Zu Besuch im polnischen Erdölmuseum Bóbrka
Auch in unserem Nachbarland Polen werden Erdöl und Erdgas gefördert. Dass sich in Polen auch eine Wiege der europäischen Erdölförderung befindet, war dem Verfasser lange Zeit nicht bekannt, bis er vor einigen Jahren zufällig auf entsprechende Informationen stieß. Dabei traf er auch auf Informationen zum Erdölmuseum Bóbrka in den polnischen Vorkarpaten. Die damals vorgefundenen Fotos baten wenig Anlass, den weiten Weg dorthin auf sich zu nehmen. Doch das änderte sich vor wenigen Jahren. Denn das Museum wurde einer „Generalüberholung“ unterzogen. Zudem befindet sich im Umfeld ein altes, noch aktives Erdölfeld mit Anlagen, die einen in eine Zeit vor über 100 Jahren zurückversetzen.
Erdölvorkommen seit dem Mittelalter bekannt
Dass es in den polnischen Vorkarpaten Erdölvorkommen gibt, ist bereits seit dem Mittelalter bekannt. Ähnlich wie z.B. im deutschen Wietze trat das Öl an der Erdoberfläche aus. Es wurde von den dortigen Bauern abgeschöpft und für medizinischen Behandlung des Viehs sowie als Schmiermittel von Achsen und Rädern verwendet.
Ab 1854 begann die industrielle Gewinnung des Erdöls in der Region. Aus einer 120 Meter tiefen Sickergrube (im Wikipedia-Artikel steht fälschlicherweise 120 Meterlanger Sickergraben) wurde sich ansammelndes Erdöl abgeschöpft. Wenige Jahre später, 1858, begannen erste Bohrarbeiten. Die Bohrung „Małgorzata“ lieferte ca. 4.000 Liter pro Tag (unter Annahme einer Dichte von 0,85 g/cm³ entspricht das immerhin 3,4 Tonnen pro Tag). Am Unternehmen beteiligt war Ignacy Łukasiewicz. Er erfand die Petroleumlampe, ließ sich seine Erfindung jedoch nie patentieren. Von da an nahm die Geschichte der Erdölförderung in Polen seinen Lauf, die bis heute, sogar auf dem Museumsgelände selbst, in der Region anhält und weit darüber hinaus.
Das Hauptgebäude des Erdölmuseums Bóbrka
Unmittelbar hinter dem Eingang zum Museum befindet sich das Hauptgebäude. Diese besteht aus mehreren Gebäudeteilen, die jeweils wie ein Öllagertank gestaltet sind. Im Wesentlichen kann man sich dort über die Historie des Erdölfeldes bei Bóbrka informieren. Neben zahlreichen historischen Fotografien gibt es technische Ausstellungsstücke zu sehen. Weiterhin wird die Geschichte der vorkarpatischen Erdölgewinnung anhand von Schautafeln mit ausführlichen Texten dargestellt. Leider sind die Texte ausschließlich in polnischer Sprache gehalten
Aufgrund dessen war ich recht zügig mit dem Gebäudeteil durch. Die technischen Artefakte sind zwar gut sortiert ausgestellt, sind jedoch keine Besonderheit, wenn man bereits andere Museen mit identischer Ausrichtung kennt. Beeindruckend ist allerdings das ausgestellte Eruptionskreuz einer Erdgasbohrung in Originalgröße. Es handelt sich dabei nicht um einen Monoblock, sondern um eines, das aus mehreren Schiebern zusammengeflanscht ist (siehe Foto).
Spannendes Außengelände mit einigen Überraschungen
Weitaus interessanter als der Gebäudekomplex war das weitläufige Außengelände des Museums. Nur nochmal zur Klarstellung: Die Innenausstellung ist prinzipiell gelungen, nur eben für ausländische Besucher, die der polnischen Sprache nicht mächtig sind, leider nur schwer erschließbar. Erfreulicherweise sind die Tafeln im Außenbereich auch in Englisch gehalten.
Im nördlichen Teil des Außengeländes werden an mehreren, teilweise recht weit auseinanderliegenden Standorten, historische Fördereinrichtungen dargeboten. Es handelt sich vornehmlich um nachgebaute hölzerne Böcke zur Gewinnung des sich in handgegrabenen Schächten gesammelten Öls.
Überraschender- wie erfreulicherweise existiert jedoch noch ein Ölbrunnen aus dem 19. Jahrhundert. Er trägt die Bezeichnung „Franek“. Genaugenommen stammt er aus dem Jahr 1860. Zunächst wurde er per Hand auf 50 Meter Tiefe gegraben. Die Schachtgröße betrug dabei 1,2 m x 1,2 m. Der Ausgräber wurde dazu an einem Hanfseil hinabgelassen. Der Schacht selbst wurde mit Holzbohlen ausgekleidet. Später wurde der Schacht mittels Handbohrtechnik auf 150 m vertieft. Bis heute sickert Öl in den Brunnen ein. Nicht nur Warnschilder belegen das. Der Verfasser selbst konnte einen Blick in den Schacht werfen und dabei beobachten, wie sich Blasen von Erdölbegleitgas bilden. Hinzu kam der aromatische Geruch höherkettiger Kohlenwasserstoffe.
Aktive Förderbohrungen auf dem Gelände
Noch überraschender als der historische Ölbrunnen war eine Entdeckung im hinteren Bereich des an diesem Tage leicht begrenzt zugänglichen Teil des Außengeländes. Die Begrenztheit lag jedoch nicht an etwaigen Corona-Beschränkungen, sondern war der Tatsache geschuldet, dass dort ein großes Bikertreffen stattfand. Sponsoren waren BP und der halbstaatliche Konzern Orlen. Das Treffen wurde mit Hardrock/Metal musikalisch unterlegt. Das trifft zwar nur bedingt meinen Musikgeschmack, passte aber zum Ambiente.
Zurück zu Überraschung: Im hinteren Bereich gibt es eine Anlage, die noch heute Erdöl fördert. Sie stammt aus dem Jahr 1878 und wurde zunächst bis in eine Tiefe von 132 manuell gegraben. Sie trägt die Bezeichnung „Janina“. Später erfolgte eine Vertiefung im Handbohrverfahren auf 250 m. Die Bohrung ist verrohrt. Die Erdölförderung erfolgt mittels Tiefpumpe am Grund des Bohrlochs. Angetrieben wird sie über einen hölzernen Tiefpumpenantrieb. Zum Zeitpunkt meines Besuchs war die Bohrung nicht in Betrieb.
Neben dieser Bohrung gibt es noch eine weitere aktive Bohrung auf dem Museumsgelände. Sie entstammt dem späten 19. Jahrhundert, ist also auch schon über 120 Jahre alt. Im gegensatz zur „Janina“ ist dort ein Tiefpumpenantrieb polnischer Produktion installiert, der im Jahr 1954 entwickelt wurde. Optisch erinnert er an kleine Wülfel-Antriebe, wie sie noch im Ölfeld Rühme bei Braunschweig existieren. Auch diese Bohrung war während meines Besuchs nicht aktiv.
Anders gestaltete es sich bei einer Bohrung neben des Parkplatzes vom Museum. Als ich es verließ, lief der Antrieb, schaltete kurz danach aber wieder ab. Auch im Bereich des Geländes, auf dem das Bikertreffen stattfand, befindet sich eine noch aktive Bohrung, die ebenfalls mit einem polnischen Antrieb ausgestattet ist. Ob sie lief, kann ich gar nicht mehr sicher sagen.
Zahlreiche Exponate aus der Zeit nach 1945
Neben den historischen, teilweise in Betrieb befindlichen Anlagen, gab es noch zahlreiche weitere interessante Exponate. Sie einzeln vorzustellen, würden den Rahmen sprengen. Äußerst interessant war die Nachbildung eines Förderplatzes, wie er für die Erdölförderung Polens der 1960er Jahre wohl typisch war.
Weiterhin gab es mehrere Bohr- und Workoveranlagen zu bestaunen. Besonderen Eindruck hinterließen bei mir ein österreichischer Trauzl-Bohrturm aus den 1940er Jahren, der vom Typ her auch bei der ersten fündigen Erdölbohrung der DDR im Einsatz war. Ebenso interessant war ein ebenfalls aus österreichische Herstellung stammender Bohrmast, der vom Design her an die rumänischen Anlagen erinnert, die ich aus meiner Kindheit in der Altmark kenne. Wer nun von wem abgekupfert hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich tippe auf Rumänien…
Neben Bohr-, Workover- sowie Förderanlagen gab es auch zahlreiche Ausstellungsstücke, die für die Vorerkundung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten erforderlich sind. Unter anderem ist ein Vibroseismik-Fahrzeug ausgestellt, aber auch ein Fahrzeug sowjetischer Herstellung mit kleinem Bohrmast zum Abteufen von Flachbohrungen für das Platzieren kleiner Sprengladungen. Auch das kenne ich noch aus meiner Kindheit, jedoch waren die Fahrzeuge Folgemodelle des ausgestellten ZIL 157, nämlich ZIL 131. Zudem gibt es noch Fahrzeuge sowie Technik zu sehen, die einerseits die Inbetriebnahme von Bohrungen ermöglichen, andererseits dafür sorgen, dass die Produktion aufrecht erhalten bleibt.
Noch aktive Produktion in Bóbrka
Wie bereits erwähnt, gibt es auf dem Museumsgelände sowie in unmittelbarer Nähe noch Bohrungen, die bis heute Erdöl fördern. Das beschränkt sich jedoch nicht nur auf das unmittelbare Umfeld. Stattdessen zieht sich der produktive Bereich noch weiter nach Osten.
Hier gibt es mehrere mit Masten ausgestattete Bohrungen zu sehen. Es handelt sich bei den Masten um Drei- oder Vierböcke aus Metall. Man fühlt sich hierbei in längst vergangene Zeiten zurückversetzt. Dennoch ist es nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Umso erstaunlicher ist es, dass mehrere Bohrungen über ein Kehrrad angetrieben werden. Das kennt man historisch aus Deutschland, wo es im Erdölmuseum Wietze präsentiert wird.
Allerdings standen alle über die Kehrräder (ich habe zwei ausgemacht, es dürften drei sein) angetriebenen Bohrungen still. Lediglich ein Tiefpumpenantrieb war während meines Besuches für wenige Minuten aktiv. Mir stellte sich die Frage, ob ein solcher Betrieb überhaupt wirtschaftlich ist. Aber das muss er wohl, ansonsten wäre das Feld bereits stillgelegt.
Polen ist und bleibt Förderland für Erdöl und Erdgas
Während meines Urlaubs in Südostpolen habe ich bei einem Ausflug noch per Zufall eine Erdgasbohrung entdeckt. Diese ist wohl älteren Datums. In der näheren Umgebung konnte ich keine weiteren Förderplätze entdecken. Unweit der Bohrung entdeckte ich aus dem Augenwinkel heraus jedoch einen Platz, auf dem Bohrausrüstung herumlag. Neugierig wie ich bin, schaute ich mir das genauer an.
Das Erstaunen war groß. Auf der auf dem Platz abgestellten Spülungspumpe prangte das Logo der ITAG. In gelbgrau gehaltene Behälter deuteten ebenfalls auf eine Anlage aus ehemaligen ITAG-Beständen hin. Tatsächlich stellte sich nach meinem Urlaub heraus, dass die ITAG-Rig 120 (Titelbild unsere Website) nach Polen verkauft wurde. Steht dort eine neue Bohrung an? Keine Ahnung. Nach dem Urlaub sah ich mir Luftbilder an und stellte fest, dass auf einem Höhenzug nahe der einsamen Erdgasbohrung ein Erdgasspeicher geschaffen wurde. Eventuell soll die ITAG-Rig 120 dort Workoverarbeiten leisten oder gar neue Speicherbohrungen abteufen. Wer weiß…
Neben der Vorkarpatenregion wird in Polen noch an mehreren anderen Standorten Erdöl und Erdgas gefördert. Im westlichen Polen sind es vorwiegend Lagerstätten im Zechstein. Einige davon habe ich in den vergangenen Jahren besucht. Erdöl wird dort anders als allgemein verbreitet nicht mittels Pumpen gefördert. Offenbar strömt es dank Gasentlösungsdrucks eruptiv an die Erdoberfläche. Weiter östlich und südlich sind die Erdgaslagerstätten an das Rotliegend geknüpft
Fazit: Polen ist ein sehr sympathisches Land. Der abgelegene Südosten des Landes ist weitaus besser erschlossen, als ich es vermutet hätte. Straßen, Schienen, Gebäude sind in gutem Zustand. Nur nahe der Grenze zur Ukraine ist der Zustand der Infrastruktur etwas dürftig. Aber was soll man schon von einer Gegend erwarten, in der es mehr Braubären als Menschen gibt. Spaß beiseite1 Es war eine beeindruckende Reise mit Schmankerl Erdölmuseum Bóbrka.