Landesregierung von Schleswig-Holstein verdoppelt Förderabgabe auf Erdöl aus ideologischen Gründen
Schleswig-Holstein bzw. die historischen Regionen, die heute vom nördlichsten Bundesland überdeckt werden, ist eine Region mit einer sehr langen Tradition hinsichtlich der Erdölförderung. Erste Ölanzeichen wurden bereits 1856 bei Brunnenbohrungen bei Hemmingstedt in Dithmarschen nachgewiesen. Eine reguläre Förderung begann aber erst 1937 aus der Feldergruppe „Heide“.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden weitere Lagerstätten vor allem in Ostholstein entdeckt. Die bedeutendste von ihnen war Plön-Ost, die von 1958 bis 1999 knapp 7,25 Millionen Tonnen Erdöl erbrachte. 1978 gelang der erste Offshore-Erdölfund Deutschlands mit der Entdeckung der Lagerstätte Schwedeneck-See in der Eckernförder Bucht. Aus dieser Lagerstätte konnten zwischen 1984 und 2000 ca. 3,44 Millionen Tonnen gewonnen werden. Der Jackpot wurde aber erst 1980 mit der Entdeckung des Offshore-Feldes Mittelplate vor der holsteinischen Westküste geknackt. Diese Lagerstätte ist die bedeutendste Deutschlands, weshalb Schleswig-Holstein (SH) zum wichtigsten Erdölförderland Deutschlands geworden ist.
Abgesehen von Mittelplate sind inzwischen alle anderen Lagerstätten aufgegeben worden, da sie entweder erschöpft sind oder die Gewinnung bei niedrigen Weltmarktpreisen für Erdöl vor 15 Jahren unrentabel geworden ist. Allerdings verbleibt immer nach Aufgabe einer Lagerstätte ein Großteil, meistens sogar der größte Teil des Erdöls, in der Lagerstätte. Mit fortschreitender Entwicklung von Fördertechnologien oder gar deren Neuentwicklung ist es unter Umständen jedoch möglich, abgeworfene Erdöllagerstätten wiederzuerschließen und noch weitere Anteile des verbliebenen Erdöls wirtschaftlich zu gewinnen.
Mit dem Anstieg der Ölpreise auf über 100 US-Dollar je Barrel (159 Liter) erschien es mehreren Firmen offenbar lukrativ, die Suche nach neuen Erdölvorkommen in SH wieder aufzunehmen sowie die Wiedererschließung aufgegebener Lagerstätten zu evaluieren.
Zu diesen Unternehmen zählen der einstige „Platzhirsch“, die RWE-Dea AG. Ausführlichere Informationen dazu gibt es hier: „RWE Dea: Wiedererschließung von Altfeldern in Schleswig – Holstein“. Aber auch neue Unternehmen am deutschen Markt wie PRD Energy mit kanadischem Ursprung beantragten und erhielten Aufsuchungserlaubnisse. Zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt!
Denn die Debatte um die Standardmethode des Hydraulic Fracturing war 2012 in vollem Gange. Und im Zuge dieser Debatte wurde die Vergabe jeglicher Aufsuchungserlaubnisse für Kohlenwasserstoffe von Bürgerinitiativen und Medien umdeklariert zur Absteckung von Fracking-Claims (zur Schiefergasgewinnung). Ganz vorne mit dabei war der NDR, wie man aus einem frühen Beitrag dieses Blogs vom Dezember 2012 erfahren kann (“Fracking” in Dithmarschen?-Ein Paradebeispiel für die Desinformation des NDR! (Und der Bürgerinitiativen)“. Dabei stellte PRD Energy bereits zuvor klar (Corporate Overview October 2012: PRD New Technology In Mature European Basins):
Broad spectrum of opportunities do not require fracturing
Hydraulic Fracturing war also überhaupt nicht vorgesehen.
Doch das tat nichts zur mehr zur Sache. In vielen Köpfen hatte sich festgesetzt, dass die neu vergebenen Erlaubnisse der Aufsuchung und Gewinnung von Schiefergas dienen sollten, was im Falle der Gewinnung eine Anwendung des Fracverfahrens voraussetzt. Diese Ansicht hatte sich bis auf die Ebene der neu implementierten Landesregierung aus SPD und B’90/Die Grünen von SH und dabei insbesondere in den Kopf des neuen Umweltministers und Schriftstellers Dr. Robert Habeck (B’90/Die Grünen) festgesetzt.
Obwohl weder die Unternehmen angekündigt hatten, Hydraulic Fracturing anzuwenden bzw. es sogar ausschlossen und obwohl in SH kein Schiefergaspotenzial besteht, das dieses Standardverfahren zwingend erfordert, entwickelte sich Dr. Habeck zu einem agilen Vorkämpfer gegen „Fracking“. Er erfand sogar den Phantasiebegriff des „umwelttoxischen Fracking“ Und das, obwohl sein Ministerium auf folgende Frage eine Nichtbeeinträchtigung der Umwelt bestätigt:
4. Gab es in der Vergangenheit Fracking-Maßnahmen in Schleswig-Holstein ?
Ja, es gab mehrere Bohrungen mit dem Einsatz der Fracking-Methode. Diese Bohrungen fanden zwischen 1955 und 1994 überwiegend im Kreis Plön statt. Es gibt keine Hinweise, dass die Maßnahmen in dem betroffenen Gebiet zu schädlichen Umweltauswirkungen geführt haben.
Dennoch ließ Habeck nichts unversucht, gegen die etablierte Technologie vorzugehen und startete sogar eine Bundesratsinitiative, um das Verfahren zu verbieten und zwar über das Bergrecht. Habecks Begründung dazu, nachzulesen in „Habeck will Fracking-Verbot über das Bergrecht“, SHZ vom 21.02.2014, unterstreicht sein Nichtverständnis naturwissenschaftlicher Fragen:
„Ein modernes Bergrecht muss den Untergrund nicht nur als Ressource, sondern als schützenswerte Lebensgrundlage für Mensch und Natur an der Oberfläche akzeptieren.“
Der tiefe Untergrund, in dem Erdöl und Erdgas vorkommen, ist unbelebt. Er stellt aufgrund seiner Ferne zur Oberfläche und aufgrund seiner Beschaffenheit keine Lebensgrundlage im biologischen Sinne für Mensch und Natur dar. Er ist strenggenommen lebensfeindlich. Andererseits: Ressourcen im biologischen Sinne sind die Lebensgrundlage für Mensch und Natur. Dazu zählt der oberste Bereich des Untergrundes bis in maximal zwei Meter Tiefe, in geowissenschaftlichen Kreisen als „Boden“ im eigentlichen Sinne bekannt. Hinzu kommen noch die süßwasserleitenden Aquifere, die bis maximal 300 Meter Tiefe, im Regelfall aber erheblich flacher, zu finden sind. Nur hat niemand vor, in diesen Bereichen oder in unmittelbarer Nähe dieser zu fracen.
Da es trotz der seit vier Jahren anhaltenden gesellschaftspolitischen Debatte um das bewährte Hydraulic Fracturing bislang zu keiner Änderung des Bundesberggesetzes (BBergG) nach Vorstellung von Bürgerinitiativen und vor allem grünen Politikern gekommen ist (z.B. ein wissenschaftlich nicht begründbares vollständiges „Fracking“-Verbot), versucht es Habeck nun auf einem anderen Weg, die unwahrscheinliche Anwendung des Fracverfahrens in seinem Bundesland zu unterbinden.
Für 2015 veranlasste Habeck nach Pressemeldungen eine Erhöhung der Förderabgabe auf Erdöl von 21 % auf 40 %. Das BBergG sieht eigentlich einen Satz von 10 % vor (§ 31 (2) Satz 1 BBergG):
(2) Die Förderabgabe beträgt zehn vom Hundert des Marktwertes, der für im Geltungsbereich dieses Gesetzes gewonnene Bodenschätze dieser Art innerhalb des Erhebungszeitraums durchschnittlich erzielt wird.
Allerdings räumt das BBergG auch gewisse Spielräume ein. So ist es zum Einen möglich, überhaupt keine Förderabgabe zu verlangen oder den Satz von 10 % zu unterschreiten. Zum Anderen kann die Förderabgabe auf maximal 40 % angehoben werden. Voraussetzungen dazu sind dem § 32 BBergG zu entnehmen:
3. für Bewilligungen und Bergwerkseigentum auf bestimmte Bodenschätze oder in bestimmten Gebieten einen von § 31 Abs. 2 abweichenden Vomhundertsatz oder Bemessungsmaßstab festzusetzen,
soweit dies zur Anpassung an die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Regelungen geboten, zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zur Abwehr einer Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen, zur Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, zur Verbesserung der Ausnutzung von Lagerstätten oder zum Schutz sonstiger volkswirtschaftlicher Belange erforderlich ist oder soweit die Bodenschätze im Gewinnungsbetrieb verwendet werden. Dabei dürfen die Abgaben höchstens auf das Vierfache des sich aus § 30 Abs. 3 Satz 1 oder § 31 Abs. 2 Satz 1 ergebenden Beträge erhöht werden.
Habecks Begründung zur Erhöhung auf den Maximalsatz von 40 % ist, dass er Ressourcen schonen will. Er folgt damit der oft zu lesenden und hörenden Ansicht aus ökologistischen Kreisen, man müsse doch noch den Kindern und Enkeln Rohstoffe hinterlassen und darf nicht alles aufbrauchen. Wenn vorangegangene Generationen solche Denkweise an den Tag gelegt hätten, dann hätte die Menschheit nie Bodenschätze anrühren dürfen.
Fakt ist, wir sind nach wie vor auf Erdöl und Erdgas angewiesen und es ist absolut ressourcenschonender, Rohstoffe im eigenen Land zu gewinnen, als sie um die halbe Welt unter energetischen Verlusten zu transportieren. Immerhin vermutet RWE-Dea in den zur Wiedererschließung vorgesehenen Lagerstätten in Ostholstein ein Potenzial von rund 700.000 Tonnen, was ungefähr 3 Supertankerladungen gleichkommt, für die der Ressourcenverbrauch für den Transport entfällt.
Eine Förderzinserhöhung zur Ressourcenschonung ist laut BBergG außerdem nicht vorgesehen, es sei denn, man legt den Schutz sonstiger volkswirtschaftlicher Belange sehr großzügig aus. Somit liegt es nahe, dass Habeck seine Entscheidung aus rein ideologischen Gründen getroffen hat, um die Gewinnung fossiler (Energie-) Rohstoffe möglichst umfassend zu einzuschränken. Andererseits möchte er nicht auf eine lukrative Finanzquelle, dem Offshore-Feld Mittelplate, verzichten. Für offshore-Lagerstätten wurde der Förderzins nach Meldung der SHZ vom 19.12.2014 weniger stark angehoben. Genau betrachtet widerspricht sich Habeck mit seiner Bergründung, in dem er den größten „Ressourcenverbraucher“ weiter laufen lässt, Restvorkommen aber nicht angetastet wissen will. Und das wahrscheinlich aus pekunären Gründen. „Pecunia non dolet“ – Geld stinkt eben nicht.
Aus dem SHZ-Artikel sowie einem weiteren der Kieler Nachrichten ist zu entnehmen, dass die Erdölindustrie sich nachvollziehbarerweise alles andere als begeistert von der Entscheidung des Umweltministers zeigt (es ist schon erstaunlich, dass ein wirstchaftspolitisches Instrument von einem Umweltminister bedient wird). Teilweise haben die Inhaber von Aufsuchungslizenzen bereits Konsequenzen gezogen.
Die Max-Streicher-Gruppe, zu der auch das Bohrunternehmen Drilltec GUT zählt und das unter der Firma Palatina GeoCon am oberrheinischen Erdölfeld „Römerberg“ bei Speyer beteiligt ist, hat bereits seine Aufsuchungserlaubnis „Rosenkranz-Nord“ in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg zurückgegeben. RWE-Dea und PRD Energy prüfen, ob ihre Wiedererschließungs- bzw. Explorationsvorhaben unter den neuen Rahmenbedingungen überhaupt noch wirtschaftlich durchführbar wären. Ein viertes kleines Unternehmen namens Central Anglia will seine Explorationsaktivitäten fortsetzen. Scharfe Kritik kommt vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG). WEG- Geschäftsführer Josef Schmid bezeichnete die Erhöhung der Förderabgabe in einem Schreiben an Habeck als „investitions- und wirtschaftsfeindlich“ so die SHZ.
Freude über die angekündigten Rückzugpläne bzw. die Neubewertung der Vorhaben kommt stattdessen bei den Gegnern der Explorationsprojekte auf. Denn sie lehnen, obwohl sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Erdölprodukte nutzen, die Erdölgewinnung vor der eigenen Haustür ab. Die Ablehnung rührt vor allem daher, dass von Beginn an zunächst durch die Medien Ängste vor „Fracking“ geschürt worden sind. Darauf sprangen Bürger an und gründeten Initiativen, die wiederum mit sogenannten „Informationsveranstaltungen“ Ängste vor Hydraulic Fracturing schürten und damit, da sie sich als „Experten“ ausgeben oder als solche gehandelt werden, bislang unbedarfte Bürger auf ihre Seite zogen.
Abgesehen davon, dass kaum einer der „Fracking“-Gegner, die regelmäßig die „Verseuchung“ des Grund-/Trinkwassers als Ablehnungsgrund anführen die Frage beantworten können, wo denn das genau und in welchem Umfang geschehen ist, haben die Unternehmen von Anfang an klar gestellt, dass Fracmaßnahmen nicht vorgesehen sind.
An diesen beiden Sachverhalten wird deutlich, dass Habecks Agieren gegen ein bewährtes Verfahren, dass nach Auskunft seines Ministeriums auch in SH ohne Umweltschaden durchgeführt wurde, völlig überflüssig ist. Habeck sollte stattdessen als Umweltminister mehr Zeit in reale und nicht unterstellte Umweltgefährdungen investieren. Wie z.B. in die Analyse und Auswertung von Umweltbeeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit der Erzeugung von Biogas tatsächlich und nicht potenziell verursacht werden.
Zudem erscheint die Begründung der Erhöhung der Förderabgabe zur Ressourcenschonung kaum durch das BBergG gedeckt. Vielmehr entsteht der Eindruck, Habeck habe diese Entscheidung getroffen, um die „Erdölsucher“ zu vertreiben und das wegen der wissenschaftlich unbegründeten Furcht vor einer minimalinvasiven Bergbaumethode, wie Peter Heller vom ScienceSkeptical-Blog das Fracverfahren bezeichnete („Minimalinvasiver Bergbau“).
Einen lesenswerten Kommentar zur fragwürdigen Entscheidung sowie deren zu hinterfragender Begründung gibt es bei der SHZ-Online: „Hoher Förderzins: Habecks Trick gegen Fracking“
Pragmatischer als SH geht die niedersächsische Landesregierung vor. Diese hat die Förderabgabe für Erdöl leicht von 19 % auf 18 % und die für Erdgas deutlich von 37 % auf 30 % gesenkt. Die Begründung in der entsprechenden Presseinformation vom 15.12.2014 orientiert sich im Gegensatz zur Begeündung von Habeck eindeutig an den möglichen vom § 32 BBergG zur Anpassung des Abgabesatzes vorgesehenen Möglichkeiten:
Der deutliche Rückgang der in Niedersachsen geförderten Erdöl- und Erdgasmengen in den vergangenen Jahren ist Grund für die Senkung der Abgaben. Der erhebliche Preisverfall der internationalen Rohölpreise seit Juli 2014 lässt für das kommende Jahr eine Beschleunigung dieser Entwicklung erwarten. Dies hat Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit sowie die optimale Nutzung der heimischen Energieressourcen und kann auch viele Arbeitsplätze in überwiegend strukturschwachen Regionen gefährden.
Immerhin scheint die niedersächsische Landesregierung zumindest noch in Teilen einzuschätzen, welche Bedeutung die Erdgas- und Erdölgewinnung für das Land hat. Dem angesprochenen rapiden Förderabfall der Erdgasproduktion könnte entgegengewirkt werden, in dem sich die Regierung verstärkt an den positiven Erfahrungen beim Einsatz der Fractechnologie orientiert und Mut für die Erschließung neuer Potenziale unter Zuhilfenahme dieser Technik zeigt. Das wäre möglich, in dem mehr der Expertise von Fachleuten gefolgt würde, statt unfundierten Befürchtungen die teilweise von Interessengruppen bewusst geschürt werden, Folge zu leisten.