Lithium – eine Chance auch für die deutsche Erdöl- und Erdgasbranche?

von Dipl.-Geologe Dirk Weißenborn, Wietze
Dieser Blog konzentriert sich inhaltlich auf Erdöl und Erdgas in Deutschland. Dennoch soll an dieser Stelle einmal ein hochinteressanter und potentiell zukunftsträchtiger Begleitaspekt der Erdöl- und Erdgasförderung Erwähnung und Würdigung finden. Die Gewinnung von Lithium aus Abwässern der Erdöl- und Erdgasgewinnung!

Stand der Lithium-Gewinnung weltweit

In Kanada und den USA sind mehrere Unternehmen aktiv geworden, welche das in diesen Abwässern (Laugen) neben vielen anderen gelösten Substanzen vorkommende Alkalimetall Lithium extrahieren wollen. Der folgende Link soll für einen ersten Eindruck sorgen: LINK
Man beachte, dass Google eine auch auf Deutsch übersetzte Webseite (oben rechts auwählen!) anbietet. Die Übersetzung ist zwar mäßig, jedoch erscheint sie für den ersten Überblick ausreichend. Wie dort ersichtlich, hat sogar der Begriff „Petrolithium“ Einzug gehalten. Lithium stellt einen der wichtigsten Grundstoffe zahlreicher heutiger und eventuell zukünftiger Produkte dar. Ganz konkret besonders im Hinblick auf Akkus, z.B. in Smartphones, E-Fahrzeugen und Stromspeichern in Einfamilienhäusern zur Verbesserung der Nutzung von selbst erzeugtem Solarstrom.
Wie weitgehend sich die Umstellung auf eine strombasierte Energielandschaft zukünftig realisieren lässt, soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Fakt ist jedoch, dass der Bedarf an Lithium global deutlich zunehmen könnte. Man danke dabei allein schon an die Automobilindustrie. Obwohl Lithium mit durchschnittlich ca. 60 g/t global keineswegs selten ist, bereitet seine Verfügbarkeit zunehmende Schwierigkeiten. In Deutschland wird aktuell kein Lithium aus primären geologischen Quellen gewonnen.
Hauptherkunftsländer sind aktuell :
1. Chile, Argentinien, Bolivien. Dort werden erhebliche Lithiummengen aus den Salzen in den Becken der Hochanden gewonnen. Dazu ist sehr viel kostbares Süßwasser erforderlich, welches dort eher als knapp zu bezeichnen ist. Diese Lithiumgewinnung wird von vielen als umweltschädlich bezeichnet und hat zudem den Nachteil, dass die Eindampfung in den Salzbecken recht zeitaufwändig ist.
2. Australien. Dort wird das Lithium aus den sogenannten Pegmatiten (vereinfacht: Granitabkömmlinge, entstanden aus Hochtemperaturfluiden) mittels bergbaulicher Methoden (meist Tagebau) extrahiert. Zwar sind die Umweltschäden – vor allem hinsichtlich des Wasserhaushaltes dort wohl zu vernachlässigen, jedoch stellen Lösung des Erzes und die anschließende Aufbereitung bis hin zur Darstellung des Zwischenproduktes (entweder Lithiumcarbonat oder Lithiumhydroxid) erhebliche Anforderungen.

Lithium-Erkundungsaktivitäten in Deutschland

Erkundungsaktivitäten laufen auch in sogenannten „Greisen“ (durch hochtemperierte wandernde Lösungen veränderte Bereiche von Graniten) des Erzgebirges – sowohl auf tschechischer Seite bei Cinovec südlich von Altenberg als auch bei Sadisdorf/Hegelshöhe auf deutscher Seite. In beiden Fällen sind australische Bergbauunternehmen (European Metals, eventuell bald mit Anteilen eines tschechischen Staatsunternehmens, Lithium Australia, München) tätig. Im Visier steht u.a. der lithiumhaltige Glimmer Zinnwaldit (!) mit der Zusammensetzung K (Fe2+,Al, Li )[(OH,F)2|(Si,Al)4O10].

Die Punkte 2.) und 3.) können wir stark vereinfachend an dieser Stelle auch als Li-Festgesteinslagerstätten zusammenfassen.

In allen Kategorien muss das Element Lithium erst in Lösung gebracht werden um es anschließend selektiv abzutrennen. Dagegen befindet sich Lithium in schon gelöster Form in Ölfeldwässern und auch Wässern aus der Erdgastrocknung. Somit findet seit langer Zeit weltweit schon eine Art Förderung statt – allerdings ohne das Alkalimetall abzuscheiden und anschließend zu nutzen.

Stattdessen wird es nach der Abtrennung vom eigentlichen Rohstoff Erdöl oder Erdgas der Lagerstätte oder einer aufgegebenen Lagerstätte in Form der Verpressung oder Versenkung wieder zugeführt. Ein US-Unternehmen, welches mit der kanadischen MgX-Minerals zusammen arbeitet ist Eureka: LINK 

Gewinnung von Lithium aus Lagerstättenwasser

Lagerstättenwasser-Versenkbohrung in der Altmark. Foto: S. Arndt, Dezember 2012.

Konkret geht es um ein aktuell realisiertes Projekt u.a. zur Lithiumgewinnung aus Lagerstättenwässern nahe der Stadt Towanda im Bundesstaat Pennsylvania. Es handelt sich dabei um ein Kerngebiet der US-amerikanischen Schiefergasgewinnung aus dem Marcellus-Shale und dem angrenzenden Utica-Shale. Dort ist Hydraulic Fracturing (umgangssprachlich „Fracking“) gängige Methode. Man sieht, dass es ernst zu nehmende Ansätze zur Verbesserung der Umweltbilanz durch Gewinnung wertvoller Stoffe – nicht nur Lithium – aus Abwässern gibt. Das dürfte den hiesigen „No-Fracking“ Apologeten des Weltuntergangs wohl auch nicht gefallen, interessiert hier jedoch nur am Rande.

Ein kurzer Textauszug aus dem obigen Link soll die Bedeutung sowohl für die „alte“ Kohlenwasserstoffindustrie als auch die „neue“ Zukunftsindustrie rund um die Erneuerbaren und zahlreiche weitere Anwendungen illustrieren. Zitat: Deep natural gas reserves located in the Marcellus and Utica shale account for approximately 40% of all natural gas produced in the United States. The oil and gas operations in this region also generate large volumes of produced water. Eureka uses advanced treatment technology to convert 10,000 barrels per day of this produced water into valuable co-products, including fresh water, high-purity sodium chloride and calcium chloride. Through this joint venture, Eureka will begin extracting lithium as well.

Die Webseite des Partners MgX-Minerals zeigt auch ein illustrierendes Foto der Abwaaserbehandlungsanlage: LINK

Die Verfolgung ähnlicher Vorhaben in Deutschland würde wegen der erwartbaren Zusatzproduktion wertvoller Stoffe durchaus lukrativ sein können. Die Nutzungszeit bestehender Erdöl- und Erdgaslagerstätten durch Nebenprodukte wie Lithium würde sich verlängern, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen gesichert werden. Auch die Tiefbohr- und Workoverbranche würde profitieren können. Ebenfalls wäre, heimische Produktion der Abscheideanlagen vorausgesetzt, ein gewisser Impuls für den heimischen Maschinen- und Apparatebau zu erwarten.

Schließlich wäre all denjenigen, welche die heutige Erdöl- und Erdgasgewinnung lieber heute als morgen schließen lassen würden, ein Gutteil ihrer Argumentationsgrundlage genommen. „Fossil“ brächte nämlich wertvolle Stoffe für die Zukunft hervor. Möglicherweise funktionieren damit sogar Bestandteile der „Energiewende“ besser. Und man würde im eigenen Land über Lithium verfügen, anstatt es über die Weltmeere aus Südamerika oder Australien zu beziehen.

Sofern aufgrund vorhandener Daten möglich, folgt ein zweiter Beitrag zu den geologisch-chemischen Vorraussetzungen der Lithiumgewinnung aus Lagerstättenwässern sowie zur eigentlichen Technologie. Im Bestfalle wäre eine Abschätzung hinsichtlich der dadurch möglichen prozentualen Deckung des deutschen Lithiumbedarfes denkbar. Möge dieser Beitrag zahlreiche Leser finden. Ganz besonders unter Managern und Politikern.

 

Artikelfoto: Erdgasbohrung Burgmoor Z5 bei Uchte in Niedersachsen, Foto: Steven Arndt, März 2019