Bürgerinitiative fordert Betriebserlaubnisentzug für Erdgaslagerstätte Altmark

Im Nordwesten Sachsen-Anhalts wird seit 1969 aus dem Lagerstättenkomplex Altmark, bestehend aus acht Teillagerstätten, Erdgas gefördert. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten übernahm Gaz de France 1994 das Kombinat Erdöl-Erdgas-Gommern von der Treuhand. Zu diesem gehörte auch der nachgeordnete VEB Erdgasförderung Salzwedel. Heute fungiert das aus Gaz de France-SUEZ E&P Deutschland GmbH (GDF-SUEZ) hervorgegangene Unternehmen ENGIE E&P Deutschland GmbH (ENGIE) mit Sitz in Lingen/Ems als Betreiber. Eine Bürgerinitiative fordert nun den Entzug der Betriebserlaubnis für die Erdgaslagerstätte Altmark.

Opposition gegen Förderung aus Erdgaslagerstätte Altmark – Wer und was steckt dahinter?

Erdgasförderbohrung Peckensen 18 in der Altmark, Steven Arndt

Erdgasförderbohrung Peckensen 18 in der Altmark, ©Steven Arndt

Hinter dem Protest gegen die Erdgasförderung in der Altmark steckt die Bürgerinitiative (BI) Saubere Umwelt und Energie Altmark. Diese ist hervorgegangen aus der BI Kein CO2-Endlager Altmark. Einer der führenden Köpfe dieser BI ist Dr. Christfried Lenz, der zudem noch der Genossenschaft Bürger-Energie-Altmark eG als Vorstandmitglied angehört.

Nachdem das Forschungsvorhaben der CO2-Injektion zur Erhöhung der Erdgasausbeute in die altmärkische Teillagerstätte „Altensalzwedel“ verworfen wurde, verlor die BI Kein CO2-Endlager Altmark ihr Betätigungsfeld (Zur endgültigen Beerdigung des Enhanced Gas Recovery-Forschungsprojektes CLEAN).

Mit der nach wie vor anhaltenden Erdgasförderung war jedoch zügig ein neues gefunden. Zweckdienlich war hierbei die parallel stattfindende „Fracking“-Debatte sowie die Beantragung einer Aufsuchungserlaubnis durch GDF-SUEZ im Umfeld des südlichsten Teilfeldes „Wenze“. Mit Vorträgen spekulativen Inhaltes maßten sich Lenz und Mitstreiter an, unbedarfte Teile der Bevölkerung zu verunsichern. Siehe dazu unsere Beiträge Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung führen zu Fracking-Spekulation durch Bürgerinitiative ff. und Protest gegen Erdgaserkundung in der südlichen Altmark.

Ein weiteres umtriebiges Mitglied der BI Saubere Umwelt und Energie Altmark ist, obwohl nicht in der Altmark zu Hause, der Wasserbauingenieur Bernd Ebeling. Herr Ebeling ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen sowie führender Kopf der BI Uelzen.  Ebeling reist regelmäßig durch die Lande, um dort, wo Kohlenwasserstoffe gefördert wird oder werden sollen, mit Vorträgen teils fragwürdigen oder gar falschen Inhalts Teile der Bevölkerung zu verunsichern und auf die Seite der Gegner zu ziehen.

Einige Journalisten scheinen von Ebelings Umtriebigkeit offenbar angetan zu sein. So berichtete der NDR im März 2014 recht ausführlich über eine Blockadeaktion der Versenkbohrung Dethlingen H1 durch Ebeling und eine handvoll Mitstreiter. Der NDR-Beitrag ist nicht mehr verfügbar, aber in unserem Artikel NDR streut Falschinformationen zum Lagerstättenwasser haben wir uns mit der Aktion befasst. Doch von fachkundiger Seite erntet Ebeling mithin Widerspruch: Neuer Versuch, Erdgasindustrie mit Skandal zu belegen?

Hintergrund zum geforderten Entzug der Betriebserlaubnis

Gassammelpunkt Püggen, Mai 2013. ©Steven Arndt

Gassammelpunkt Püggen, Mai 2013. ©Steven Arndt

Im Wesentlichen begründet wird der Entzug der Betriebserlaubnis für die Erdgaslagerstätte Altmark mit dem Vorwurf gegenüber dem Betreiber ENGIE, Havarien zu vertuschen. Das geht aus einem Artikel der Salzwedeler Volksstimme hervor. Genannt wird jedoch nur ein Fall. An einer Leitung, die Nassgas zwischen zwei Gassammelpunkten transportiert, soll blubbernd etwas aus der Erde getreten sein. Die folgende Darstellung von Zeugenaussagen beschreibt ordnungsgemäßes Verhalten im Falle einer solchen Havarie.

Auch der Vorwurf, ENGIE hätte etwas vertuscht, ist nicht haltbar. Das Unternehmen habe sowohl die zuständige Bergbehörde als auch Grundstückseigentümer sowie Pächter informiert. Dass das Landesamt für Bergbau und Geologie (LABG) nicht den Altmarkkreis informiert hat ENGIE nicht zu vertreten.

Im Gegenzug muss der BI und hierbei speziell Bernd Ebeling vorgeworfen werden, mit Falschaussagen an die Öffentlichkeit getreten zu sein. Es ist zwar anzunehmen, dass aus der defekten Leitung neben Erdgas auch Lagerstättenwasser (LaWa) ausgetreten ist. Es ist jedoch nicht richtig, dass im LaWa „giftige Kohlenwasserstoffe“ enthalten sind. Das Erdgas aus der Altmark enthält keine höheren Kohlenwasserstoffe und somit auch keine giftigen wie beispielsweise Benzol. Zwar trifft das für andere Lagerstätten mitunter zu, jedoch ist Ebelings Darstellung schlichtweg unwahr.

In Anbetracht dessen sind die Vertuschungsvorwürfe in ihrer Gesamtheit mindestens anzuzweifeln, sehr wahrscheinlich sogar unhaltbar. Doch dieses Streuen von Halb- und Unwahrheiten hat nicht nur bei den genannten BI offenbar System. Wahrscheinlich wird darauf spekuliert, dass von den Vorwürfen etwas in der Öffentlichkeit hängenbleibt.

Weitere schwerwiegende Vorwürfe gegenüber ENGIE

Lage der Erdgasbohrung Salzwedel 112 im Gelände. Bildquelle: GoogleMaps

Lage der Erdgasbohrung Salzwedel 112 im Gelände. Bildquelle: GoogleMaps

Doch sei dem nicht genug, erhebt die BI gegenüber dem Betreiber der Erdgaslagerstätte Altmark weitere Vorwürfe. So soll die Erdgafördersonde Salzwedel 112 wieder in Betrieb genommen worden sein, ohne sie vorschriftsmäßig einzuzäunen. Dieser Vorwurf wird von ENGIE zurückgewiesen. Zum einen fördert die Bohrung seit 1. Dezember 2014 nicht mehr und zum zweiten genügt die Sicherung durch einen Bauzaun den Sicherheitsanforderungen.

Dazu ein kleiner Exkurs: Die Bohrung befindet sich im Niemannsland, nur ca. 230 Meter von der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze entfernt. Die bereits 1975 niedergebrachte Bohrung befand sich nach eigener Beobachtung Mitte/Ende der 1990er Jahre nicht in betriebsbereitem Zustand. Am Standort befand sich lediglich ein Bohrlochabschluss ohne weitere technische Komponenten wie Sondenleitung, Schalt- und Messkästen. Nach Auswertung von Luftbildern bei GoogleEarth muss die Wiederinbetriebnahme zwischen 2000 und 2009 erfolgt sein. Auf einen Sondenplatzausbau auf die für die Altmark typische Größe wurde verzichtet und eben ein Bauzaun um die Fördereinrichtung errichtet.

Weiterhin wirft die BI ENGIE vor, wirtschaftliche Interessen über Gesundheits- und Umweltschutz zu stellen. Hintergrund hierbei ist, dass bei zwei im Rückbau befindlichen Plätzen demontierte Sondenleitungen sowie in einem der beiden Fälle Teile einer unterirdischen Feldleitung nicht eingezäunt auf den Plätzen lagen. Sicherlich ist es nicht die eleganteste Lagerungsart. Nichtsdestotrotz handelt es sich immer noch um Betriebsplätze und somit Privateigentum, auf dem außer dem Betreiber und den mit dem Rückbau beauftragten Unternehmen niemand etwas verloren hat.

Die unterstellte Strahlenbelastung durch die Teile ist zudem nicht gegeben, da bereits in kurzer Distanz die Werte sich im Bereich der natürlichen Hintergrundstrahlung befinden. Austritte von anderen Schadstoffen werden durch die Verkapselung der Anlagenteile verhindert. Die BI-typischen Unterstellungen à la Umwelt- und Gesundheitsgefährdung aus „Profitgier“sind also von der Hand zu weisen.

Ein weiterer Vorwurf der BI: In der Vergangenheit sei zwischen 1997 und 2008 in zwölf verfüllten Erdgasbohrungen schwermetallhaltiger und radioaktiver Abfall „verklappt“ worden. Tatsächlich verhält es sich so, dass mit solchen Stoffen beladene Stahlcontainer in die Bohrung eingebracht und dort einzementiert worden sind. Es stellt sich die Frage, wo das Problem liegen soll. Unabhängig von vorhandenen abdichtenden Ton- und Salzschichten werden diese Schadstoffe entgegen der Schwerkraft nicht aufsteigen. Ein Ingenieur wie Ebeling sollte das eigentlich wissen.

Förderung aus der Erdgaslagerstätte Altmark wird fortgesetzt

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Workoverarbeiten auf der Erdgasbohrung Salzwedel 85. ©Steven Arndt

Zum Missfallen der BI wird die Produktion aus den altmärkischen Lagerstätten aufrecht erhalten. 2015 wurden aus 135 Bohrungen noch 399,5 Millionen Kubikmeter Erdgas gewonnen (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2015). Das entspricht aufgrund des geringen Brennwertes einem Reingasvolumen von 145 Millionen Kubikmetern sowie einem Dreißichstel des Spitzenwertes von 12 Milliarden Kubikmetern Mitte der 1980er Jahre. Es bleibt abzuwarten, wie lange noch wirtschaftlich Erdgas gewonnen werden kann. Die Wiederinbetriebnahme zwischenzeitlich unproduktiver Sonden in diesem Jahr sind jedoch ein gutes Zeichen, dass das 50-jährige Förderjubiläum der Erdgaslagerstätte Altmark  im August 2019 erreicht wird.

Artikelfoto: altmärkische Erdgasförderbohrung im Vordergrund und Bohrarbeiten im Hintergrund, Mai 2013. ©Steven Arndt