Falschdarstellungen von Erdöl-Erdgasgewinnungsgegnern. Unwissen oder gezielte Desinformation?

Befasst man sich mit Artikeln, Zitaten oder sonstigen Darstellungen der Gegner (inländischer) fossiler Kohlenwasserstoffgewinnung, fällt einem auf, dass Begriffe ins Unkenntliche verdreht werden, falsche Begrifflichkeiten verwendet werden oder im Extremfall Behauptungen ins Spiel gebracht werden, die jeglicher Grundlage entbehren. Es ist dabei nicht eindeutig feststellbar, ob die Falschdarstellungen ursächlich eine Folge des Miss-/Nichtverstehens einzelner Begriffe oder aber komplexerer Vorgänge sind oder ob gezielt Desinformation gestreut werden soll.

Vibroseismische Untersuchungen (Beispielbild) ©chef79
Ein Beispiel eines bis zur Unkenntlichkeit verdrehten Begriffes ist das Wort „Fracking“. Hierbei handelt es sich bereits um eine Verstümmelung der fachlich korrekten Bezeichnung „Hydraulic Fracturing“ der abkürzungsfreudigen US-Amerikaner. Hydraulic Fracturing ist dabei selbstdefinierend. Mit Hilfe einer Flüssigkeit wird Druck übertragen (Hydraulik), um in Festgestein Risse (engl. fractures) zu erzeugen. „Fracking“-Gegner wollen jedoch unter dem Begriff den Gesamtprozess der Erdöl-und Erdgasgewinnung von der Vorerkundung über die Bohrung, den eigentlichen kurzzeitigen Fracprozess sowie die Förderung der Kohlenwasserstoffe verstehen, sofern Hydraulic Fracturing zum Einsatz kommt.
Wenig zur Aufklärung/Erklärung, was tatsächlich unter der Standardmethode „Hydraulic Fracturing“zu verstehen ist, tragen bedeutende Medien bei. Exemplarisch soll dazu ein Beitrag von Focus-Online dienen. Dieser ist mit „Kurz erklärt – Was ist Fracking?„ überschrieben. Leider wird das Verfahren nur unzureichend dargestellt und teilweise strotzt der Artikel vor gravierenden Fehlern. So ist z.B. statt „Hydraulic Fracturing“ „Hydraulic Fractioning“ zu lesen.
Ist dieser Fehler nicht schon peinlich genug, wird durch die Bildunterschrift „Eine Ölförderanlage, die nach dem Prinzip des Fracking arbeitet, in Pennsylvania/USA“ dieser Fauxpas sogar noch übertroffen. Auf dem Foto zum Artikel ist jedoch keine Ölförderanlage abgebildet, sondern eine Bohranlage. Mit einer Bohranlage werden, wie die Bezeichnung schon vermuten lässt, Bohrungen niedergebracht. Nach dem „Prinzip des Fracking“ arbeitet eine Bohranlage nicht, da der Fracprozess erst nach Abschluss der Bohrarbeiten und vor Aufnahme der Förderung durchgeführt wird. In manchen Fällen wird eine Fracmaßnahme in einem bestehenden Bohrloch nach mehreren Jahren wiederholt, um die Förderrate zu restaurieren.
Gravierender als die Falschdarstellung des Hydraulic Fracturings sowohl durch opponierende Bürgerinitiativen als auch durch (teilweise sekundierende) Medien ist die grundsätzliche Behauptung, dass durch Bohr- und Förderaktivitäten sowie die Versenkung von mitgefördertem Lagerstättenwasser das Grund- oder sogar Trinkwasser (gerne fälschlicherweise gleichgesetzt) verschmutzt, oder, in BI- und Mediensprech, verseucht (klingt dramatischer) werden könnte.

Wiedererschließungsbohrung Börger 7a der Edöllagerstätte Börger/Werlte ©chef79
Fakt ist, dass gegenwärtig ca. 1.500 Erdöl- und Erdgasbohrungen in Deutschland betrieben werden. Im Jahr 1992 waren es sogar noch knapp 2.800 (Quelle: Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 1992, Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung). Nirgendwo ist es im Umfeld dieser Bohrungen zu einer Kontaminierung von Grundwasser durch den Bohr- und Förderbetrieb sowie durch eventuelle Fracarbeiten gekommen. Dieses Faktum wird von den BI in Abrede gestellt, die damit argumentieren, dass es keine entsprechenden Messungen gab. Dabei vergessen die Protagonisten, dass sie in der Nachweispflicht für ihre nicht belastbaren Anschuldigungen stehen.
Im Zusammenhang mit der angeblichen Gefahr der Grundwasserkontaminierung durch Erdöl- und Edgasbohrungen wird gerne das vermeintliche Argument angeführt, dass Tiefbohrungen nach wenigen Jahren in erheblichem Umfang ihre Integrität, also ihre Undurchlässigkeit verlören. Zuletzt behauptete das im „Weser-Kurier“ der in der Völkerser BI „No Fracking“ engagierte Ingenieur Carsten Hauschild:
„In diesem Gebiet zu bohren, ist wie russisches Roulette“, sagt Hauschild. Gestänge, das mit der Bohrung in den Boden gebracht werde, sei Studien zufolge zu 50 Prozent undicht, es bestehe das Risiko, den Boden unter anderem auch dadurch zu verunreinigen.
Wenn angeblich bis zun 50 Prozent aller Tiefbohrungen eine mangelhafte Dichtigkeit aufwiesen, dann müssten aufgund der vorgenannten Zahlen großflächige Gebiete Niedersachsens Grundwasserkontaminationen durch Erdöl und/oder Erdgas sowie Begleitstoffe aufweisen. Dem ist mitnichten so! Und es gibt auch keine Studien, aus denen hervorgeht, dass bis zu 50 Prozent der Tiefbohrungen undicht seien.

Fracarbeiten
Bildquelle CEP
Vielmehr verhält es sich so, dass laut einer Studie des Ölfeld-Serviceunternehmens Schlumberger eben dieser Prozentsatz an Bohrungen einen sogenannten „Sustained Casing Pressure“ (SCP) aufweist, also einen Druckanstieg innerhalb der Verrohrung (Casing) von Tiefbohrungen. Das ist aus einem Diagramm und dessen Erläuterung, das u.a. vom „Fracking“-Gegner Jürgen Stemke (Piratenpartei) verwendet wird (LINK), zu erschließen. Stemke wurde übrigens von einem Mitleser des Blogs (mit ausgewiesener Expertise) schon vor Monaten auf seine Fehlinterpretation hingewiesen. Die DEA reagierte entsprechend auf die hanebüchenen, da unlogischen Behauptungen Hauschilds (Meldung 04.08.2015):
Die Aussage, dass Bohrungen zu einem großen Teil undicht sind, entspricht nicht der Wahrheit. Die so genannte Bohrlochintegrität ist durch mehrere ineinander zementierte Stahlrohre sichergestellt. Durch DEA-Bohrungen ist es noch nie zu negativen Einflüssen auf Süßwasser führende Schichten gekommen.
Doch nicht nur bezüglich des Bohr- und Förderbetriebes werden von Seiten der Erdöl- und Erdgasgewinnungsgegner abenteuerliche Behauptungen mit Hilfe von Umweltschutzgruppierungen sowie mit Unterstützung unbedarfter lokaler bis überregionaler Medienanstalten unters Volk gebracht. Bereits technische Vorerkundungen, wie z.B. seismische Untersuchungen, die ein Abbild geologischer Strukturen generieren, werden mit abstrusen Behauptungen diskreditiert.
Es wird von Bürgerinitiativen unterstellt, dass durch die Anwendung des sogenannten Vibroseismik-Verfahrens Drainagerohre von Landwirten zerstört würden. Das lässt sich z.B. aus einem Beitrag der BI „Kein Fracking in der Heide“ erschließen:
Besonders die anwesenden Landwirte interessierten sich für Möglichkeiten, ihre Drainage-Rohre und Bewässerungssysteme vor Erschütterungsschäden zu bewahren.
Dabei ist Niedersachsen mit seinem erheblichen Potenzial an Erdöl- und Erdgaslagerstätten in den letzten Jahrzehnten bereits durch Vibroseismik-Fahrzeuge intensiv befahren worden. Neben diesen Gebieten wurden weitere Landstriche in verschiedenen Bundesländern vibroseismischer Untersuchungen unterzogen. Meldungen, dass es infolgedessen zu Zerstörungen von Drainagesystemen kam, sind nicht bekannt. Im Sinne der Schlagzeile unseres Artikels kann ohne Zurückhaltung von gezielter Desinformation gesprochen werden. Im Übrigen wurden seismische Erkundungen fälschlicherweise als seismologische auf selbsgenerierten Verbotsschildern bezeichnet (siehe Bild links). Was soll man bei derartiger Unwissenheit noch Worte verlieren? Es ist einfach nur peinlich!
Da aber ohne seismische Vorerkundungen kaum eine sichere Interpretation kohlenwasserstofführender Strukturen möglich ist und sich dessen die opponierenden BI bewusst sind, versuchen sie mit Pseudoargumenten, wie der angeblichen Zerstörung von Drainagesystemen, bereits Vorerkundungen zu unterbinden.
Richtig übel wird einem, wenn man sich die Agitation schleswig-holsteinischer BI näher betrachtet. Protagonist der Propaganda in diesem traditionellen Erdölförderland ist Dr. Reinhard Knof, ein promovierter Chemiker. Wortgewaltig phanstasiert dieser Herr, der im Nebenfach einst auch Geologie gehört haben will, von geowissenschaftlichen Unmöglichkeiten wie dem Durchbruch salinaren Tiefenwassers durch gas-und fluidundurchlässige Gesteinsschichten.
Doch das ist noch harmlos gegenüber dem, was Knof dem „Flensburger Tageblatt“ erzählt hat. der Artikel mit der Überschrift „Gefahr für das Grundwasser“ ist bei „Stopp Fracking“ zu lesen. Demnach behauptete Knof, dass es beim „Fracking“ um den Einsatz hochgiftiger Chemikalien ginge.

Erdölförderung ©chef79
Sicherlich werden im Fracfluid auch Chemikalien verwendet. daran ist nichts verwerflich, denn schließlich stecken in jedem Waschmittel Chemikalien drin. Strenggenommen ist selbst Wasser eine Chemikalie. Als „hochgiftig“ eingestufte Chemikalien finden im Fracfluid jedoh keine Anwendung. Diese seit nunmehr fast fünf Jahren wiederholte Falschbehauptung nähert sich durch Wiederkäuen nicht der Realität.
Ferner behauptet Knof, dass durch „Fracking“ das Krebsrisiko steige. Es ist für einen der Logik verpflichteten naturwissenschaftlich ausgebildeten Menschen wie dem Verfasser unbegreiflich, wie ein kilometertief unter der Erde stattfindender Prozess das Krebsrisiko erhöhen soll. Selbst wenn Knof unter „Fracking“ den Gesamtprozess der Erdgasgewinnung verstehen will (s.o.), ist seine Behauptung nicht haltbar. Beweise für seine steile These gibt es nicht und Knof führt „sicherheitshalber“ auch keine an.
Die Überschrift stellt die Frage, ob es sich bei den von den Bürgerinitiativen, die gegen die Erdöl- und Erdgasgewinnung ins Feld ziehen, gestreuten Behauptungen um Missverständnisse/Unwissenheit oder um gezielte Desinformation handelt. Betrachtet man die hier abschließend diskutierte Behauptung Knofs genauer, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass Letzteres zutrifft. Knof behauptet nämlich, dass aufgrund des hohen Drucks, der beim Hydraulic Fracturing angewendet wird, es bereits „oftmals“ zu Durchbrüchen von Fracfluid durch Gesteinsschichten kam, in dessen Folge die Oberfläche verseucht wurde. Leider wird verschwiegen, wo es zu diesen häufigen Durchbüchen kam. Trotz intensiver Recherche konnte der Verfasser keinen Beleg für die Behauptung Knofs finden. Im Gegensatz zu anderen Beispielen, bei denen von Missverständnis oder Unwissenheit auszugehen ist, handelt es sich hierbei offenbar um eine (gezielte) Falschbehauptung.