Lithium – eine Chance auch für die deutsche Erdöl- und Erdgasbranche? – Teil 2

von Dipl.-Geologe Dirk Weißenborn, Wietze

In Teil 1 dieser Abhandlung wurden die verschiedenen Typen an Lithiumvorkommen ansatzweise besprochen und darüber hinaus die Aktivitäten nordamerikanischer Unternehmen zur Gewinnung von Lithium aus den dortigen Abwässern der Kohlenwasserstoffindustrie schlaglichtartig mittels Verlinkungen vorgestellt.

Wieviel Lithium könnte jährlich aus Lagerstättenwasser extrahiert werden?

Will man eine Abschätzung der aus deutschen Lagerstättenwässern gewinnbaren Lithiummengen vornehmen, ist – noch vor der Beurteilung der verfahrenstechnischen Leistungsfähigkeit – zwei grundlegenden Fragen nachzugehen:

  1. Wie hoch sind die Konzentrationen an gelöstem Lithium in den verschiedenen Lagerstättenhorizonten?

  1. Welche Mengen an Lagerstättenwässern werden in Deutschland jährlich mitgefördert?

Man wird schnell feststellen, dass es nur relativ wenige, frei verfügbare Informationen zum Thema Lithiumkonzentrationen in Lagerstättenwässern gibt. Eine Zusammenfassung zahlreicher Analysendaten (Medianwerte verschiedener Horizonte) entstammt der folgenden Webadresse:

https://www.researchgate.net/publication/272677993_Hydrochemie_der_Tiefenwasser_in_Deutschland#pf5

Z. geol. Wiss., Berlin 41/42 (2013/14) 5–6: 339 – 380, 16 Abb., 1 Tab.

Z. geol. Wiss. 41/42 (5–6) 2013/14 339

Hydrochemie der Tiefenwässer in Deutschland

INGRID STOBER (Karlsruhe), MARKUS WOLFGRAMM (Neubrandenburg) & JOHANNES BIRNER (Neubrandenburg)

Die Publikation behandelt das Thema aus dem Blickwinkel der Tiefengeothermie, berücksichtigt aber auch Analysenergebnisse aus dem Bereich der Erdöl- und Erdgaslagerstättenwässer.

Zum Lithium enthält sie folgende – wörtlich zitierte – Aussage:

Lithium hat die höchsten Konzentrationen in den Wässern des Rotliegend (Median: 100 mg/l), gefolgt vom Zechstein (Median: 58 mg/l) und Buntsandstein (Median: 30 mg/l). Die Gehalte der weiteren Schichtenfolgen sind < 10 mg/l

Es sei darauf hingewiesen, dass für jeden Medianwert gilt: 50% der Datenelemente liegen darüber und 50% darunter. Lokal dürften also auch höhere Li-Konzentrationen zu erwarten sein.

Klar erkennbar ist die Zunahme der Li-Konzentrationen mit der Teufe. Es spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle, z.B. aufsteigende Wässer aus sauren Vulkaniten (Rotliegend) und Nähe zu Eindampfungssedimenten (Zechstein).

Aufgrund der höheren Gehalte sollen hier nur die Li-Konzentrationen der Wässer in Rotliegend und Zechstein als Ausgangsdaten dienen. Wir mitteln – sachlich nicht ganz sauber – die Werte 100mg/ und 58mg/l (arithmetisch) und erhalten den Durchschnittswert 79mg/l

Um nun überschlägig ermitteln zu können, wieviel Lithium aus deutschen Lagerstättenwässern des Erdgasförderung gewonnen werden kann, betrachten zusätzlich wir die folgenden Zahlen:

  • 6,3 Milliarden m³ inländische Erdgasförderung:(2018),

(Quelle: Wirtschaftverband Erdöl, Erdgas,Geothermie)

  • 50 cm³ Lagerstättenwasser fallen je Normkubikmeter an,

(Quelle: Exxonmobil-Webseite)

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in den 6.3 Milliarden Kubikmetern inländischer Erdgasförderung auch Erdgasvolumina aus dem Buntsandstein enthalten sind, wird in dieser abschätzenden Plausibilitätsrechnung von 6 Milliarden Kubikmetern Erdgas aus den Formationen Rotliegend und Zechstein ausgegangen.

Die Gesamtrechnung des Volumens an Erdgaslagerstättenwässern lautet somit:

6 Milliarden [m³] x [50 / 106] m3 = 300.000 m³ Lagerstättenwasser jährlich

Die weiter oben rechnerisch ermittelte durchschnittliche Li-Konzentration von 79 mg/l bzw. 79 g / m³ muss somit nur noch mit diesem aktuellen, jährlichen Volumen anfallenden Lagerstättenwassers multipliziert werden:

300.000 [m³] x 0,079 kg = 23700 kg = 23,7 to

Eine solche jährliche Lithiumgewinnung aus Lagerstättenwässern der beiden wichtigsten deutschen Erdgasformationen erscheint tatsächlich marginal. Ein Blick in die globale Förderstatistik unter dem Suchwort „Lithium“ bei Wikipedia weist allein für Chile 14100 t/a und Australien 18700 t/a aus. Selbst für das weniger bedeutende Lieferland Portugal schlagen immerhin noch 400 t/a zu Buche.

Die knapp 24 t Lithium jährlich reichen tatsächlich für die Akkus von nur etwa 2400 bis 5000 Elektrofahrzeugen jährlich. Damit bewegt man sich – je nach Modell – in Bereichen von weniger als einer Wochenproduktion.

Die knapp 24 t Lithium p.a. wurden zudem unter der Prämisse einer 100-prozentigen Extraktion des Lithiums errechnet. Tatsächlich dürfte der Extraktionsgrad jedoch geringer sein.

Auf die rechnerische Heranziehung von Erdöllagerstättenwässern zur potentiell möglichen Lithiumgewinnung wurde hier allein schon aufgrund der oben genannten geringen Werte (<10 mg/l) verzichtet. Schließlich bedeutet es zunächst einen Investitionsaufwand unbekannter Höhe (Extraktionsanlagen), sofern die Erdöl- und Erdgasbranche oder andere Investoren in Deutschland überhaupt in dieses Geschäft einsteigen wollten.

Lithium auch in anderen mineralisierten Tiefenwässern enthalten

Andererseits ist die Gewinnung bereits gelösten Lithiums aus Lagerstättensolen betriebswirtschaftlich mit Sicherheit günstiger, als Festgesteinsvorkommen in Deutschland, z.B. im Erzgebirge, abzubauen und einem aufwändigem chemischen Aufschluss- und Verarbeitungsprozess zu unterziehen.. Man denke nur an die Genehmigungsverfahren und Schwierigkeiten durch nachbarschaftliche Einsprüche und eventuelle gerichtliche Klageverfahren. Zudem macht die Förderung eines „by-products“ neben dem Erdgas betriebswirtschaftlich durchaus Sinn.

Allerdings sollte das Lithium als „bergfreier“, also der Allgemeinheit gehörender Bodenschatz, staatlicherseits komplett von Förderabgaben befreit werden.

All das und noch wesentlich mehr (Preise, Erlöse; etc.) gilt es abzuwägen und sicher haben solche Vorhaben unter den aktuellen Gesamtumständen kaum Aussicht auf Realisierung.

Die knapp 24 t Li jährlich aus dem Erdgassektor allein stellen kein gutes Pro-Argument dar. Denken wir jedoch über den Kohlenwasserstoffsektor hinaus, so kommen zusätzlich der Sektor Tiefengeothermie sowie die Kaliindustrie mit ihren erheblichen Solemengen als zusätzliche Lieferanten in Frage.

So verschiedene Produzenten zu einheitlichem Handeln zu bewegen und unterstützende Rahmen für diese zu setzen, ist jedoch Aufgabe der Politiker.

Wenn diese jedoch nichts an der 100% Li-Importabhängigkeit der deutschen Wirtschaft ändern wollen, ist jeder offene Gedankenansatz von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Über Rückmeldungen und Anmerkungen zum Thema Lithiumextraktion aus Lagerstättenwässern und anderen Solen würde sich der Autor sehr freuen.

Artikelfoto: KCA-Deutag Bohranlage T-208 auf Bohrung Dötlingen Z3A. Foto: Markus Stahmann, Juli 2019