Wie sich Legenden über angebliche Umweltverschmutzung durch Öl- und Gasförderung bilden

Anfang April erschien in der Nienburger Regionalzeitung „Die Harke“ ein lesenswerter Artikel, der zeigte, wie Legenden über angebliche Umweltverschmutzung infolge von Öl- und Gasförderung sich herausbilden können. Akteure sind hierbei drei Mitglieder zweier Bürgerinitiativen, die sich gegen Projekte im Zusammenhang mit der Kohlenwasserstoffproduktion wehren. Zwei der Akteure sind dem Verfasser persönlich bekannt. Während einer davon tatsächlich in der thematisierten Region wohnhaft ist, handelt es sich beim zweiten um einen reiselustigen Zeitgenossen, der in keiner Förderregion zu Hause ist und sich anmaßt, mit fachlich dürftigen Vorträgen durch die Lande zu ziehen und auf sogenannten „Informationsveranstaltungen“ unbedarfte Mitbürger zu verunsichern. Fairerweise muss aber auch erwähnt werden, dass im Artikel sich eines der gescholtenen Unternehmen richtigstellend und recht ausführlich äußern darf.

Vermeintliche Umweltdelikte bei Öl- und Gasförderung

Erdgasförderbohrung „Siedenburg T10“ (links), daneben Ölsammelstation „Siedenburg“. Foto: Steven Arndt, März 2019. Zum Vergrößern anklicken.

Dennoch weist der Artikel (online mit Bezahlschranke) mit der Schlagzeile „In Borstel sprudeln die Sorgen“ trotz zurückhaltender Formulierung von „vermeintlichen Umweltdelikten“ eine gewisse fürsprechende Tendenz in Richtung der Kritiker auf. So heißt es zu Beginn des Textes, dass in der Region mit den Erdgasfeldern „Siedenburg/Staffhorst“ sowie der Erdöllagerstätte „Siedenburg“ DIE Menschen (also alle) Angst vor den Folgen der jahrzehntelangen Öl- und Gasförderung in der Region hätten. Diese Darstellung ist insofern irreführend, als das zum Ende des Artikels einer der Initiativler selbst wiedergibt, dass „die Menschen hier meist hinter der Erdöl- und Erdgasindustrie“ stünden.

Hintergrund der Sorgen ist, dass die bis vor ziemlich genau einem Jahr in Förderung stehende Erdgasproduktionsbohrung „Siedenburg Z11“ zu einer Versenkbohrung, die bei der Förderung anfallendes Lagerstättenwasser (LaWa) aufnimmt, umgerüstet werden soll. Dank jahrelanger medialer Desinformation sind Teile der Bevölkerung bezüglich dieses Themas völlig verunsichert. Auch der hier diskutierte Artikel dient nicht der Beruhigung. Denn LaWa wird fälschlicherweise pauschal als „giftig“ eingestuft und auch die Darstellung, dass es stets Benzol, Quecksilber und andere gesundheitsgefährdende Stoffe enthalte, ist so nicht richtig. Im Übrigen enthält Ottokraftstoff, mit dem jeder Nutzer einer „Benzinkutsche“ regelmäßig in Kontakt kommt, weitaus mehr Benzol als LaWa.

Zur Beunruhigung der ortsansässigen Bevölkerung hat ferner ein Vortrag des eingangs erwähnten reiselustigen ortsfremden Referenten Ende April 2018 geführt. Eine ausführliche Kritik unsererseits findet der geneigte Leser hier Viel heiße Luft um Lagerstättenwasserversenkprojekt „Siedenburg Z11“  und hier Viel heiße Luft um Lagerstättenwasser-Versenkprojekt „Siedenburg Z11“ – Teil 2

Laut Artikel ist das Anliegen der drei BI’ler, das Vorhaben, Lagerstättenwasser in eine mit Lagerstättenwasser verwässerte Erdgaslagerstätte einzubringen zu verhindern, da es angeblich keine Untersuchungen zu „Lagerstättenwasser im Boden“ gäbe. Doch, die gibt es. Schließlich wird seit Jahrzehnten LaWa in Deutschland versenkt, ohne dass dabei jemals Gesteinsschichten oberhalb der Versenkhorizonte beeinträchtigt worden sind. Aber das Anerkennen von Fakten ist eines der größten Defizite von „Wir sind dagegen!“-BI, unabhängig vom Thema Öl- und Gasförderung.

Dramatisierung zieht immer

Ehemalige Erdgasförderbohrung „Siedenburg Z11“. Foto: Steven Arndt, April 2018. Zum Vergrößern anklicken.

Um verunsicherte Mitmenschen auf ihre Seite zu ziehen, bedienen sich „Wir wollen das nicht“-BI stets der Methode der Dramatisierung (neben der Verbreitung von Unwahrheiten). Dieser Methode bedienen sich gerne auch Politiker, wenn es darum geht, Wählerstimmen für sich zu gewinnen. Nicht anders verhält es sich beim Mitglied des niedersächsischen Landtags Helge Limburg (Bündnis 90/Die Grünen), der die drei Aktivisten auf ihrer Kleinbustour durch die geologisch voneinander unabhängigen Öl- und Gaslagerstätten mit der Bezeichnung „Siedenburg“ begleitete. Limburg ist von der Dichte der Förderplätze überrascht.

Doch deren Dichte, insbesondere, was die Öllagerstätte betrifft, ist selbst für deutsche Verhältnisse wenig überraschend. Die Ölförderplätze befinden sich mehrere hundert Meter voneinander entfernt. In anderen Förderregionen der Welt liegen diese z.T. nur wenige 10er Meter auseinander (Baku, Kalifornien). Hinzu kommt, dass die Dichte mittlerweile erheblich ausgedünnt ist, da Bohrungen auf den Südteil der Lagerstätte verfüllt und zurückgebaut sind. Die relative hohe Dichte der Gasbohrungen erklärt sich hingegen damit, dass a) zwei geologisch voneinander unabhängige Lagerstätten übereinander liegen und b) im Sinne geringerer Beeinträchtigung der Umwelt, aber bestimmt auch der topographischen Situation an der Oberfläche geschuldet (Moorgebiet), Bohrungen dicht beieinander angesetzt worden sind. So befinden sich die Bohransatzpunkte „Siedenburg Z25“, „Siedenburg Z28“ sowie „Siedenburg Z30“ zwar nur wenige 10er Meter auseinander und quasi auf einem Platz, ihre Zielpunkte liegen dank moderner Bohrtechnik über 1 Kilometer voneinander entfernt (Quelle: NIBIS-Kartenserver, man muss die dort angegebenen Daten jedoch verstehen können).

Angeblich sähen die Aktivisten „in letzter Zeit immer häufiger“, dass die in der Region tätigen Unternehmen nicht die gebotene Sorgfalt an den Tag lägen. Schließlich ginge es um die Gesundheit der Anwohner. Konkret berufen sie sich dabei auf eigene Beobachtungen von Leitungen mit Öllecks, ausgetretenem Lagerstättenwasser oder ungesicherten Stellen mit Plastikbehältern, die Flüssigkeiten auffangen sollten. Doch diese angeblichen Beobachtungen „in jüngster Zeit“ sind wohl ins Pinocchio-Land zu verorten. Denn das Leitungssystem im Ölfeld „Siedenburg“ ist erst vor wenigen Jahren komplett saniert worden. Leckagen gab es seitdem keine. Zu den Plastikbehältern: Diese standen unter der Molchschleuse und sollten bei Öffnung dieser Flüssigkeit auffangen. Abgedeckt waren sie durch ein Gitterrost, damit keine Vögel oder anderes Kleingetier hineinfallen können. Insofern sind u.a. in einem NDR-Bericht gezeigte Bilder von einem in einen solchen Behälter gefallenen Piepmatz äußerst fragwürdig, zumal diese nur durch das illegale Betreten des Förderplatzes entstanden sein können. Siehe dazu: „Erdölförderanlagen in schlechtem Zustand? Eine Kritik zu NDR-„Hallo Niedersachsen“ Bericht„.

„Betreten verboten!“ von Anlagen zur Öl- und Gasförderung gilt auch für Kinder

Förderplatz „Siedenburg 13“ während Workovers Ende März 2019. Foto: Steven Arndt, zum Vergrößern anklicken.

Während ihrer Rundfahrt durch das unbewohnte Ölfeld „Siedenburg“ stoßen die drei Aktivisten sowie der Grünen-MdL „plötzlich“ auf eine  „hohen Gerüst-Turm“. Und zwar an der Bohrung „Siedenburg 13“ Doch so plötzlich kann die Entdeckung nicht gewesen sein. Schließlich befindet sich der Bohrplatz auf einer Weide in freiem Gelände und ist von einem Wirtschaftsweg, der an den anderen „zahlreichen“ (es sind exakt VIER) Tiefpumpenantrieben vorbei führt, uneingeschränkt einsehbar. Nun, dramatisieren können Journalisten bekanntermaßen auch ganz gut.

Laut Darstellung des reiselustigen Mitstreiters der Gruppe würde dort die Förderanlage gereinigt. Der Mitstreiter wird als „Ingenieur“ sowie „Mitglied der Deutschen wissenschaftlichen Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle“ (DGMK) im „Die Harke“-Artikel vorgestellt. Das soll wohl belegen, dass der werte Herr vom Fach sei. Doch das ist er mitnichten. Hinter dem Begriff „Ingenieur“ kann sich Vieles verbergen, vom Architekten über den Landschaftsplaner bis hin zu einem tatsächlichen Ingenieur für Erdöl- und Erdgastechnik. Doch letzteres ist dieser Herr nicht. Mitglied der DMGK kann zudem jeder werden, sofern er bereit ist, den Mitgliedsbeitrag zu entrichten.

Die Reisegruppe moniert auf dem Platz gelagerte Rohre sowie Pumpgestänge. Dieses sei ölverschmiert, so dass bei Regen ölhaltiges Wasser heruntertropfen und den Boden verunreinigen könnte. Das verantwortliche Unternehmen ExxonMobil antwortet darauf, dass die aus dem Bohrloch ausgebauten Anlagenteile zuvor mit Heißwasser gereinigt worden seien und von den noch anhaftenden Ölresten keine Gefahr ausginge. Diese Erklärung ist schlüssig, sofern man im Chemieunterricht aufgepasst hätte. Denn Öl und Wasser verbinden sich nicht ohne Weiteres. Was von Heißwasser nicht abgespült werden konnte, kann von kaltem Regen nicht mitgenommen werden.

Zudem beklagten die Aktivisten, dass Kinder den Platz hätten betreten und sich mit den Ölanhaftungen hätten beschmieren können. Sicherlich könnten sie das, wenn sie verbotenerweise den Platz betreten hätten. Es mag die Vorstellungskraft der Aktivisten übersteigen, doch Betretungsverbote gelten auch für Kinder und ab spätestens 7 Jahren sind Kinder regelmäßig in der Lage, Verbotsschilder zu lesen und die Piktogramme zu verstehen. Davor haften die Eltern und sind auch verantwortlich, Verbote dem Nachwuchs zu verdeutlichen. Abgesehen davon ist es kaum vorstellbar, dass sich Kinder unter 7 Jahren allein mehrere Kilometer von der nächsten Siedlung entfernt aufhalten. Aus eigener Beobachtung wenige Tage später kann der Verfasser bestätigen, dass die ausgelegten Vliese zum Auffangen etwaiger Ölrückstände rein waren.

Angeblicher Benzingeruch an einem im Rückbau befindlichen Förderplatz

Erdölförderbohrung „Siedenburg 28“, November 2017. Foto: Steven Arndt. Zum Vergrößern anklicken.

Schon vor fast fünf Jahren war der Verfasser tief beeindruckt von den übersinnlichen Kräften von Gegnern der Öl- und Gasförderung in Deutschland: Die übersinnlichen Kräfte der Gasförderungsgegner

Von dieser Gabe scheinen auch die Protagonisten des „Die Harke“-Artikels gesegnet zu sein. Denn bei ihrer Rundfahrt durch die Wiesen und Wälder im Bereich der Erdöl- und Erdgaslagerstätten „Siedenburg“ nahmen sie an dem in Rückbau befindlichen ehemaligem Förderplatz „Siedenburg 30“ Benzingeruch wahr. Und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem Wasser aus einer Baugrube abgepumpt und in den benachbarten Wald geleitet wurde.

Doch warum soll es an einem Ölförderplatz nach Benzin riechen? Während Benzin einen noch vergleichsweise leichtem angenehmen Geruch hat, kann man bei den in Deutschland geförderten Erdölen von schwerem unangenehmen Geruch sprechen. Das liegt am geringen Anteil leichter Kohlenwasserstoffe.

ExxonMobil durfte diesbezüglich ausführlich Stellung nehmen und erklärt, dass das abgeleitete Wasser zuvor gutachterlich beprobt worden ist. Das auf die Parameter Mineralölkohlenwasserstoffe, Benzol, Toluol, Ethylbenzol, Xyloole sowie Polyzyklische Kohlenwasserstoffe untersuchte Wasser war nachweislich schadstofffrei. Deshalb wurde das Baugrubenwasser in Übereinstimmung mit der wasserrechtlichen Erlaubnis die behördlich genehmigte und vom Landkreis Diepholz bevorzugte Verrieselung in einem Waldstück vorgenommen.

Woher Benzin- oder allgemein Ölgeruch von einem nahezu beräumten ehemaligen Förderplatz herrühren soll, bleibt das Geheimnis der drei Aktivisten, die darauf hinweisen, dass es zufälligerweise drei Zeugen gibt, die den Vorfall sich selbst bestätigend bestätigen.

Ein gegenüber diesen teils ortsfremden Initiativlern etwas kritischerer Artikel wäre wünschenswert gewesen, aber immerhin durfte sich das an den Pranger gestellte Unternehmen umfänglich und nach Eindruck des Verfassers unverfälscht zu den Vorwürfen äußern. Das ist leider eher selten der Fall, auch bei Themen jenseits der Öl- und Gasförderung.

 

Artikelfoto: Frisch gestrichener Tiepumpenantrieb auf Erdölförderbohrung „Siedenburg 11“. Foto: Steven Arndt, März 2019