Bald Bohrtürme in der östlichen Altmark?
In der westlichen Altmark im Norden von Sachsen-Anhalt befindet sich die größte Erdgaslagerstätte Deutschlands. Im August diesen Jahres wurde das 50. Förderjubiläum begangen. Trotz intensiver Erkundungstätigkeiten konnte zu DDR-Zeiten in der östlichen Altmark keine Erdgaslagerstätte nachgewiesen werden. Noch mehr gilt dies für Erdöllagerstätten. Von geologisch recht eng begrenzten Gebieten in Mecklenburg-Vorpommern, Ost- und Südostbrandenburg sowie dem Thüringer Becken gilt Ostdeutschland als nicht erdölhöffig. Doch glaubt man einer Schlagzeile der „Salzwedeler Volksstimme“ stehen in der Ostaltmark bald Bohrungen auf Erdöl und Erdgas bevor. Warum dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht der Fall sein wird, erläutert der folgende Beitrag.
Irreführende Artikelüberschrift
Als in der Westaltmark Geborener und Aufgewachsener schaut der Verfasser regelmäßig auf den Onlineportalen der beiden Regionalpostillen „Salzwedeler Volksstimme“ und „Altmarkzeitung“ nach, ob es nennenswerte Neuigkeiten aus der alten Heimat gibt. Ein gewisser Fokus liegt dabei natürlich auch auf Nachrichten zur noch laufenden Erdgasförderung.
Ein mit „Landesbergamt erlaubt Bohrungen“ überschriebener Artikel von 26.11.2019 weckte gleichsam Neugier sowie Skepsis. Skepsis vor allem deshalb, weil im Reiter des Browsers der Luftkurort Arendsee angegeben war. Arendsee befindet sich außerhalb der bekannten westaltmärkischen Erdgaslagerstätten. Erkundungsbohrungen rund um den Ort in den 1980er Jahren, zuletzt die Bohrung „E Genzien 1/89“ 1989, waren nicht fündig.
Zudem weist der Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2018 für das Gebiet keine Aufsuchungserlaubnis aus. Auch eine Förderbewilligung nach Bundesberggesetz oder gar ein noch aus DDR-Zeiten stammendes Bergwerksfeld sind dem Verfasser weder bekannt noch ergab eine Recherche ein entsprechendes Ergebnis.
Doch die Einleitung zum Artikel sowie der Artikel selbst brachten ein wenig Klarheit in die Angelegenheit. Denn es ist die Rede von einer genehmigten Aufsuchung nach Erdöl und Erdgas. Das Interessante daran ist, dass sich der Artikel nicht etwa auf eine Bekanntmachung des Landesamtes für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (LAGB) beruft, sondern eine Pressemitteilung der Bürgerinitiative (BI) „Saubere Umwelt & Energie Altmark“.
Diese habe angeblich zufällig von der Erteilung der Aufsuchungserlaubnis erfahren. Tatsächlich wird es sich wohl eher so zugetragen haben, dass die BI die Seite mit öffentlichen Bekanntmachungen des LAGB regelmäßig durchstöbert und dabei auf diese Mitteilung gestoßen ist.
Eigene Recherchen, wie z.B. eine Nachfrage beim LAGB hat die Autorin der „Salzwedeler Volksstimme“ offensichtlich nicht angestellt. Denn ansonsten stünden sowohl die Bezeichnung der Aufsuchungserlaubnis sowie das Unternehmen, dem die Erlaubnis erteilt wurde, im Artikel. Das ist aber kein Problem, das erledigen wir gerne!
Landesbergbehörde vergibt Aufsuchungserlaubnis „Thielbeer“
Aus Sicht des Verfassers kamen nur zwei Unternehmen in Frage, an die die Aufsuchungserlaubnis erteilt worden ist. Naheliegend wäre Neptune Energy als Betreiber des Erdgaslagerstättenkomplexes „Altmark“ gewesen. Schließlich ist dem Unternehmen bereits vor einigen Jahren die Aufsuchungserlaubnis „Kunrau“ rund um das isolierte südlichste Teilglied des Komplexes mit der Bezeichnung „Wenze“ erteilt worden. Die Erlaubnis ist inzwischen abgelaufen, ohne das eine einzige technische Maßnahme erfolgte.
Dabei war sich die „Salzwedeler Volksstimme“ doch so sicher, dass sich dort ein „riesiges Gasfeld“ befände. In diesem Zusammenhang möchten wir auf unseren Beitrag Das stille Erlöschen der Aufsuchungserlaubnis Kunrau in der Altmark vom 12.07.2017 verweisen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass mit der Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis ausdrücklich nicht die Genehmigung technischer Maßnahmen, seien es nun geophysikalische Erkundungsarbeiten oder gar Bohrungen selbst, einhergeht. Dazu das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) Niedersachsens (Erlaubnis):
Die Erteilung einer Erlaubnis berechtigt den Inhaber nicht zu tatsächlichen Aufsuchungshandlungen sondern stellt lediglich einen Rechtstitel dar, mit dem ihm lediglich aufgrund der nachzuweisenden Eignung das grundsätzliche und ausschließliche Recht zugewiesen wird, die Aufsuchung in dem ihm zugesprochenen Erlaubnisfeld vorzunehmen. Tatsächliche Aufsuchungshandlungen dürfen nur aufgrund zugelassener Betriebspläne (§ 51 ff BBergG) erfolgen. LBEG Niedersachsen.
Als zweites Unternehmen kam dem Verfasser die Geo Exploration Technologies GmbH (GET) in den Sinn.
Diese hatte zum 01.01.2014 die Aufsuchungserlaubnis „Prezelle“ im niedersächsischen Wendland durch das LBEG erteilt bekommen, die zum 31.12.2019 ausläuft. Sie schließt sich unmittelbar an die nun durch das LAGB erteilte Erlaubnis mit der Bezeichnung „Thielbeer“ (kleines Dorf 4 km südlich von Arendsee) in Sachsen-Anhalt an (PDF zum Download). Und tatsächlich ist die Erlaubnis an GET vergeben worden.
Warum mit Bohrungen in der östlichen Altmark nicht zu rechnen ist
In der Erlaubnis „Prezelle“ vermutete GET nach eigenen Angaben vom 04.12.2014 ein bedeutendes Potenzial an Kohlenwasserstoffen und dabei speziell Erdöl. Als erfolgversprechende Explorationsmethode sollte dabei die unternehmenseigene Entwicklung namens „Hydroscan“ dienen. Hierbei handelt es sich um eine helikoptergestützte elektromagnetische Erkundungsmethode, die HIER beschrieben wird.
Ob tatsächlich diese hubschraubergestützte Methode in der Erlaubnis „Prezelle“ durchgeführt wurde, entzieht sich der Kenntnis des Verfassers. Jedenfalls hat sie offensichtlich nicht zum erhofften Erfolg, dem Nachweis einer erdölhöffigen Struktur, geführt. Denn eine Erkundungsbohrung ist bis kurz vor Ablauf der Erlaubnis am 31.12.2019 weder durchgeführt noch beantragt worden.
Es ist sowieso erstaunlich, dass GET im Gebiet der Erlaubnis ein größeres Potenzial an Erdöllagerstätten angenommen hat. Denn schließlich wurde dort in der Vergangenheit bereits recht intensiv exploriert.
Gleiches gilt für das benachbarte Gebiet in der Altmark. Denn wie bereits dargelegt waren Erkundungsbohrungen auf Erdgas nicht erfolgreich. Selbst wenn Erdgas vorhanden wäre, wäre mit einer schlechten Qualität zu rechnen gewesen, die aufwendige Aufbereitungsmaßnahmen nach sich zögen. Denn je weiter östlich sich die bekannten altmärkischen Gasvorkommen befinden, umso niedriger ist der Gehalt brennbaren Methans.
Mit Erdöl ist in der Region überhaupt nicht zu rechnen. Sämtliche Erkundungsbohrungen oberhalb des Oberperms konnten westlich des Hamburg-Gifhorner Doggertrogs zu keinem einzigen Nachweis einer Erdöllagerstätte auf dem Gebiet Deutschlands führen. Zahlreiche Erkundungsbohrungen in den 1950er Jahren im Bereich von Salzstöcken im südwestlichen Mecklenburg-Vorpommern waren allesamt trocken! Insofern ist es schon fraglich, was sich GET erhofft und es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es keine Bohrungen auf Erdöl oder Erdgas in der östlichen Altmark geben wird.
Wieder Riesenwelle um Nichts?
Fraglich ist aber auch, warum sich eine Regionalzeitung einzig und allein auf Aussagen einer BI verlässt, anstatt sich bei der Erarbeitung eines Artikels zumindest ergänzend bei der zuständigen Behörde zu informieren.
Es kann nicht angehen, dass diesbezüglich ein kleiner Blog fachliche Aufklärungsarbeit leisten muss, dessen Reichweite aufgrund seiner speziellen Ausrichtung recht eingeschränkt ist.
Letzten Endes wird es sich so verhalten, dass dank der unkritischen Übernahme einer voreingenommenen BI inklusive Bewerbung ihrer „Informationsveranstaltung“ am 03.12.2019 in Arendsee eine Riesenwelle der Verunsicherung der lokalen Bevölkerung erzeugt wird. Das war bereits im Zusammenhang mit der Erteilung der Aufsuchungserlaubnis „Kunrau“ in der Südwestaltmark der Fall und auch im Zusammenhang mit der Erlaubnis „Prezelle“ kam es zu einer nicht nachvollziehbaren Gründung einer „Dagegen“ – BI.
Letztlich verliefen die Riesenwellen im Nichts und es wäre begrüßenswert gewesen, wenn sowohl BI als auch Medien ihre Schlüsse daraus gezogen hätten, im Irrtum gewesen zu sein. Doch zumindest von den BI ist es wahrscheinlich zu viel verlangt anzuerkennen, dass das Auslaufen von Aufsuchungserlaubnissen ein ganz normaler Prozess ist, der nicht ihres Zutuns bedarf. Denn schon vor dem Widerstand gegen die inländische Gewinnung von Erdöl und Erdgas war das Erlöschen von Erlaubnissen gang und gäbe.
Artikelfoto: MBWS-Anlage T-49 beim Workover einer Erdgasbohrung in der Altmark. Foto: Steven Arndt, Januar 2018.