Spekulationen um „Fracking“ bei Braunschweig
Vor einigen Jahren wurde bereits in der Region um Braunschweig über die Anwendung der Standardmethode Hydraulic Fracturing (umgangssprachlich „Fracking“) im Zusammenhang mit der Erschließung und Gewinnung potenzieller, also nicht nachgewiesener (!) Schiefergasvorkommen spekuliert. Nachdem sich das damalige Unternehmen BNK Petroleum nach Auswertung vorhandener Altdaten wegen Aussichtslosigkeit zurückzog, ebbten die Spekulationen selbsternannter „Fracking“-Experten ab. Doch nun keimen sie, mit freundlicher Unterstützung der Lokalpostille „Braunschweiger Zeitung“, wieder auf.
So titelt das Blatt aus der Löwenstadt „Fracking im Westen der Stadt?“ und schreibt ergänzend: „Die Ratsfraktionen lehnen das ab. Die Anti-Fracking-Bürgerinitiative ruft zum Protest auf.“
Doch was geht tatsächlich vor im Westen von Braunschweig? Das lässt sich aus dem kurzen und inhaltlich dünnen Artikel bereits im ersten Absatz erschließen. Ein Unternehmen, dass aufgrund eines Betriebsgeheimnisses nicht benannt wird, hat beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) einen Antrag zur Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis auf Kohlenwasserstoffe (Erdöl und Erdgas) nach § 7 BBergG gestellt:
Beim Landesbergamt in Hannover liegt ein Antrag vor, damit im Westen Braunschweigs – in Timmerlah, Lamme, Watenbüttel, Völkenrode, Kanzlerfeld – nach Gas und Öl gesucht werden kann.
Hierbei handelt es sich um ein bergrechtliches Verfahren, wie es in Deutschland sehr häufig und bis zum Aufkeimen von in Bürgerinitiativen agierender selbsternannter Bergrechtsexperten ohne Aufsehen und Interesse durchgeführt wurde. Eine Aufsuchungserlaubnis ist Grundvoraussetzung dafür, dass der Antragsteller überhaupt Aufsuchungsaktivitäten durchführen kann. Das LBEG definiert den Begriff „Aufsuchung“ im Artikel „Erlaubnis“ wie folgt: „Aufsuchung = Suche nach oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen“. Ferner erläuter das LBEG, dass die Erlaubnis dem Erlaubnisinhaber das ausschließliche Recht gewährt, innerhalb des Erlaubnisgebietes nach den im Antrag benannten Bodenschätzen zu suchen. Das bedeutet, dass etwaige Mitbewerber innerhalb des Gebietes keine Möglichkeit haben, Aufsuchungsarbeiten durchzuführen.
Auf einen wichtigen Punkt weißt das LBEG deutlich hin: „Die Erteilung einer Erlaubnis berechtigt den Inhaber nicht zu tatsächlichen Aufsuchungshandlungen sondern stellt lediglich einen Rechtstitel dar, mit dem ihm lediglich aufgrund der nachzuweisenden Eignung das grundsätzliche und ausschließliche Recht zugewiesen wird, die Aufsuchung in dem ihm zugesprochenen Erlaubnisfeld vorzunehmen. Tatsächliche Aufsuchungshandlungen dürfen nur aufgrund zugelassener Betriebspläne (§ 51 ff BBergG) erfolgen.“ Dieser Punkt ist Journalisten/Redakteuren unbekannt.
Denn anders lässt es sich nicht erklären, dass durch Autoren wie Jörn Stachura von der Braunschweiger Zeitung mit der Antragsstellung bereits über spezifische förderoptimierende Methoden wie Hydraulic Fracturing spekuliert wird. Es geht sogar soweit, dass das beantragte Erlaubnisgebiet zum „Fracking-Gebiet“ deklariert wird.
Es soll an dieser Stelle dem unbedarften, willkommenen Leser verdeutlicht werden, dass über förderoptimierende Methoden erst dann nachgedacht werden kann, wenn a) Indizien vorhanden sind, dass eine potenziell wirtschaftlich gewinnbare Lagerstätte aufgeschlossen worden ist und b) die Lagerstättenparameter Anlass dazu geben, Methoden anzuwenden, um einen Gas- oder Ölzufluss in ausreichendem Umfang zu ermöglichen. Autoren, die bereits im Rahmen des Antragsverfahrens zur Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis über förderoptimierende Methoden spekulieren ist mindestens vorzuwerfen, dass sie sich mit dem, worüber sie schreiben, unzureichend befasst haben. Da es sich bei Hydraulic Fracturing um ein aus wissenschaftlich-technischer Sicht zu Unrecht an den Pranger gestelltes Verfahren handelt, ist zusätzlich zu kritisieren, dass es als Aufmacher für den Artikel dient.
Aber nicht nur Redakteure wie Jörn Stachura haben sich über die Jahre der „Fracking“-Diskussion in Deutschland unzureichend mit der Thematik „Aufsuchungserlaubnis“ befasst, sondern auch Politiker. Davon zeugen die Statements von Ratsmitgliedern der Stadt Braunschweig, die den überwiegenden Anteil des Artikels einnehmen:
- Reinhard Manlik (CDU) wird mit Äußerungen ausschließlich zu „Fracking“ und seinen angeblich unbekannten, unabschätzbaren Auswirkungen auf das Grundwasser sowie Natur und Mensch zitiert und will jeden Antrag diesbezüglich ablehnen. Nur ein solcher Antrag steht, wie erläutert, überhaupt nicht zur Debatte.
- Nicole Palm (SPD) will den Antrag zur Erteilung der Aufsuchungserlaubnis ablehnen und begründet das mit gegenwärtig stattfindenden Schadstoffuntersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen in ganz Niedersachsen (wir berichteten HIER darüber). Entgegen ihrer Darstellung handelt es sich nicht ausschließlich um Förderbohrungen, die Fracarbeiten unterzogen worden sind. Hintergrund dieser Untersuchungen sind auch nicht erhöhte Blutkrebsraten bei Rotenburg (Wümme), sondern erhöhte Quecksilberwerte an einzelnen Förder- und Betriebsplätzen.
Die weiteren zitierten Ratsmitglieder reden allesamt etwas von „Fracking“ und angeblichen damit verbundenen Umweltrisiken, ohne diese konkret zu benennen bzw. benennen zu können.
Den Vogel der zitierten Personen schießt aber Volker Fritz von der Bürgerinitiative „Kein Fracking im Braunschweiger Land“ ab. Dieser behauptet mit unverfrorener Dreistigkeit, dass die in Rotenburg sowie in der Gemeinde Bothel dokumentierten erhöhten Blutkrebsraten bei Männern Folge der dortigen Erdgasgewinnung seien.
Stattdessen hat das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsens, dass die Untersuchungen durchgeführt hat, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Ursache der signifikant erhöhten Raten unbekannt ist und darum gebeten, Spekulationen zu unterlassen. Nun sind aber Volker Fritz sowie in eingeschränktem Maße Ratsherrin Palm, nicht die ersten Vertreter aus den Reihen von Bürgerinitiativen und Politikern, die die Krebskranken instrumentalisieren, um gegen Erdgasförderung und speziell Hydraulic Fracturing zu argumentieren. Das haben wir in unserem Beitrag „Instrumentalisierung von Krebskranken durch Erdgasförderungsgegner und Politiker“ dargelegt.
Betrachten wir abschließend, inwiefern die Spekulationen um „Fracking“ realistisch sind.
Wie bereits in der Einleitung dargelegt, gab es bereits ein Unternehmen, das sich für die potenziellen Schiefergasvorkommen, die sich nur unter Anwendung von Hydraulic Fracturing gewinnen ließen, im Unterkarbon interessierte. Es handelte sich dabei um das kanadische Unternehmen BNK Petroleum, das nach Analysen von Altdaten von dem Vorhaben der Schiefergaserkundung um Braunschweig Abstand nahm. Aufgrund der offenbar ernüchternden Ergebnisse ist nicht davon auszugehen, dass ein weiteres Unternehmen bestrebt ist, das anscheinend nicht lukrative Schiefergaspotenzial erneut zu erkunden. Hinzu kommt, dass aufgrund des seit 2011 anhaltenden politischen Eiertanzes rund um die Erkundung potenzieller Schiefergasressourcen kaum damit zu rechnen ist, dass irgendein Unternehmen entsprechende Explorationsaktivitäten anstrebt.
Vielmehr ist damit zu rechnen, dass das nicht benannte Unternehmen, dass spätestens mit Erteilung der Aufsuchungserlaubnis die Maske fallen lassen wird, die Erkundung potenzieller Erdöl- sowie untergeordnet, Erdölgaslagerstätten anstrebt.
Denn innerhalb sowie im Umfeld des beschriebenen Aufsuchungsgebietes befinden sich mehrere Erdöllagerstätten bzw. -vorkommen, die teilweise noch in Produktion stehen. Dazu zählt z.B. das Erdölfeld „Rühme“, dass sich bis in das Stadtgebiet von Braunschweig erstreckt. Fracarbeiten sind nach Kenntnis des Verfassers in keiner dieser Lagerstätten durchgeführt worden. lediglich ein Politiker der Grünen spekulierte darüber im Zusammenhang mit einer angedachten Wiedererschließung der Lagerstätte Oberg durch das kanadische Unternehmen PRD Energy, das sich mittlerweile u.a. aufgrund der unberechenbaren deutschen Energiepolitik zum Rückzug aus Deutschland entschieden hat. Die Spekulationen nahmen wir im frühe(re)n Artikel „„Fracking“ in Oberg-Mythos und Realität“ bereits auf die Schippe.
Artikelfoto: Erdölförderbohrung „Rühme 70“ nördlich von Braunschweig, aus ©chef79 Fotosammlung