kaum ein potenzieller Besucher davon. Das vermeintlich schlechte Image wäre demnach der eigenen Angstschürerei geschuldet. Und mit dem Wort „Angstschürerei“ wären wir beim nächsten, dem verwerflichsten Punkt.
ENGIE wird Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Produktionsstandorten vorgeworfen
Eine an Geschmacklosigkeit kaum zu überbietende Behauptung der Gegner ist, dass es „andernorts nachweisbare Zusammenhänge zwischen ENGIE-Produktionsstätten und einer höheren Rate an Krebserkrankungen“ gäbe, wie es im zweitgenannten OZ-Artikel heißt. Tatsache ist, dass es nirgendwo in Deutschland einen erwiesenen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und Erdgasgewinnung gibt. Dieser wird zwar für die Erdgasfördergebiete rund um Rotenburg/W. von dortigen Erdgasfördergegnern wiederum im vertrauten Zusammenspiel einiger Medien unterstellt bzw. suggeriert, ein plausibler Nachweis konnte jedoch trotz intensiver Untersuchungen nicht erbracht werden.
Demnach streuen die sich allwissend gebenden Gegner einer eventuellen Erdgasförderung auf Usedom bewusst Unwahrheiten unter die Allgemeinheit oder versuchen es zumindest. Das Geschmacklose dabei ist, dass oftmals dem vorzeitigen Tode geweihte Mitbürger dazu instrumentalisiert werden.
Leider sind das maßlose Überzeichnen eventueller Risiken, die bewusste Fehlinterpretation ermittelter Schadstoffkonzentrationen sowie das freie Erfinden von Vorfällen und unbelegter Gesundheitsbeeinträchtigungen typische Charakteristika von „Dagegen“-BI, Umweltlobbyverbänden und teilweise auch, und das ist besonders erschütternd, der mehr oder weniger subtil sekundierenden Medien.
Es bleibt abzuwarten, ob das Vorhaben schließlich zur Umsetzung kommt. Wenn ja, wird der Verfasser gerne weiterhin die wunderschöne Insel besuchen, wie bereits in der Vergangenheit mehrfach geschehen. Und das nicht trotz, sondern auch ein wenig wegen der Erdöl- und Erdgasförderung auf Usedom.