Über Blockadehaltung gegen Erdgasförderung auf Usedom

Erdölförderung auf Usedom März 2018

von Dipl.-Wirtschaftsingenieur (FH) Walter Stephan (Stralsund) und Diplom-Geograph Steven Arndt (Berlin)

Bereits mehrfach berichteten wir auf diesem Blog über den Widerstand gegen eine angedachte Erdgasförderung auf Usedom aus der Lagerstätte Heringsdorf. Diese wurde bereits Anfang der 1980er Jahre durch den VEB Erdöl-Erdgas Grimmen entdeckt, konnte aber aus materialwirtschaftlichen Gründen zu DDR-Zeiten nicht in Förderung gesetzt werden. Mehrere nachwendezeitliche Versuche der Inproduktionsnahme mit verschiedenen Konzepten stießen auf lokalen Widerstand und ließen sich politisch nicht durchsetzen.

Tourismusfreundliches Konzept stößt weiterhin auf Widerstand

Erdölförderbohrung im Feld Lütow auf Usedom. Foto: Steven Arndt, März 2018

Mit einem neuen Konzept versuchte es der jüngst von Neptune Energy übernommene Lagerstätteneigentümer ENGIE (davor unter Gaz de France-SUEZ operierend), den Bedenkenträgern bezüglich der Erdgasgewinnung auf Usedom entgegenzukommen. Insbesondere denjenigen, die eine Beeinträchtigung des Tourismus durch den Standort am Schloonsee im Hinterland des Ostseebades Bansin befürchteten, sollte damit wohl Kompromissbereitschaft signalisiert werden.

So wurde vorgeschlagen, einen alternativen Standort zum Areal am Schloonsee zu finden. Ins Auge gefasst wurden dabei ein Areal einer einstigen Kaserne der Sowjetarmee sowie ein Gelände weiter im Hinterland auf dem Gebiet der Gemeinde Korswandt. Doch auch hier folgte den Vorschlägen von ENGIE kein Entgegenkommen.

Stattdessen erfolgten seitens der Bedenkenträger/Kritiker teils harsche Vorwürfe gegenüber dem Vorhabensträger. Auch vor an den Haaren herbeigezogenen Argumenten schreckt die Gegnerschaft nicht zurück. In dieser Angelegenheit möchten wir auf unseren Beitrag Erneut Aufruhr wegen geplanter Erdgasförderung auf Usedom verweisen.

Bürgerinitiative fordert Unterstützung von ganz Usedom

Brachfläche mit den Erdgasbohrungen Heringsdorf 5 und 6. Bildquelle: GoogleMaps, bearbeitet.

Ein Teil der Bedenkenträger ist in der Bürgerinitiative (BI) Lebensraum Vorpommern engagiert, welche regelmäßig Präsenz in der Medienlandschaft, insbesondere in der regionalen Ostsee-Zeitung (OZ), erhält. Diese fordert aktuell laut OZ-Beitrag vom 7. März 2018 eine Unterstützung sämtlicher Gemeinden der Insel Usedom gegen die Pläne der Erdgasgewinnung.

Dabei ist zu bedenken, dass die geplante Anlage zur Förderung und Aufbereitung des Erdgases aus der größtenteils vor der Ostseeküste liegenden Lagerstätte „Heringsdorf“ sich über eine Fläche von vier Fußballfeldern erstrecken wird. Das wären 16.200 Quadratmeter oder 0,0162 Quadratkilometer (km²). Zum Vergleich: Die Gesamtfläche Usedoms beträgt übrigens 445 km² und somit fast das 27,5 – tausendfache der vorgesehenen Anlage. Allein schon anhand dieser Zahl sollte deutlich werden, dass die Argumentation der Kritiker in Hinblick auf den Tourimus als hanebüchen zu bewerten ist.

Weil sich die BI dessen offenbar bewusst ist, werden Scheinargumente angeführt. So behauptet die Sprecherin Christa Labouvie, welche selbst nicht wohnhaft auf Usedom ist, dass durch die Erdgasförderung “ gesunde Luft und sauberes Trinkwasser“ nicht garantiert wären. Dabei sprechen Langzeitluftmessungen aus dem Erdgasförderfeld „Söhlingen“ in Niedersachsen eine ganz andere Sprache (. Diese konnten eine Verunreinigung der Umgebungsluft ausschließen. Ebenso gibt es keinen einzigen Beleg dafür, dass zur Trinkwassergewinnung nutzbare bzw. genutzte Grundwasserleiter durch die jahrzehntelange Erdgasförderung in Deutschland beeinträchtigt sind.

Weiterhin behauptet Frau Labouvie, dass „Die Risiken der Gasförderung […] nicht kalkulierbar, zahlreiche Unfälle die Regel“ seien. Tatsache ist, dass es im Zusammenhang mit der Erdgasförderung in Niedersachsen, auf die sich Labouvie explizit bezieht, auch Unfälle/Vorfälle zu verzeichnen sind. Tatsache ist aber auch, dass diese in Anbetracht der gewonnenen Mengen Ausnahme statt Regel sind und zudem in der Folge quasi keine nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Daran ändern reißerische Medienbeiträge, insbesondere des NDR, nichts.

Opposition auch durch Lokalpolitik

Erdgasbohrungen auf Usedom „Heringsdorf 5 & 6“. Foto: Steven Arndt . März 2018

Neben der BI Lebensraum Nordvorpommern wehrt sich auch die Lokalpolitik gegen das Vorhaben. Und das bereits seit den ersten Bekundungen des einstigen Eigentümers Gaz de France bzw. der Tochtergesellschaft Erdöl-Erdgas Gommern GmbH in den 1990er Jahren, das Vorkommen in Produktion zu setzen. Hauptargument seinerzeit war die Befürchtung, dass eine permanent lodernde Fackel Urlauber verschrecken könnte. Hintergrund dürften u.a. Erfahrungen aus den 1980er Jahren sein, als eine Erkundungsbohrung inmitten der Stranddünen von Heringsdorf abgeteuft wurde. Den interessierten Leser möchten wir in dieser Angelegenheit auf unseren Artikel Erdgasförderung und Tourismus auf Usedom vereinbar? Wir meinen Ja! verweisen.

Da mit solchen Szenarien heutzutage nicht mehr zu rechnen ist, werden andere Scheinargumente gegen die Erdgasförderung angeführt. Hauptgegenargument ist, dass durch die angedachte Erdgasförderung angeblich das Trinkwasser gefährdet wäre. Warum dies ein Scheinargument ist, haben wir unter der vorangegangenen Teilüberschrift bereits verdeutlicht. Fakt ist, das das zweite, seinerzeit von Gaz de France eingereichte Konzept vorsah, neben der Vor-Ort-Verstromung des Erdgases mit der erzeugten Elektroenergie eine Meerwasserentsalzungsanlage zu betreiben, um die bereits in den 1990er Jahren angespannte Trinkwasserversorgung der Insel Usedom  zu optimieren. Doch dieses zukunftsweisende Konzept wurde abgelehnt. Siehe dazu unseren Beitrag Zukunftsweisende Konzepte der Erdgasproduktion in Deutschland Teil I.

Denn sie wissen nicht wovon sie reden

Erdölförderung auf Usedom. Foto: Steven Arndt. März 2018.

Schaut man sich die Debatte intensiver an, beschleicht einen das Gefühl, dass die Gegnerschaft nicht konkret weiß, worüber sie redet bzw. wogegen sie konkret opponiert. So äußert sich der Bürgermeister Lars Petersen laut OZ-Artikel „Trinkwasser kontra Erdgas: Seebad will Schutzzone am Schloonsee“ dahingehend, dass die Gegend um den Schloonsee Wasserschutzgebiet wird sowie dass die Schutzzone zwischen Bansin und Neuhof erweitert werden soll. Ob ein Trinkwasserbrunnen dort überhaupt realisierbar ist, soll das Unternehmen Umweltplan GmbH aus Stralsund mittels einer hydrologischen Berechnung ermitteln. Kleiner Exkurs an dieser Stelle: Einer der beiden Autoren, und zwar der nicht in Stralsund wohnhafte, hat während seines Studiums bei der Umweltplan GmbH sein Berufspraktikum absolviert und das in gegenseitiger Anerkennung. Das Unternehmen hat in den vergangen Jahren übrigens auch die Erdölerkundungsbohrungen der CEP auf Usedom umweltplanerisch begleitet.

Doch zurück zum Thema: Eine Trinkwasserschutzzone lässt sich nicht ohne Weiteres erweitern. Ihre Grenze ist gesetzt durch den Anstrombereich des nutzaren Grundwasserleiters. Daran ändern auch neue Berechnungen nichts und in diesbezüglich gilt das vollste Vertrauen den ehemaligen Kollegen gegenüber des Stralsunder Bahnhofs.

Bürgermeister Petersen führt weiter aus, dass eine solche Anlage „an einen Industriestandort und nicht in ein Tourismusgebiet“ gehöre. In einem Tourismusgebiet soll die Anlage auch nicht errichtet werden. Das ursprüngliche Areal befindet sich auf einer Brachfläche am Schloonsee bei Bansin, auf dem sich noch diebereits zu DDR-Zeiten als Produktionsbohrungen angedachten Bohrlöcher „Heringsdorf 5“ sowie „Heringsdorf 6“ befinden (siehe Foto). Doch dieses relativ nah am vom Tourismus geprägten Bansin liegende Areal soll nach aktuellen Planungen verworfen und stattdessen ein im Hinterland in der Gemeinde Korswandt befindliches Gelände verlegt werden. Es darf an dieser Stelle gefragt werden, warum Bürgermeister Petersen diesen Sachverhalt ignoriert?!

Milchmädchenrechnung bezüglich Erdgasbedarfs Marke Usedom?

Modell der geplanten Produktions- und Aufbereitungsanlage. Bildquelle: ENGIE-Flyer

Laut der Argumentation einiger Gegner der Erdgasförderung auf Usedom wird das dortihge Erdgas überhaupt nicht benötigt. Denn schließlich wird die aus Russland kommende Erdgaspipeline „Nordstream 2“ gebaut, so Karl-Heinz Stachowiak, Mitglied des Ausschusses der Gemeinde Heringsdorf.

Unterstützung findet Stachowiak in Wolfram Wirth, Vorsitzender des zeitweiligen Gemeindeausschusses. Dieser stellt eine etwas seltsame Rechnung auf:

So nennt er einen Erdgasverbrauch in Deutschland von 80 Mrd. Kubikmetern bei einer Eigenförderung von 8 Mrd. Kubikmetern und stellt schon Nord Stream 2 neben Nord Stream 1 mit insgesamt 110 Mrd. Kubikmetern.

Dabei vergisst er mehrere wesentliche Dinge, nämlich dass die 110 Mrd. nur kommen, wenn Nord Stream 2 realisiert wird, wogegen Herrn Wirths Unterstützer, die Grünen, verschiedene Umweltverbände und andere ebenfalls mit allen Mitteln kämpfen, dass sie für ganz Europa nach Lubmin gepumpt werden, wozu Erdgasleitungen wie die EUGAL gebaut werden und dass andere Länder wie beispielsweise Norwegen und die Niederlande, aus denen Deutschland einen noch erheblichen Teil seines Erdgasbedarfs deckt, ihre Förderung teilweise drastisch reduzieren. Somit ist jeder Kubikmeter eigenen Erdgases von Bedeutung für Deutschland.

Und um diesen Artikel rundum abzuschließen: Bereits seit 1965 wir auf Usedom Erdöl gefördert. Mit der Lagerstätte „Lütow“ handelt es sich hierbei um die bedeutendste auf dem Gebiet der einstigen DDR. Der Tourismus auf der Insel Usedom hat dadurch keinen Abbruch erlitten. Dabei sind die in der Landschaft auf dem Gnitz verteilten Fördereinrichtungen (aktuell noch 6 von einstmals 21) signifikanter als die geplante auf einem Platz konzentrierte Anlage.

 

Artikelfoto: Erdölförderbohrung im Feld Lütow. Foto: Steven Arndt, März 2018.