Gasfeld Söhlingen – Keine Belastung der Bevölkerung
Seit Jahren wird der einheimischen Öl- und Gasindustrie unterstellt, sie verschmutze systematisch die Umwelt und gefährde die Gesundheit der Bevölkerung. Ein Gebiet, in dem diese Unterstellungen besonders massiv erhoben wurden, in dem sich das Gasfeld Söhlingen sowie der Feldeskomplex Rotenburg-Taaken befindet. Besonders bedenkenswert war und ist, dass die dortigen Gasförderer pauschal für Krebserkrankungen verantwortlich gemacht wurden und werden. Eine besonders perfide Rolle spielen dabei einige Medien, die den Anti-Gasförderungs-Aktivisten unkritisch ein Forum für ihre Anschuldigungen bieten.
Fast 40 Jahre Förderung im Gasfeld Söhlingen
Die Erdgaslagerstätten in der Region zwischen Soltau und Rotenburg (Wümme) wurden seit den frühen 1980er Jahren entdeckt. So gelang der Aufschluss der Lagerstätte „Söhlingen“ 1980 mit der Bohrung „Söhlingen Z1“. Die Förderung begann wenige Jahre später und erreichte 1996 mit fast 2 Milliarden Kubikmetern ihren Höhepunkt. Inzwischen ist die Produktion deutlich zurückgegangen und erreichte 2018 nur noch knapp 330 Millionen Kubikmeter.
Fast 30 Jahre lang erfolgte die Förderung ohne großes Aufsehen in friedlicher Co-Existenz zwischen Bevölkerung und den Gasförderern. Die Samtgemeinde Bothel, auf deren Gebiet sich neben mehreren Förderplätzen auch die Zentralstation vom Gasfeld Söhlingen befindet, wurde dank Gewerbesteuereinnahmen eine der reichsten Niedersachsens.
Doch die Stimmung kippte schlagartig 2011. Kurz zuvor wurde unkritisch der Film „Gasland“ in öffentlich-rechtlichen Medien ausgestrahlt, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt der verantwortliche Filmemacher Josh Fox eingestanden hatte, bei einer der Schlüsselszenen, dem entzündbaren Wasserhahn, gewusst hatte, dass dieses Phänomen bereits vor der Erdgasförderung in der entsprechenden Region bekannt war.
Auch in anderen Medien, von der Lokalzeitung bis hin zu großen Magazinen fand „Gasland“ seinen durchweg unkritischen Niederschlag. Gleichzeitig wurde bekannt, dass der Betreiber vom Gasfeld Söhlingen, die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG), unweit von Rotenburg eine Bohrung niedergebracht wird. Diese müsste einer hydraulischen Fracbehandlung (umgangssprachlich „Fracking) unterzogen werden, um eine wirtschaftliche Produktionsrate zu erzielen.
Das rief umgehend besorgte Bürger aus dem links-ökologischen Milieu auf den Plan und es wurden Bürgerinitiativen gegen das Vorhaben gegründet. Schließlich wurde in „Gasland“ behauptet, dass der brennende Wasserhahn sowie verschmutzte Trinkwasserbrunnen in den Appalachen Pennsylvanias Folge des „Frackings“ wäre. Zudem wurde verbreitet, dass die Bevölkerung in den „Fracking“-Gebieten Nordamerikas unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu leiden hätte.
LBEG lässt Umgebungsluft im Gasfeld Söhlingen untersuchen
Der Film „Gasland“ war auch Thema einer „Panorama“-Sendung in der ARD. Der damalige Pressesprecher von Exxon Mobil Deutschland wurde mit den Szenen konfrontiert und antwortete darauf (ungefährer Wortlaut): „Wir fördern seit über 30 Jahren sicher und störungsfrei Erdgas“.
Was die eigentliche Förderung betrifft, stimmt das wohl. Allerdings gab es ausgerechnet zu dieser Zeit einen Schaden an einer Leitung, die dem Transport von aus der Tiefe mitgefördertem Lagerstättenwasser dient. Wie es sich gehört wurde nach Feststellung des Schadens die Leitung außer Betrieb genommen und das verschmutzte Erdreich sowie Grundwasser gereinigt. Diese Sanierungsmaßnahme wurde von einem Anwohner an den NDR gemeldet, der umgehend ein Reporterteam losschickte.
Im Ergebnis entstand ein Beitrag für die Sendung „Markt“, in dem die ordnungsgemäße Sanierung des Schadens zum „Umweltskandal“ aufgebauscht hätte, den der „US-Konzern“ versucht hätte, zu vertuschen, so der Vorwurf. Dem ExxonMobil-Pressesprecher wurde im Zusammenhang mit oben genanntem Statement eine „dreiste Lüge vor der Kamera“ vorgeworfen. Dumm nur, dass die Sanierungsmaßnahme aufgrund ihres Ausmaßes nicht übersehen werden konnte sowie ordnungsgemäß auf einem Baustellenschild, was auch im Beitrag gezeigt wurde. Aber angeblich stimmten die dort abgebildeten Rufnummern der Ansprechpartner nicht.
Spätestens nach diesem auf Skandalisierung statt sachlicher Information getrimmten „Markt“-Beitrages formierte sich Kritik und Widerstand gegen die Gasförderung auch in und um Söhlingen, spätestens nachdem der NABU im Umfeld eines Förderplatzes Bodenproben nahm, die „erhöhte“ Quecksilberwerte aufwiesen. Quecksilber ist in Lagerstätten des „Rotliegend“, wozu auch das Gasfeld Söhlingen zählt, ein natürlicher Begleiter im Erdgas.
In den NABU-Proben wurde ein Gehalt von 4,x bzw. 6,x mg Quecksilber je kg Trockenmasse Boden festgestellt. Da der Vorsorgewert bei 0,1 mg/kg für die Bodenart Sand liegt, sprach der NABU von einer 40 bis 70-fachen Grenzwertüberschreitung. Diese Aussage wurde unkritisch von den Medien verbreitet. Dabei gibt es nach Bundesbodenschutzverordnung keine Grenzwerte, sondern eben Vorsorge-, Prüf- sowie Maßnahmewerte. Für den Schutz der menschlichen Gesundheit gelten Prüfwerte. Der niedrigste, für Kinderspielplätze, liegt bei 10 mg Quecksilber je kg Trockenmasse Boden, der für Parks und Freizeitanlagen sogar bei 20 mg/kg. Doch diese entwarnende Einordnung wurde versäumt und aus für die menschliche Gesundheit harmlose Werte skandalisiert.
In der Folge kam das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) unter Zugzwang, eigenständige Untersuchungen zu Belastungen durch die Erdgasförderung durchzuführen bzw. durch Fachunternehmen durchführen zu lassen. So erfolgten 2012 Langzeitluftuntersuchungen rund um die Zentralstation Söhlingen. Das Ergebnis (LINK): Entwarnend. Es konnten weder erhöhte Werte von Benzol noch von Quecksilber dokumentiert werden. Und während der NDR über jedes Stöckchen sprang, um die Erdgasförderer mit einem Skandal zu belegen, wurde das entwarnende Untersuchungsergebnis verschwiegen. Siehe dazu auch: Das Verschweigen der Entwarnung auf unserer Seite.
Gehäufte Krebsfälle vermutet
Keine zwei Jahre später wandte sich eine im Gasfeld Söhlingen lebende Frau an die Öffentlichkeit. Ihr wären die zahlreichen Krebserkrankungen im persönlichen Umfeld suspekt. Zügig wurde von den Anti-Gasförderungs-Aktivisten ein vermeintlich Schuldiger ausgemacht: Die Gasförderung in der Region.
Daraufhin gab es eine umfassende Untersuchung in der Bevölkerung der Samtgemeinde Bothel sowie der benachbarter Gemeinden, in denen ebenfalls Erdgas gefördert wird. Das Ergebnis: Für die Samtgemeinde Bothel sowie untergeordnet in Rotenburg sind tatsächlich statistisch signifikant erhöhte Krebsraten ermittelt worden. Allerdings betraf es nur zwei Blutkrebsarten, nämlich das Multiple Myelom sowie das Non-Hodgkin-Lymphom. Betroffen waren lediglich Männer über 60, jedoch keine Frauen. Unmittelbare Nachbargemeinden von Rotenburg sowie Bothel, in denen ebenfalls aus den selben Lagerstätten Erdgas gefördert wird, zeigten hingegen keine Auffälligkeiten.
Logisch betrachtet ist dieses Untersuchungsergbnis also als entlastend hinsichtlich der Gasförderung zu sehen. Die Anti-Gasförderungs-Aktivisten interpretierten es jedoch genau gegenteilig und sahen sich bestätigt. Sie übten weiterhin Druck auf die Politik aus und fanden insbesondere beim NDR willfähige Erfüllungsgehilfen.
Quecksilberkontaminationen hatten weitere Untersuchungen zur Folge
Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass den Gasförderunternehmen ein Persilschein ausgestellt werden kann. Denn tatsächlich sind an zwei Betriebsplätzen im Gasfeld Söhlingen Quecksilberwerte, teilweise durch die EMPG als Betreiber selbst, die sogar den Prüfwert für Industrieanlagen in Höhe von 100 mg je kg Trockensubstanz Boden überschritten. Dies zudem außerhalb des umzäunten Geländes. Betroffen waren Plätze, auf denen ausgemusterte Anlagenteile gereinigt worden sind. Als Ursache für die Kontamination wird quecksilberbelastetes Spritzwasser angenommen.
Das darf natürlich nicht passieren und es ist dabei irrelevant, dass die Werte dort festgestellt worden sind, wo sich normalerweise kein Mensch aufhält. Per Verordnung festgelegte Maximalwerte sind einzuhalten. Diesbezüglich gibt es nichts zu diskutieren! Und wer kritisch beäugt wird, sollte besonders sorgfältig arbeiten.
Infolge dieser Kontaminationen, aber auch infolge der Vorverurteilung, die Erdgasförderung wäre ursächlich für erhöhte Raten des Multiplen Myeloms sowie des Non-Hodgkin-Lymphoms ist seitens des LBEG eine umfangreiche Bodenuntersuchung im Umfeld von 100 Erdgasförderplätzen in Niedersachsen durchgeführt worden. Im Ergebnis mussten an fünf Plätzen, darunter die zwei im Gasfeld Söhlingen, Bodensanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, da Quecksilberwerte in einzelnen Proben Prüf- bzw. Maßnahmewerte überschritten. Quecksilber ist, der Vollständigkeit halber, nicht als krebserregend bekannt.
Dennoch begannen die Untersuchungen rund um Bothel, um zu zeigen, dass die Befürchtungen aus Teilen der Bevölkerung ernst genommen wird. Ergänzend erfolgte eine erneute Untersuchung der Umgebungsluft. Die Ergbnisse dürften anhand der bisherigen kaum überraschen: Hinsichtlich der Bodenproben gab es Überschreitungen von Prüfwerten in exakt zwei Fällen. Eine systematische Belastung der Umwelt konnte nicht dokumentiert werden. Mehr dazu hier: Endbericht zu den Untersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen
Hinsichtlich der Luftuntersuchung ergab sich ein ähnliches Bild wie 2012. Die Ergebnisse gibt es hier: Immissionsmessungen im Landkreis Rotenburg (Wümme): Untersuchungsergebnisse (2016)
Doch von Fakten lassen sich Aktivisten und unterstützende Medien, die nach eigener Auskunft nur Missstände aufdecken wollen, leider nicht beeindrucken, und so wurden weitere Fässer aufgemacht, wie z.B. ein medial herbeigeredeter Bohrschlammskandal. Siehe dazu unsere umfassenden Serien Medial herbeigeredeter Bohrschlammskandal Teil I bis VII sowie Historische Bohrschlammgruben Teil I bis III
Und noch ne Untersuchung…
Da sich die Aktivisten gegen die heimische Erdgasförderung nicht von den entlastenden Ergebnissen der bisherigen Studien und Beprobungen beeindrucken ließen, hielten sie den Druck gegenüber Behörden und Regierung aufrecht. Zwischenzeitlich konnten sie mit freundlicher Unterstützung des NDR mit zeitweiliger Kooperation des WDR und MDR einen weiteren „Umweltskandal“ vom Zaun brechen, der für die erhöhten Blutkrebsraten in der Samtgemeinde Bothel verantwortlich sein könnte. Historische Bohrschlammgruben aus den 1960er Jahren.
Entsprechend sahen sich die Behörden veranlasst, eine weitere von Steuergeldern finanzierte Studie zu veranlassen, die eine eventuelle räumliche Nähe zwischen aktiven Förderplätzen sowie historischen Bohrschlammgruben und am Mutiplen Myelom bzw. Non-Hodkin-Lymphom untersuchen sollte.
Im Ergebnis stellte sich eine schwache räumliche Korrelation (Zusammenhang) zu aktiven Förderplätzen, eine deutlichere zu historischen Bohrschlammgruben heraus. Eine Kausalität (ursächlicher Zusammenhang) konnte nicht nachgewiesen werden und war auch nicht das Ziel der Untersuchung. Doch allein aufgrund der räumlichen Korrelation sahen sich die Aktivisten in ihrer Vorverurteilung bestätigt. Der Verfasser erinnert sich noch gut an das triumphierende Gehabe der Aktivisten im April 2017 , als die Ergebnisse der Abstandsstudie präsentiert wurden. Mehr dazu hier: Untersuchungsergebnisse zu erhöhten Blutkrebsraten in Bothel
Vertiefende Untersuchungen über ganz Niedersachsen räumten die Korrelation allerdings wieder aus. Das räumliche Zusammnfallen von Erdgasförderung und erhöhten Raten des Mutiplen Myeloms bzw. des Non-Hodkin-Lymphoms bleiben auf die Samtgemeinde Bothel sowie in geringerem Maße auf Rotenburg beschränkt.
Urinuntersuchung als finaler Studienakt?
Und schließlich ergriffen Studentinnen der Medizin Eigeninitiative und wollten anhand einer Studie herausfinden, ob die Erdgasförderung gesundheitlichen Einfluss auf die Bevölkerung im Gasfeld Söhlingen habe. Dazu wurde das Urin freiwilliger Probanden von Anwohnern auf Quecksilber sowie blutkrebsauslösendes Benzol untersucht. Zum Vergleich gab es entsprechende Untersuchungen von Probanden, die außerhalb der Gasfelder leben.
Mit einigen Monaten Verspätung wurde vor wenigen Tagen das Ergebnis der Untersuchungen durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung präsentiert: Studie ergibt keine erhöhten Benzol- und Quecksilberbelastungen für Bevölkerung in der Nähe von Erdgasförderanlagen
Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, gäbe es dazu nicht einen unsäglichen Kommentar von Michael Krüger, Chefredakteur der Rotenburger Kreiszeitung und in der Vergangenheit schon häufiger durch mangelnde Distanz zu den Aktivisten aufgefallen.
Die im Krüger-Artikel Urin-Studie im Zusammenhang mit Erdgasförderung: Keine Belastungen – aber offene Fragen zitierte nüchterne Feststellung von ExxonMobil „Laut Studie sind Anwohner keiner Benzol- und Quecksilberbelastung aus der Erdgasindustrie ausgesetzt“ und es gebe damit weiterhin „keine Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen Kohlenwasserstoffförderung und erhöhten Krebsfällen“ verunglimpft er als Jubelarie und konstatiert „Und auch die Gasförderer sind längst noch nicht raus. Denn ihnen müsste als Schlussfolgerung der Studien jetzt noch viel intensiver auf die Finger geschaut werden: Permanente Schadstoffmessungen bei Fackelarbeiten sind überfällig!“
Was wollen solche Leute wie Michael Krüger eigentlich? Es gab seit 2012 folgende fachlich fundierte Untersuchungen in der Samtgemeinde Bothel:
- Langzeitluftuntersuchungen rund um die Zentralstation im Gasfeld Söhlingen 2012 – Ergebnis: Entlastend
- Bodenuntersuchungen von Gasförderplätzen 2016-2018 – Ergebnis: Entlastend
- Langzeitluftuntersuchung im Gasfeld Söhlingen auch während Fackelarbeiten 2016 – Ergebnis: Entlastend
- Abstandsstudie zu Bohrschlammgruben und 2016-2017 – Ergebnis: Entlastend
- Untersuchungen von Speisepilzen 2018 (Unauffällige Pilze) – Ergebnis: Entlastend
- Human-Biomonitoring-Studie („Urinstudie“) 2019 – Ergebnis: Entlastend
Es bedarf schon eines gerüttelt Maß an Realitätsverweigerung zu fordern, jemandem noch intensiver auf die Finger zu schauen, wenn 6 von 6 fachlich fundierter Untersuchungen ergeben, dass dem unter Verdacht gestellten nicht ansatzweise eine Verantwortung nachgewiesen werden kann.
Prinzipiell wäre zu erwarten, dass nach dieser Vielzahl entlastender Untersuchungen langsam auch bei den Kritikern Vernunft einkehrt. Doch ob die „Urinstudie“ der letzte Akt war, bleibt abzuwarten.
Denn andernorts wird aktuell versucht, die jahrzehntelange Erdölförderung in Ostniedersachsen für vermeintlich erhöhte Krebsraten verantwortlich zu machen. Christian Schroeder, grüner Abgeordneter des Kreistags Gifhorn ist davon zumindest überzeugt, auch wenn Fachleute das anders sehen (Hankensbüttel: Krebsfälle entlang einer Route?)
. Es bleibt abzuwarten, was folgt. Kontakte zum NDR-Skandalisierungsformat „Markt“ sind bereits geknüpft. Siehe dazu unseren Beitrag NDR Markt rückt mit Falschdarstellungen Ölförderung in schlechtes Licht
In diesem Sinne… Glück Auf!
Artikelfoto: Erdgasförderbohrung Preyersmühle-Süd Z1. Foto: Steven Arndt, April 2017